Gegen Gefängnisse und eine Gesellschaft, die sie benötigt

9.089. So vielen Menschen verweigerte der Staat über Weihnachten und Silvester die Freude, mit ihren Familien zu feiern. Sie alle sind aktuell in Haft, anders als uns einige Dummköpfe in den Medien und sonstwo glauben machen wollen, handelt es sich bei diesen Menschen um keine Monster.
15. Januar 2024 |

Die gigantische Mehrheit von ihnen sitzt wegen „geringer“ Vergehen: Das geht von Diebstahl über Drogen bis zu leichter Körperverletzung. Es wäre ein Leichtes, die Anzahl an Gefangenen in Richtung Null zu drücken. Therapie für Drogenkonsument:innen, Legalisierung von Drogen, Aggressionstrainings, ökonomische Gerechtigkeit. Jeder Mensch, der sich damit auseinandersetzen will, weiß, dass „unser“ Gefängnissystem auf der Ungleichbehandlung von „Ausländern“ und „Armen“ Menschen basiert. Das Gefängnis zielt darauf ab, die ökonomische Unterschicht zu disziplinieren und der Oberschicht das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.

Das Gefängnis zielt auf Traumatisierung und psychische Folter. Von wochenlanger Einzelhaft, über sogenannte Betonspritzen – Haloperidol eine „Beruhigungsspritze“, mit der auffällige Gefangene betäubt werden. Nebenwirkungen reichen von Depression über Sitzunruhe bis hin zu unkontrollierbaren Zuckungen. Dazu kommen Misshandlungen durch Wärter und offene Demütigung durch das regelmäßige nackt ausziehen. Gefängnisse sind Folterinstitutionen, darauf ausgerichtet die psychische und physische Gesundheit von Menschen zu zerstören. Das Ergebnis ist, dass die Suizidrate in Gefängnissen viel höher ist als in der restlichen Bevölkerung. 2021 kam es in Österreichs Gefängnissen zu 15 Suiziden und 31 Versuchen und das sind nur die dokumentierten Fälle. Wer das Gefängnis überleben will, muss sich psychisch selbst abhärten und sich für das ihn umgebende menschliche Leid taub stellen.

Gefängnisse sind nicht nur Orte der psychischen Zerstörung, sondern auch der ökonomischen Ausbeutung. Gefangene, die arbeiten müssen, erhalten Löhne, die unterhalb jeder Armutsgrenze sind. Ein Stundenlohn über 2 € gilt bereits als gut (externe Firmen bezahlen etwas besser, jedoch auch niemals über 10 €). Über 1.000 Österreichische Unternehmen lassen ihre Waren in Gefängnissen produzieren. Beispielsweise die sich als besonders sozial und ökologisch darstellende Firma GEA der Waldviertler Schuhe. Die *** besitzen auch noch die Frechheit, ihre Maximal-Ausbeutung in Interviews als soziales Engagement im Dienst der Gemeinwohlökonomie zu verkaufen.

In der internationalen anarchistischen Bewegung gibt es seit Jahrzehnten die Tradition, am 31.12. vor Gefängnisse zu ziehen, um Solidarität mit den Gefangenen zum Ausdruck zu bringen. Ausgehend von der Initiative solidarisch.zum.knast versammelten sich auch in Wien um die 70 Menschen vor der Justizanstalt Simmering. Nach einem Redebeitrag, der an die aufständische Geschichte der Anstalt erinnerte – während der NS-Zeit kam es zu Fluchtversuchen, 1952 zu einem Aufstand – wurde der Text einer jüngst inhaftierten Person verlesen. Wieder ging es um Folter durch Wärter, Suizidgedanken und den Rassismus des Gefängnissystems.

Anschließend wurden Parolen skandiert, welche von den Insassen mit Rufen wie „Freiheit“ oder „FreePalestine“ begrüßt wurden.

Für die Insassen, denen gerade am 31.12. vor Augen geführt wird, dass der Staat sie mit Gewalt am Leben hindert, muss diese Solidaritätsbotschaft ein schönes Zeichen gewesen sein. Auch in Österreich existiert mittlerweile eine Gewerkschaft von Gefangenen, die für ihre Rechte kämpfen. Jahrelang versuchte der Staat, mit juristischen Argumenten wie „In Gefängnissen wird nicht freiwillig gearbeitet, darum braucht es keine Gewerkschaft“ die Gründung zu verhindern. Doch die Inhaftierten ließen sich nicht unterkriegen und gründeten ihre Organisation, die sich gegen Gefängnisse, Rassismus und für die Erkämpfung eines Mindestlohns einsetzt. Auf Facebook findet ihr die Organisation: Gefangenengewerkschaft Österreich.

von Anton Carlos Andreas Bauer, 01.01.2024
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