F*CK HOFER-Protest vor der Wahl: Was wir damit erreichen wollen

Unsere Demonstration gegen Norbert Hofer am 3. Dezember, einen Tag vor dem entscheidenden Wahlgang der Präsidentschaftswahl, sorgt in den sozialen Medien für viele Diskussionen. Schadet die Demo, oder nützt sie? Wir wollen unsere Beweggründe kurz erklären.
29. November 2016 |

Um etwas vorneweg zu sagen: Wir wissen den Einsatz der vielen Menschen, die für Van der Bellen im Wahlkampf aktiv waren, wirklich zu schätzen! Wir haben monatelang mit vielen von ihnen gemeinsam in der Bewegung für eine menschliche Asylpolitik zusammengearbeitet, und wissen, dass viele von ihnen aufrichtige Antifaschist_innen sind. Viele von ihnen haben haben die erfolgreichen Proteste gegen die FPÖ unterstützt (so wie in Liesing oder Floridsdorf vor wenigen Monaten) – und sie haben uns auch jetzt versichert, dass sie in Zukunft mit uns gegen die braune Brut kämpfen wollen. Wir finden, das ist eine sehr gute Diskussionsgrundlage!

Es geht uns auch sicherlich nicht darum, unentschlossene Wähler_innen zu überzeugen. Unser Einfluss auf Wahlen wird seltsamerweise völlig überschätzt – auch wenn wir uns natürlich wünschen würden, dass Antirassismus, Antifaschismus und Antisexismus in Österreich einen viel größeren Stellenwert in den öffentlichen Diskussionen einnehmen würde. So weit, so gut, aber ein Argument wird uns am Ende immer noch entgegengehalten – warum ausgerechnet am Tag vor der Wahl?

Was macht Hofer stark?

Jede einzelne rassistische Maßnahme der Regierung hat den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer in den letzten Monaten stärker gemacht – seien es die Obergrenzen, Hercules-Abschiebeflüge oder die Massenabschiebungen nach Kroatien. Strache hat die Regierung vor sich hergetrieben und die beiden Koalitionsparteien hatten dem nichts entgegenzusetzen oder wollten nicht. Kaum gab die SPÖ bei einem Punkt nach, setzte die ÖVP noch einen drauf. Die Debatte um die Kürzung der Mindestsicherung ist das vorerst letzte Kapitel dieser verheerenden Spirale nach rechts.

Der Tenor der Regierung war: Österreich hätte bereits zu viele Flüchtlinge aufgenommen, Flüchtlinge würden ein fragwürdiges Frauenbild nach Österreich importieren und die Terrorgefahr würde steigen. Die Frage, ob sich davon die Wähler_innen von Van der Bellen oder Hofer eher motivieren lassen, erübrigt sich. Die Regierung hat letztlich für eine gesellschaftliche Dynamik gesorgt, die Hofer in die Hände spielt. Und der nutzte den Schwung selbstbewusst: als ihm seine Wahlniederlage im Mai nicht passte, hat er das Ergebnis einfach angefochten.

Was macht Van der Bellen schwach?

Die Dynamik, die die Regierung in Gang gesetzt hat, hätte aber auch umgedreht werden können, wenn man sich stolz zur „Willkommenskultur“ bekannt hätte. Die Reaktionen Van der Bellens auf die Wahlanfechtung und die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), den zweiten Wahlgang zu wiederholen, sind hierfür sehr bezeichnend: er rief dazu auf den VfGH-Spruch widerstandslos hinzunehmen, und vergaß dabei auf die Hälfte seiner Wähler_innen. Nämlich die über eine Million Menschen, die Van der Bellen gewählt haben, um Hofer zu verhindern. Stellen wir uns nur umgekehrt vor, was die FPÖ gemacht hätte, wenn man ihr den Wahlsieg gestohlen hätte! Täglich hätte sie über Monate das Urteil skandalisiert.

Nach jedem Angriff der FPÖ folgte ein Rückzug, ein Nachgeben der anderen Seite. Van der Bellen nahm dabei sogar FPÖ-Rhetorik ins Repertoire auf, als er davon zu sprechen begann, dass Schutzsuchende schon aufpassen müssten, nicht das „Gastrecht“ in Österreich zu verwirken. Trauriger Höhepunkt dieses Zurückweichens vor Rassismus war dann der Friedensschluss von Kanzler Christian Kern mit Strache eine Woche vor der Wahl, als er in aller Öffentlichkeit der Öffnung der SPÖ hin zur FPÖ den Weg ebnete. F*CK HOFER ist nicht nur Ausdruck unserer Wertschätzung für Hofer und die FPÖ, sondern auch Ausdruck unserer Wut über die systematische Verharmlosung der FPÖ durch den Staat und die politischen Parteien.

