Festung Europa: Kein sicherer Hafen für verzweifelte Flüchtlinge

Hinter der Flüchtlingskrise stecken eine Reihe blutiger Konflikte auf der ganzen Welt. Nichts ist daran falsch, wenn sich Menschen auf die Suche nach einem besseren Leben machen – egal aus welchen Gründen.
7. September 2015 |

Viele Flüchtlinge riskieren ihr Leben bei dem Versuch, einen sicheren Hafen und eine neue Heimat in Europa zu finden. Anstatt diese verzweifelten Menschen mit offenen Armen zu empfangen, machen die Regierungen die Grenzen dicht. Sie haben jede legale Einreisemöglichkeit in die europäischen Staaten unmöglich gemacht und fordern nun sogar wieder Grenzkontrollen in der EU.

Die Mehrzahl der schutzsuchenden Menschen erreichen Europa gar nicht. Jene, die es schaffen, werden als „Wirtschaftsflüchtlinge“ angegriffen und beschuldigt, ihre Flucht vor Krieg, Verfolgung und Terror nur vorzutäuschen. Rassisten bezichtigen Fluchthelfer, die sogenannten „Schlepper“, für die vielen Toten verantwortlich zu sein. Sie benutzen diese Argumente, um Menschen, die tausende Kilometer hinter sich haben und nicht wissen, wohin sie sonst sollen, einen sicheren Hafen zu verweigern.

Eritrea: Regiert von einem militärischen Terror-Regime

Flüchtlingszahlen UNHCREritrea ist eine der am stärksten militarisierten Gesellschaften der Welt. Tausende junge Erwachsene, Mädchen und Jungen fliehen jedes Jahr vor dem brutalen Militärdienst. Der Staat wurde im späten 19. Jahrhundert eine italienische Kolonie. Großbritannien regierte das Land nach dem Zweiten Weltkrieg, bis es von Äthiopien einverleibt wurde. Die USA unterstützten die Annexion, weil der damalige Regierungschef ein Verbündeter war. Die US-Regierung wechselte im Kalten Krieg die Seiten und unterstützte die Eritreische Volksbefreiungsfront (EPLF), als sich Äthiopien mit der Sowjetunion verbündete.

Der heutige Präsident Isayas Afewerki, seit 1993 im Amt, leitete die EPLF im Unabhängigkeitskrieg gegen Äthiopien und führte 1995 eine allgemeine Wehrdienstpflicht ein. Das Regime wurde zunehmend autoritär. Jeder unter 50 Jahren kann zum Militärdienst eingezogen werden. Fünf Prozent der Bevölkerung lebt in Militärbarracken in der Wüste.

In einer kürzlich verfassten Studie der South Bank University gaben Interviewte an, im Schnitt fünf bis sechs Jahre Militärdienst abzuleisten, manche sogar das Doppelte. Ohne abgeschlossenen Dienst kann man nicht studieren oder im öffentlichen Sektor Arbeit bekommen. Wehrdienstpflichtige werden unter Zwang zum Straßenbau, zu Sexarbeit oder als Lehrer_innen herangezogen. Obwohl Eritrea mit 6,5 Millionen Einwohner_innen eine relativ kleine Bevölkerung hat, fliehen jedes Monat 2.000 Menschen aus dem Land.

Sudan und Südsudan: Kampf um Ressourcen

Großbritannien eroberte den Sudan in den 1890er-Jahren, er blieb bis 1956 Teil des Königreichs. Vier Millionen Menschen wurden durch Repression und Krieg vertrieben. Eine Welle von Protesten hat in den letzten Jahren die Diktatur von Umar al-Baschir, der seit 1989 an der Macht ist, erschüttert. Der Sudan hat eine beeindruckende Geschichte von Aufständen. 1964 und 1985 haben die Menschen Diktatoren gestürzt.

Die Entdeckung von Öl hat erneut das Interesse von imperialistischen Großmächten geweckt – insbesondere das der USA und Chinas. Die Konkurrenz um Ressourcen hat einen blutigen Bürgerkrieg ausgelöst, der manchmal auch in Darfur an der Westgrenze zum Sudan ausgetragen wurde. Nach Jahren des Bürgerkriegs erklärte der Südsudan 2011 seine Unabhängigkeit und behielt die Kontrolle über die wichtigsten Ölfelder. Streitigkeiten um diese Ressourcen haben die beiden Länder, Sudan und Südsudan, erneut in einen Krieg gezogen.

Somalia: Invasionen durch die USA und seine Verbündeten

Somalia liegt am Horn von Afrika und war seit der Eröffnung des Suezkanals 1869 von imperialistischen Mächten wegen seiner Nähe zu wichtigen Welthandelsrouten besonders umkämpft. Italien und Großbritannien hatten sich in der Folge Teile des Landes einverleibt. In den 1960er-Jahren wurde das Land im Kalten Krieg neu aufgeteilt. Diktator Generalmajor Siad Barre wurde zuerst von der Sowjetunion und später von den USA unterstützt. Seither stationierte die US-Regierung direkt Truppen im Land und trieb die Invasion durch das benachbarte Äthiopien voran.

Das Ergebnis der Besatzungspolitik war, dass sich die Überbleibsel einer relativ moderaten islamistischen Bewegung – die wirkte, als könnte sie eine Zentralregierung bilden – in der brutalen Al-Shabaab-Milizen sammelten. Jetzt ist das Land einmal mehr ohne eine zentrale Regierung, von fremden Truppen aus Uganda, Äthiopien und Kenia besetzt. Dabaab in Kenia, ist 100 Kilometer von der somalischen Grenze entfernt, und mit 350.000 somalischen Flüchtlingen das derzeit größte Flüchtlingslager der Welt.

Afghanistan: Zwölf Jahre Besatzung

Britische und US-Amerikanische Truppen haben Afghanistan Ende letzten Jahres als völlig zerstörtes Land nach zwölfjähriger Besatzung verlassen. Noch immer tobt ein blutiger Bürgerkrieg.

Das Land wurde in der Geschichte mehrmals von fremden Truppen besetzt. Ungefähr 3,7 Millionen Menschen von einer Gesamtbevölkerung von 30 Millionen mussten fliehen. Vielen afghanischen Flüchtlingen wurde der Asylstatus in Europa nicht gewährt. Sie wurden abgeschoben und mussten sich seither in anderen Ländern, wie Pakistan oder Iran verstecken.

Syrien: Die Revolution brutal niedergeschlagen

Nicht einmal die österreichische Regierung bestreitet, dass es in Syrien nicht sicher ist. Etwa vier Millionen Menschen haben seit dem Bürgerkrieg und dem Aufstand gegen Diktator Baschar al-Assad ihre Wohnungen und Hab und Gut verloren und sind auf der Flucht. Die meisten Flüchtlinge, die derzeit nach Österreich kommen, stammen aus Syrien.

Imperialismus steht hinter der Flüchtlingskatastrophe

Imperialismus steht hinter der Flüchtlingskatastrophe

Die Regierung versucht das kleinzureden und will das umstrittene Dublin-Verfahren für syrische Flüchtlinge nicht aussetzen. Nach dieser Regelung ist jener Staat für das Asylverfahren zuständig, in dem der Schutzsuchende erstmals europäischen Boden betreten hat. Deutschland hat das Verfahren für Syrer_innen bereits ausgesetzt. Die Mehrzahl der syrischen Flüchtling kommt gar nicht nach Europa, sondern bleibt in der Nähe ihres Heimatlandes. Das jordanische Flüchtlingscamp Zaatari gewährt 83.000 Syrer_innen Zuflucht.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.