Englands Universitätsangestellte: „Wir holen uns die Unis zurück“

Die Streikwelle der Universitätsbeschäftigten für ihre Pensionen ist zu einem Brennpunkt für die Wut und Unzufriedenheit der Bevölkerung geworden. Ein Sieg für die Streikenden wird allen, die Widerstand gegen die Angriffe der Tories und der Bosse unterstützen, Auftrieb verleihen, berichtet Sadie Robinson aus London.
1. März 2018 |

Ein großartiger Streik der Universitätsangestellten hat gezeigt, wie wir das Blatt gegen die Chefs wenden können. Die Arbeiter_innen bekämpfen einen Angriff auf ihr Pensionssystem, der Teil einer breiteren Agenda zur Kommerzialisierung der Hochschulbildung ist.

Ein Streikender nach dem anderen berichtete am ersten Aktionstag, letzten Donnerstag, über die größten Streikposten aller Zeiten.

Solidarität der Studierenden

Große Gruppen von Studierenden schlossen sich Streikposten an und brachten Plakate, Banner und Solidaritäts-Spenden für die Arbeiter_innen. Bis zu 100 Studierende protestierten in Solidarität mit den Streikenden am Imperial College London. Ein lautstarkes Studierenden-Kontingent führte in Leeds einen Marsch von etwa 650 Menschen an. Am Goldsmith College im Süden Londons zogen Studierende in einem spontanen Demozug zum Rathaus von Deptford, wo sie die Universitätsleitung belagerten.

Die Studentin Rebecca kam in Glasgow zu Streikposten, um „sicherzustellen, dass die Mitarbeiter wissen, dass sie respektiert werden“. Sie sagte gegenüber dem Socialist Worker: „Hier geht es auch um unsere Zukunft, sowohl die Art von Arbeitsplätzen als auch die Qualität der Bildung, die wir bekommen.“

Lesley ist Kampagnensekretärin für die Gewerkschaft UCU (University and College Union) an der Universität Leeds. Wie viele Streikende sagte sie, dass dieser Streik sich sehr stark von früheren Streiks unterscheide: „Nie zuvor hatten wir Studierende, die hinter unserem Banner marschiert sind“.

Studierende bringen Solidarität zu den Streikposten ©Neil Terry

Daniel, Student am University College London (UCL) war einer von vielen, die selbstgemachte Plakate mitbrachten, um ihre Unterstützung für den Streik zu zeigen. „Ich glaube nicht, dass Menschen, die ihr Leben zum Wohl anderer einsetzen, solch drastische Pensionskürzungen hinnehmen sollten“, sagte er, „das ist beschämend“.

Ruby, Studentin an der Soas University of London, stimmte zu: „Wenn Pensionen angegriffen werden, könnten mehr Dozenten gehen“, sagte sie, „Und wenn sie mit dem Angriff auf die Pensionen durchkommen, was hält sie dann davon ab, andere Dinge zu tun, wie zum Beispiel die Studiengebühren zu erhöhen?“

Kate, eine Streikende in London, sagte, der Angriff würde die Arbeit in der Hochschulbildung weniger attraktiv machen. „Ich bin vor zwei Jahren aus Kanada hierhergekommen“, erzählte sie, „Wenn dieser Angriff auf die Pensionen damals stattgefunden hätte, hätte ich zweimal darüber nachgedacht herzukommen. Es macht unsere Zukunft unsicher. Wir sind unglaublich gestresst.“

Die studentische Unterstützung gab den Streikenden einen enormen Schub. Wie Vijay Tymms, Physiklehrer am Imperial College, gegenüber Socialist Worker erklärte: „Die Unterstützung der Student_innen war entscheidend für mich . Als der Studierendenverband seine Solidarität bekundete, fühlte ich mich besser in der Lage, den Studierenden zu erklären, warum wir streiken.“

Gewerkschaft wächst

UCU-Generalsekretärin Sally Hunt sagte, die Aktion habe Universitäten in ganz Großbritannien zum Stillstand gebracht. Im Vorfeld der Streiks hatten sich rund 5.000 Menschen der Gewerkschaft angeschlossen, um auch an den Streiks teilzunehmen. Weitaus mehr beteiligten sich an den Streikposten.

