FPÖ-Graf will wieder ins Parlament: „Mit 6 Millionen Juden, da…“
In der Burschenschafter-Basis der FPÖ rumort es nach dem Abgang von Johannes Hübner offenbar ganz gewaltig. Die Führung hat allerlei Probleme, die Partei so kurz vor der Wahl auf einen gemeinsamen Wahlkampf einzuschwören. Ausgerechnet der „Olympia“-Burschenschafter Martin Graf soll den „Olympia“-Anwalt Hübner im Parlament ersetzen, was intern erneut für Zündstoff sorgt, wie der Kurier berichtet hat. Ist die demokratische Tarnkappe erst einmal verrutscht, wird die Partei so richtig angreifbar.
Die Parteileitung um Heinz-Christian Strache muss inständig gehofft haben, dass die Medien und die anderen Parlamentsparteien die Affäre Hübner ignorieren würden. Sie hätten Hübner rauswerfen und jemanden nachschicken können, der „unbefleckt“ ist. Aber ganz offensichtlich führt das Kreidefressen (am Nationalsozialismus und Antisemitismus darf man nach außen hin nicht anstreifen) in Kombination mit öffentlichen Angriffen dazu, dass die Burschenschafter etwas im Gegenzug verlangen. Und die scheinen immer noch selbstbewusst zu sein, seit Strache 2005 die Partei übernommen hat.
Schlechtes Tarnvermögen
Strache entledigte sich Haiders liberaler „Buberlpartie“ und ersetzte sie durch seine „Burschenpartie“. Die blaue Kornblume – antisemitisches Symbol für den Weg in den „fabriksmäßig organisierten Massenmord in den Konzentrationslagern des Nationalsozialismus“ (Hans-Henning Scharsach) – wurde wieder offen im Parlament getragen. Strache schickte seine stramm deutschen Recken an die (mediale und öffentliche) Front. Martin Graf war einer, der damals die Offensive anführte, aber auch einer, der sich schlecht zu tarnen vermochte.
Graf bekannte sich zur besten Sendezeit (im Interview mit der Zeit im Bild 2) zur „deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“. 2009 lud er als dritter Nationalratspräsident den antisemitischen Verschwörungstheoretiker und Rassebiologen Walter Marinovic als „guten Fachreferenten“ ins Parlament ein – Marinovic hielt unter anderem Vorträge bei der Neonazi-Organisation „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“ (AFP).
Deutsche Volksgemeinschaft
Die Reaktion auf den Rückzug des „Olympia“- und FPÖ-Anwalts Hübner beweist eindeutig, dass die FPÖ nachwievor fest in den Händen von rechtextremen Burschenschaftern ist. Man darf sich von oberflächlichen Demokratie-Bekundungen und Beteuerungen, man habe mit Antisemitismus nichts am Hut, nicht täuschen lassen.
2015 blamierte sich Martin Graf vor laufenden Kameras mit dem Pegida-Sprecher Georg Immanuel Nagel. Vor der Puls4-Sendung nahm er an der Pegida-Demonstration zusammen mit „Identitären“, weiteren Olympia-Burschenschaftern und Anhängern des Neonazis Gerd Honsik teil.
Martin Graf galt seit jeher als einer, der seine Gesinnung nicht so gerne versteckt, wie seine Parteichefs. 1997 sagte er im Interview mit dem Spiegel: „Die heutigen Staatsgrenzen wurden willkürlich gezogen. Das deutsche Volkstum muss sich frei in Europa entfalten können.“ Ob er damit „Lebensraum im Osten“ oder eine erneute Besetzung Frankreichs gemeint hat?
Aufschluss darüber könnte seine eigene Burschenschaft „Olympia“ geben. Die lud nämlich den Nazi-Liedermacher Michael Müller ein, der das Udo Jürgens-Lied „Mit 66 Jahren“ umdichtete zu: „Mit 6 Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an, bis 6 Millionen Juden, da ist der Ofen an.“ Auch gastierte bei der „Olympia“ der Nazi-Barde Frank Rennicke, der ein Benefizkonzert für die untergetauchten NSU-Mitglieder gab und Lieder singt wie „Landauf, landab, im kleinen wie großen wirst du immer auf’s neue auf Adolf stoßen“.
Gelegenheit nutzen
Für Autor Hans-Henning Scharsach ist Grafs Rückkehr eine „Provokation“. Scharsach, der Anfang September sein neues Buch „Stille Machtergreifung – Hofer, Strache und die Burschenschaften“ präsentieren wird, urteilt gegenüber der Neuen Linkswende: „Durch seine offen gezeigte Verbundenheit mit den Traditionen des Nationalsozialismus, durch die Auswahl seiner Mitarbeiter, seine Einladungspolitik, seine Bekenntnisse zum Deutschtum, seine Zweifel am antifaschistischen Nachkriegskonsens und seine kritische Distanz zum Verbotsgesetz ist er eine Belastung für Demokratie und Parlamentarismus in Österreich. Seine Rückkehr ist eine Provokation für alle Parteien der demokratischen Mitte.“
Grafs Kandidatur muss in einem Land mit einer antifaschistischen Verfassung ein Ding der Unmöglichkeit sein, sie ist aber auch eine Art Geschenk für die antifaschistische Bewegung. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verteidigte Graf als einen „Teil der freiheitlichen Familie“, den man nicht fallen lasse. Wir können mit öffentlichen, lautstarken Protesten dafür sorgen, dass die FPÖ auch Graf wieder absägen muss und so die internen Konflikte der FPÖ im Wahlkampf verstärken. Es darf keine Regierungskoalition mit einer Partei geben, die Platz für solche Gestalten hat.