Gerichte verurteilen ÖVP-Rassismus
Eine Woche nach dem Terroranschlag von Wien, am 9. November 2020 stürmten schwer bewaffnete Sondereinheiten nächtens die Wohnungen und Kinderzimmer der Familien von 70 muslimischen Verdächtigen und richteten ihre Sturmgewehre auf aus dem Schlaf gerissene Eltern und Kinder.
Wie traumatisch diese Erfahrungen gewesen sein müssen, mag man sich nicht vorstellen. Innenminister Nehammer war sichtlich stolz und bewegt ob seines „verheerenden Schlags gegen die Muslimbrüder.“ Nun stellte das Landesgericht fest, dass der Generalverdacht gegen jeden Muslimbruder, er sei „gleichzeitig auch ein Mitglied oder Förderer einer terroristischen Vereinigung“ unzulässig ist. Abgesehen davon sei bei vielen Opfern des Polizeiüberfalls nicht einmal die Mitgliedschaft bei der Bruderschaft ordentlich nachgewiesen worden.
Das ist natürlich ein echter Rückschlag für die Kurz-ÖVP, die genau auf dieser Basis ein Bedrohungsszenario aufbaut: jeder noch so moderate muslimische Mitbürger soll als potentieller Terrorist gelten können, wenn es den politischen Zielen der ÖVP dienlich ist. Beinahe zeitgleich hat der Europäische Gerichtshof eine Massendeportation nach Afghanistan gestoppt.
Dass Abschiebungen nach Afghanistan mit keinem Argument zu rechtfertigen sind, ist natürlich auch Innenminister Nehammer und Kanzler Kurz längst klar gewesen. Sie gegen alle Einwände durchzusetzen, muss ihnen als ein besonders viel versprechendes Projekt erschienen sein. Was für ein Schlag ins Gesicht der verhassten Gutmenschen und spitzfindigen Juristen der Menschenrechtsorganisationen. „Wir werden sicherlich weiter nach Afghanistan abschieben. Die Probleme Afghanistans können wir nicht dadurch lösen, dass Deutschland und Österreich wie 2015 massenhaft Menschen aufnehmen.” Dieser Satz von Kanzler Kurz aus einem Interview mit der Bild Zeitung vom Ende Juli wendet sich nicht nur an die eigene Basis. So will Kurz seine Gegner, aber auch seinen Koalitionspartner demoralisieren, ihnen ihre Machtlosigkeit angesichts seiner Uneinsichtigkeit demonstrieren. So geht rechte Politik!
Brandgefährlich
Rassismus gegen Muslime, besonders gegen „Islamisten“ und, seit dem Mord an Leonie, noch einmal mehr gegen afghanische Flüchtlinge, ist einer der tragenden Säulen des Erfolgs von Sebastian Kurz. Er ist wahrscheinlich kein Nazi, auch wenn seine Flüchtlingspolitik deren Vorstellungen entspricht.
Er tut, was Politiker wie Orbán oder Trump vorgemacht haben. Er verschiebt die Grenzen des Erträglichen immer weiter, geht immer weiter nach rechts. Er lässt die Rechten auf ihre Schenkel klopfen, während Liberale und Linke sprachlos vor Entsetzen die Köpfe schütteln oder zwischen ihre Schultern einziehen. Das ist sein Erfolgsrezept und aus Sicht jedes Konservativen nachvollziehbar, weshalb auch der christlich-soziale Flügel der ÖVP weiter zum größten Teil hinter ihm steht. Was sie alle ausblenden; so bereitet er den echten Faschisten den Boden um noch viel weiter gehen zu können. Die Geschichte hat uns schon mehrfach gezeigt,wie dieses Wechselspiel zwischen konservativer Machtpolitik und dem Vormarsch faschistischer Bewegungen ausgehen kann. Haben nicht alle Faschisten heute dasselbe Feindbild an dem sie ihre Gewaltphantasien ausleben?
Breivik, die Kapitol stürmenden „proud boys“, Brenton Tarrant, dem Massenmörder von Christchurch, und auch sein Günstling, der Bobonazi aus Wien – in ihrem islamfeindlichen Rassismus unterscheiden sie sich nur durch die Bereitschaft zur Gewalttat von der „neuen ÖVP“. Kurz mag der FPÖ fürs erste einen Schlag versetzt haben, aber so sicher wie seine Zeit enden wird, so sicher kommt die FPÖ zurück, um unter viel günstigeren Verhältnissen ihr Werk fortzusetzen.
Solidarität und Entschlossenheit
Die Opposition und auch die antirassistische Bewegung sind viel zu zurückhaltend. Aus Angst sich mit Verteidigung von als „Islamisten“ gebrandmarkten Opfern dieser Politik die Finger zu verbrennen, gab es viel zu wenig Protest oder Widerspruch gegen die Operation Luxor. Das ist von der muslimischen Community völlig zurecht angeprangert worden. Zur Deportation straffälliger Asylwerber gab es teilweise sogar Zuspruch. Was für eine Schande für jeden Menschen, der sich das Label antirassistisch umhängt.
Die zwei Gerichtsurteile gegen die rassistische Politik der ÖVP zeigen uns, es ist an der Zeit, dass wir uns zusammenreißen und zusammentun, und uns solidarisch und entschlossen an die Seite der muslimischen Bevölkerung stellen. Ihre Aktivistinnen haben angesichts des Dauerfeuers von rechts viel mehr Standhaftigkeit und Courage bewiesen als die meisten Nicht-muslimischen Linken. Aber nur eine mutige und entschlossene Linke kann diesem Spuk ein Ende bereiten.