Roddy, ein UCU-Sprecher am Imperial, sagte: „Wir hatten bereits drei Leute, die am Streikposten Gewerkschaftsmitglied wurden, und die mit ihren Streikarmbinden unterwegs sind.“ In nur zwei Monaten sind fast 100 neue Mitglieder der Gewerkschaft beigetreten.

An der UCL traten in der Woche vor dem ersten Streik mehr als 100 Menschen der UCU bei. Verwalterin Rebecca trat am Vortag des Streiks bei: „Ich fing an zu lesen, was der Plan für die Pensionen ist und verstand worum es geht“, erklärte sie. „Viele Leute sind auf uns zugekommen, um zu sagen, dass sie uns unterstützen. Ich bin wirklich glücklich hier zu sein.“

Russell war auch zum ersten Mal im Streik: „Es ist ein Gefühl der  Ungerechtigkeit, das mich auf die Straße brachte“, sagte er. „Universitäten wie unsere bekommen sehr viel Geld durch Studiengebühren, aber es wird weder in die Menschen investiert, die hier arbeiten noch in die Studierenden.“

Angriff auf öffentliche Bildung

Er war nicht der Einzige, der durch die Wut auf das, was die Bosse und Tories mit der Hochschulbildung machen, motiviert wurde. UCU-Präsidentin Jeanette von der Universität Glasgow sagte: „Es ist nicht nur so, dass unsere Pensionen geplündert werden. Es geht auch um den Angriff auf öffentlich finanzierte Hochschulbildung. Die Universitäten müssen endlich den Menschen zurückgegeben werden, die in ihnen arbeiten.“

Streikposten am University College London ©Guy Smallman

Die Bosse behaupten, dass das Pensionssystem der Arbeitnehmer_innen ein Defizit aufweise. Aber das ist Blödsinn. Und ihre Berechnung basiert darauf, dass jede Universität bankrottgeht – ein Szenario, das nicht eintreten wird.

Streikende Ruth bekräftigte: „Es gibt kein Defizit. Die Einnahmen sind größer als die Ausgaben. Und sie sagen, sie können es sich nicht leisten, aber sie konnten es sich sogar leisten, als sie in der Vergangenheit weniger Geld hatten.“

Hinter dem Angriff auf die Pensionen steckt das Ziel der Bosse, die Arbeitsbedingungen und Gehälter im ganzen Sektor zu verschlechtern. Streikende Ioanna sagte, es sei „überhaupt nicht ungewöhnlich“ Universitätsangestellte mit Null-Stunden- Arbeitsverträgen zu finden.

Sie arbeitet seit sieben Jahren als Wissenschaftlerin an der UCL, aber ihr Vertrag soll im Juli enden. „Meine Forschungsabteilung sagt, dass es kein Geld mehr gibt, um weiterzumachen“, erzählt sie. „Ich hatte so viele verschiedene Verträge – Ein-Monats-Verträge, Drei-Monats-Verträge. Es ist ein Leben des Elends.“

Widerstand

Doch dieser Streik zeigt, dass eine starke und entschlossene Gewerkschaft ernstzunehmenden Widerstand organisieren kann. Hunderte Arbeiter_innen und Studierende hielten am vergangenen Donnerstag Streik-Kundgebungen in ganz Großbritannien ab. Bis zu 600 versammelten sich in Cambridge und 300 in Cardiff und Manchester.

Hunderte weitere gingen in Newcastle, Dundee und Sheffield auf die Straße, während Gewerkschaftsmitglieder in Glasgow und Strathclyde eine große gemeinsame Kundgebung abhielten. Es zeigte auch, dass die gewerkschaftsfeindlichen Gesetze der Tories nicht automatisch Aktivität stoppen.

Seit kurzem braucht es unter Universitätsangestellte eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent, um einen legalen Streik abzuhalten. In der jüngsten Serie von Wahlgängen haben mehr als 88 Prozent der UCU-Mitglieder für Streiks gestimmt – bei einer Wahlbeteiligung von über 58 Prozent.

