Gewerkschaftswiderstand gegen AUVA-Zerschlagung muss politisch sein
Der Kampf gegen Schwarz-Blau kann nur erfolgreich sein, wenn sich unsere Bewegung ohne Wenn und Aber allen politischen Angriffen der Regierung entgegen stellt.
Das dürfte offenbar nicht allen klar sein. Kurz vor der Bürgermeisterwahl in Innsbruck trat die grüne Vizebürgermeisterin Sonja Pitscheider aus ihrer Partei aus. Auslöser war eine Aussage ihres bisherigen Parteikollegen Georg Willi: „So hart das klingen mag, aber die Frage, ob ich mir das Dach überm Kopf leisten kann, beschäftigt die Leute ganz einfach mehr als die Frage nach dem Binnen-I oder der Ehe für alle.“ Damit spricht er einem wesentlichen Teil der Bewegung gegen Schwarz-Blau ganz einfach die Ernsthaftigkeit ab.
Eine solche Haltung entspringt dem weit verbreiteten Gerücht, dass der politische Kampf gegen Diskriminierung und Unterdrückung nachrangig gegenüber den sozialen Kämpfen sei. Nichts ist weiter weg von der Realität. Es ist kein Zufall, dass die Regierung gleichzeitig mit der geplanten AUVA-Zerschlagung das Kopftuchverbot und die Verschärfung von Asylgesetzen ankündigt. Sie greift die Gewerkschaften an und versucht davon abzulenken. Allein schon die multiethnische Zusammensetzung derjenigen, denen die Kampfansage gilt, sollte alle wachrütteln.
Vielfalt der Arbeiterklasse
In ganz Österreich waren 2011 laut Statistik Austria rund 294.500 Menschen in Gesundheitsberufen tätig. Davon hatten 28.700 Menschen (9,7%) keine österreichische Staatsbürgerschaft, 50.400 Menschen sind nicht in Österreich geboren (17,1%), und bezogen auf „Migrationshintergrund“ sind es 53.200 Menschen (18,1%). Wobei das noch zu niedrig sein dürfte, denn die Migrationsforscherin Anna Faustmann von der Donau-Universität Krems weist darauf hin, dass sich die Zahlen auf eine Stichprobenerhebung stützen, in denen Menschen mit Migrationshintergrund tendenziell unterrepräsentiert sind.
Eine ausführliche Studie der L&R Sozialforschung im Auftrag für die Arbeiterkammer Wien aus dem Jahr 2011 zeigt, dass in Wien besonders viele Frauen mit Migrationshintergrund im Gesundheits- und Sozialbereich arbeiten. 24% der Philippininnen haben einen Gesundheitsberuf gewählt, 14% der Frauen aus Afrika, 17% aus dem Iran, 21% aus dem arabischen Raum, 16% aus China, 18% aus neueren EU-Staaten wie Ungarn und Polen, 19% aus dem ehemaligen Jugoslawien und 11% aus der Türkei.
Mehrfache Diskriminierung
Alleine in Wien dürften so entsprechend unserer Berechnungen rund 44.000 Menschen mit Migrationshintergrund im Gesundheits- und Sozialbereich arbeiten. Dabei sind Migrant_innen in diesem Bereich doppelt so häufig (40 Prozent aller Befragten seit dem Jahr 2000) von Arbeitslosigkeit betroffen, wie Nicht-Migrant_innen (19 Prozent). In der Gewerkschaftsführung und unter Betriebsrätinnen sind Migrantinnen allerdings unterrepräsentiert, und damit mehrfach benachteiligt.
Ausländerinnen sollten sich in den Kämpfen selbstbewusst in den Vordergrund stellen, und sie und ihre Anliegen müssen bei Betriebsversammlungen und Pressekonferenzen auf- und vor allem ernst genommen werden. Ihre Herkunft und ihre unterschiedlichen Erfahrungen sind eine unglaubliche Bereicherung für den Kampf der Arbeiter_innenklasse hierzulande. Besonders viele, die noch nicht so lange hier sind, haben etwa die Revolutionen in Syrien und Ägypten mitgemacht oder Arbeitskämpfe anderswo angeführt.
Generalstreik
Die Beschäftigten des Gesundheits- und Sozialbereich haben einen mächtigen Hebel in der Hand, der die Regierung das Fürchten lehren könnte. Das ganze Land würde stillstehen, wenn sie streiken. Ambulanztermine, Kontrollen, Heimdienste und vieles mehr würden einfach ausfallen. Angehörige müssten einspringen, von deren Arbeit wiederum andere Unternehmer abhängig sind. Man stelle sich vor, die betroffenen Angehörigen müssten gleichzeitig Urlaub machen.
Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) sollte Kampfmaßnahmen bis zum Generalstreik in Betracht ziehen und der Regierung mit diesem auch öffentlich drohen, und am besten Muslim_innen und Flüchtlinge an ihre Front stellen. Dann kann Schwarz-Blau schnell einpacken. Niemand will, dass ÖVP und FPÖ die volle Regierungsperiode durch machen.