Hofer wird von rassistischer Welle an die Macht gespült

Jede einzelne rassistische Maßnahme der Regierung, jede arrogante Äußerung über Flüchtlinge, Türk_innen, oder Muslime hilft dem FPÖ-Kandidaten Hofer. Als wären sie heimliche Fans der FPÖ haben unsere Regierenden in den Monaten seit dem ersten Wahlgang eine rassistische Welle aufgepeitscht, die Hofer ins Amt spülen wird.
14. September 2016 |

Es geht um viel bei der Präsidentschaftswahl, um viel mehr als das Amt. Es geht um die Richtung, die Österreichs Politik in den kommenden Jahren einschlagen wird.

Gewinnt Hofer, dann wird es sehr bald Neuwahlen geben und je früher die kommen, desto wahrscheinlicher wird die FPÖ mit der Regierungsbildung beauftragt. Die ÖVP geht offensichtlich fix von diesem Szenario aus und bereitet sich auch schon darauf vor. Für sie ist es besser die Koalition selbst zu sprengen, als sie von der FPÖ zerstören zu lassen, wenn sie an die Neuwahlen und an die kommenden Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ denkt. Deshalb macht sie immer mehr Druck nach rechts.

Kommt ihr die SPÖ (schändlicherweise) entgegen, dann fordert sie noch mehr: „Integrationsminister“ Kurz setzt nach und fordert 1-Euro-Jobs für arbeitslose Asylberechtigte. Gleichzeitig bereitet ÖVP-Innenminister Sobotka Verschärfungen im Fremden- und Sicherheitspolizeigesetz vor, sowie im Strafrecht. Die Abwärtsspirale dreht sich, weil die Regierungsparteien dem Druck von rechts offensichtlich nichts entgegenzusetzen haben. Dazu fehlt es ihnen an Haltung.

Gegenoffensive

Wir müssen damit rechnen, dass Norbert Hofer die Wahl gewinnt, weil die beschriebene politische Dynamik ihm in die Hände gespielt. Die Regierung hat in den letzten Monaten ein rassistisches Klima erzeugt, das in ganz Europa seinesgleichen sucht. Begonnen hat sie damit schon im vergangenen Winter als sie ihre Gegenoffensive gegen die „Willkommenskultur“ gestartet hat, die sich in Österreich seit August 2015 breit gemacht hat. Für wenige Monate hat die Regierung vor der massenhaften Solidarität und dem Druck, den die Flüchtlinge an den Grenzen selbst erzeugt haben, kapituliert.

Aber sie hat zurückgeschlagen. Unsere Kapazitäten seien erschöpft, mit den Flüchtlingen würde ein fragwürdiges Frauenbild importiert, wir bräuchten Obergrenzen und schließlich eine Notverordnung, die das Recht von flüchtigen Menschen auf Asyl per Dekret abschafft. Wer wird sich wohl von diesen Maßnahmen und der ideologischen Begleitmusik motivieren lassen? Die Wähler_innen von Hofer, oder die von Van der Bellen?

Auswirkungen

Wie immer, wenn von oben massiv Rassismus geschürt wird, spiegelt sich das in der Gesellschaft wieder. Es ist nicht so, dass die über eine Million Menschen, die etwas zur Willkommenskultur beigetragen haben, sich plötzlich gegen Flüchtlinge wenden würden, aber die Rechten machen richtig Stimmung: Von Straches Facebook-Seite aus wurde ein Gerücht nach dem anderen gestreut und fand in der breiten Bevölkerung Widerhall. Alle, die FPÖ-Kandidaten Hofer gewählt haben, fühlten sich bestätigt und rechtfertigten ihre Stimme, indem sie diese Gerüchte zu ihrer Wahrheit gemacht haben.