Radikalisierung

Und schlagkräftige Aktionen zu fordern, hat die Arbeiter_innen nicht abgeschreckt. Die Gewerkschaft hat zu 14 Tagen eskalierender Streiks aufgerufen. Dem 48-stündigen Streik der letzten Woche und dem dreitägigen Streik dieser Woche werden ein viertägiger und ein fünftägiger Streik folgen, wenn sich die Bosse nicht bewegen.

Einige Gewerkschaftsmitglieder sagten, das „drastische“ Streikprogramm hätte ihnen mehr Selbstvertrauen gegeben, dass die Bosse reagieren müssten. Sie haben das Gefühl, eintägige Streiks hätten oft wenig Einfluss.

John, UCU-Sektionspräsident am Londoner Institute of Education, sagte, die Stimmung sei „wirklich fantastisch“. „Es ist erstaunlich“, sagte er gegenüber dem Socialist Worker. „Das Niveau dieser Streiks ist in den letzten Jahrzehnten beispiellos. Es ist ein anhaltender nationaler Streik über 14 Tage.“

„Ich war ein bisschen darüber besorgt, wie die Leute reagieren würden. Aber alles dreht sich nur darum, wie wir den Streik zum Erfolg bringen können. Niemand hat gesagt, dass wir zu viel machen.“

Julie ist Vorsitzende der UCU-Sektion an der Lancaster University: „Wir hatten am ersten Tag etwa 100 Streikposten und es war eine fantastische Atmosphäre“, sagte sie gegenüber dem Socialist Worker. „Einige jener, die zum ersten Mal streikten, sagten, sie seien zunächst unsicher am Streikposten gewesen. Aber jetzt sagen sie, dass sie wieder kommen. Sie machten eine großartige Erfahrung der Solidarität.“

Beispiellose Beteiligung

Streikender Yiannis sagte, über 150 Mitarbeiter_innen und Studierende hatten sich am Streikposten an der Warwick Universität versammelt. „Es war die größte Streikpostenbeteiligung aller Zeiten auf dem Campus“, erzählte er, „Es war eine tolle Stimmung mit vielen selbstgemachten Plakaten und Reden. Die Menschen spendeten für den lokalen Streikfonds. Und die Studierendenvereinigung von Warwick stimmte mit überwältigender Mehrheit dafür, den Streik zu unterstützen.“

Für Sharon, UCU-Präsidentin an der Universität von Dundee, gab es am ersten Streiktag „eine beispiellose Beteiligung für beispiellose Aktionen“.

Der Streikende Malcolm fügte hinzu, dass das Wahlergebnis in Leeds das höchste jemals war.

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Zwischen 150 und 200 unterstützten die Streikposten am ersten Tag. Streikender Nick sagte, es gäbe eine „wirklich positive Einstellung. Das fängt wirklich an, etwas zu werden.“

Lesley erzählte, dass Leute auf den Streikposten waren, die sie seit „Jahrzehnten“ nicht gesehen hatte. Und neue Leute sind nicht nur beigetreten – sie haben den Streik übernommen. Tony ist UCU-Sektionsleiter am UCL: „Eine Reihe neuer Mitarbeiter war von 8 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags da“, sagte er. „Die Leute sind so wütend über den Angriff. Ich denke, das Management wird einen Schock bekommen.“

Carlo, UCU-Sprecher in Dundee, sagte, die Streikposten hätten Einfluss: „Streikposten hielten Menschen auf und sprachen mit ihnen – es war nicht passiv“. „Kaum jemand ist vorbeigegangen. Die Leute sind entschlossen, sich Gehör zu verschaffen.“ In Newcastle wiesen die Streikposten Lieferwägen und einen Postler ab.

Der Kampf ist für jeden wichtig. Wie Rachel, Streikende in London, es ausdrückte: „Wenn das für Universitätspensionen getan werden kann, was ist mit den anderen? Was ist mit Pensionen für Arbeiter_innen in der Privatwirtschaft?“

Ein Sieg für die Bosse würde sie – und die Tories – selbstsicherer machen, auch in anderen Dingen in die Offensive zu gehen. Aber wenn sie geschlagen werden, wird es Arbeiter_innen überall zeigen, dass es möglich ist zu kämpfen und zu gewinnen.

Der Artikel ist zuerst im englischen Socialist Worker erschienen. Übersetzung von Mario Wagner.