Derselbe Kanzler erklärte kurz zuvor – gegen den Willen der eigenen Basis – seine Zustimmung zu CETA. Kern treibt Hofer damit förmlich die CETA-Gegner_innen in die Arme. Meinungsforscher (deren Prognosen wir mit Vorsicht genießen sollten) stellten in Aussicht, dass dies Van der Bellen den Sieg kosten könnte – denn dieser war nicht bereit, seine eigentliche Befürwortung von neoliberalen Handelsabkommen und der Europäischen Union (EU) abzuschwächen.

Das passt aber ins gesamte Wahlkampfkonzept von Van der Bellen, der sich trotz der Erfahrungen im US-Wahlkampf als Kandidat des Establishments aufbaute – jene Eliten, gegen die die Wähler_innen von Trump und Hofer antreten. Jetzt sind wir nicht in der Position einen alternativen Kandidaten aufzustellen, aber wir können eines mit Sicherheit sagen: Einen wirklich klaren Sieg gegen Hofer hätte nur ein österreichischer Bernie Sanders mit einer gewaltigen sozialen Bewegung im Rücken und einem klaren linken Profil erringen können.

Demonstrationen verbieten?

Wir müssen noch einmal zur Flüchtlingsbewegung zurückkehren. Über eine Million freiwillige Helfer_innen und geflüchtete Menschen haben die Dynamik vor einem Jahr bestimmt und sie hätten auch jetzt wieder die Oberhand gewinnen können. Sie begannen sich gegen die hunderten Abschiebungen der Regierung zu wehren, aber dafür bekamen sie entweder nur Spott und Häme oder wurden erst gar nicht beachtet. Kein einziges großes Medium (eine der wenigen Ausnahmen war die Wiener Zeitung und diverse Lokalzeitungen) berichteten über ihren Widerstand. Dieses Totschweigen sorgte für viel Unverständnis und Wut.

In Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer und der FPÖ legten die Medien noch einen drauf und initiierten eine Hetzkampagne gegen die #LetThemStay-Demonstration zwei Wochen vor der Wahl. Sie beklagten Demonstrationen ausgerechnet in der Shoppingzeit zu Weihnachten, ohne auf die Motivation der Teilnehmenden und die unglaublich tragischen Schicksale der Menschen einzugehen, die bereits deportiert wurden oder werden. Hans Rauscher unterstellte im Standard den Initiator_innen des Protests – unermüdlichen Helfer_innen und Schutzsuchenden – von einem „Förderprogramm für Rechtspopulisten“ gesteuert zu werden.

Warum sind wir so angriffig?

Rauscher setzte nach und forderte die Behörden sogar indirekt auf, die Demonstration zu untersagen! Dass wir das demokratiepolitisch für äußerst bedenklich halten, brauchen wir wohl nicht zu erwähnen. Besonders ärgerlich ist, dass nun leider viele Van der Bellen-Unterstützer_innen genau diese Argumentation gegen die F*CK HOFER-Demonstration übernehmen. Van der Bellens Wahlkampfleiter Lothar Lockl riet den Anmelder_innen die Demonstration abzusagen, da so eine Demonstration „auch wirtschaftlichen Schaden anrichtet“. Will er den ständigen FPÖ-Forderungen nach „Demo-Zonen“ nachgeben?

Wir haben bis jetzt schon genug Gründe geliefert, am Samstag auf die Straße zu gehen. Aber es gibt noch einen besonderen Grund, den wir auch im Aufruf zum Protest ganz außerordentlich betonen (und den auch Medien jetzt ausführlich zitieren, siehe etwa Kronenzeitung, Heute oder Österreich). Wir glauben, Hofer ist nicht irgendein Politiker wie jeder andere, sondern ein gefährlicher deutschnationaler Burschenschafter und Antidemokrat. Wir finden es verheerend, dass solche Leute überhaupt in der Politik mitmischen dürfen. Hofer trägt das Symbol des Judenhasses, die blaue Kornblume, das Erkennungszeichen der Nazis von 1933 bis 1938 in Österreich. Wer dieses Zeichen trägt, schrieb Buchautor Hans-Henning Scharsach, verhöhnt die Opfer des NS-Terrors.

Die vielen Lügen um das Nazi-Symbol der Kornblume

Die vielen Lügen um das Nazi-Symbol der Kornblume

Man muss unserem Slogan „F*CK HOFER“ nicht zustimmen, aber alleine die Gefahr, die von einem Präsidenten Hofer ausgeht, rechtfertigt, im Umgang mit den Freiheitlichen die Samthandschuhe auszuziehen. Eine strategische Frage bleibt: Glauben wir, dass wir die FPÖ ohne Konfrontation aufhalten können? Wir sind davon überzeugt, dass man den Kampf gegen Faschismus zuspitzen und zu Ende führen muss. Wir appellieren an die Linke, die FPÖ mit der ihr gebührenden Härte zu konfrontieren.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.