Eine Frau erfand eine Vergewaltigung durch einen Flüchtling in einem Schwimmbad. Schwimmbäder erteilten Badeverbot für Flüchtlinge, später für Trägerinnen eines Splashsuits (die Medien nennen das Burkiniverbot). Plötzlich war auch der afrikanische Drogendealer wieder ein Riesenthema. In den Wiener Linien patrouillierten Sonderkommandos der Polizei, von Kronenzeitung bis Falter zeigte man sich zufrieden. Angela Merkel, wahrlich keine antirassistische Aktivistin, war plötzlich der Lieblingsfeind aller. Vom Außenminister bis zum niedrigsten FPÖ-Funktionär wusste man wer schuld sei an der „Krise“ – die übermächtige deutsche Kanzlerin!

Hercules

Österreichs Regierung, sonst willenlos hinter Deutschland hertorkelnd, gab sich plötzlich störrisch. Die Kritik aus Brüssel und aus Berlin war hart, aber der Druck von rechts war härter. Der neue Verteidigungsminister, der dieses Amt nur seiner zu Unrecht erworbenen Reputation als standhaft humaner Polizeichef des Burgenlands übertragen bekam, hat schließlich sogar eine alte Forderung der FPÖ umgesetzt und lässt zusammen mit dem Innenministerium Flüchtlinge mit der Heeresmaschine Hercules abschieben. Wie hat Strache gesagt? „Da können sie dann schreien und sich an-urinieren. Da störts dann niemanden.“

Die Wirkung auf die Wähler_innen Van der Bellens ist verheerend. Die Hälfte von ihnen hat VdB nur deshalb die Stimme gegeben, um Hofer und mehr Rassismus zu verhindern – das hat nichts bewirkt, wie ihnen jeden Tag vorgeführt wird.

Antitürkische Hysterie

Nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei gab es vonseiten der österreichi­schen Regierung keinen Aus­druck des Bedauerns für die 264 Toten, sondern bestän­dig Kritik am Vorgehen gegen die Putschisten. Der Journalist Karim El-Gawhary schrieb auf Facebook: „Die etwas zögerliche Reaktion im Westen war sehr aufschlussreich. Es dauerte einige Stunden, bis man dort an die Öffentlichkeit gegangen ist, um das Prinzip einer demokratisch gewählten Führung gegenüber einem Putschversuch eindeutig zu verteidigen. Ich bin sicher, dass sich der Westen heute Morgen sofort mit den Putschisten arrangiert hätte, wenn diese erfolgreich gewesen wären, so wie man es im Falle Ägyptens gemacht hat. Soweit zu den Prinzipien der freien westlichen Welt.“

Seither fordert die Regierung den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen. Auch Van der Bellen nennt die Verhandlungen „eine Zeitverschwendung“. Hofer will einen Einbürgerungsstopp für türkische Gastarbeiter_innen. Noch vor wenigen Jahren war man empört, als die FPÖ im Wahlkampf Stimmung gegen unsere türkischen Mitmenschen gemacht hat. Jetzt gibt man ihr öffentlich recht.

Ganz einfach

Zu dieser rassistischen Welle, die Hofer selbst gar nicht weiter aufpeitschen muss, kommt, dass die FPÖ mit der Wahlanfechtung sofort nach der Niederlage die Initiative ergriffen hat. Und sie setzt mehrmals täglich nach, zum Teil mit haarsträubenden Märchen.

Es wäre so leicht, die FPÖ aufzuhalten

Aber ihre politischen Konkurrenz sieht nur mit offenem Mund zu und erzeugt keinen Gegendruck. Schließlich hat sich sogar der Verfassungsgerichtshof dem Druck gebeugt und Hofer eine zweite Chance geschenkt – ein herber Rückschlag für die Wähler_innen Van der Bellens. Aber es kam noch schlimmer: VdB und Co akzeptierten das Urteil und verzichteten auf jeglichen Protest. Es wäre so leicht die FPÖ zu bekämpfen, aber es ist unmöglich, wenn man passiv bleibt und sie nicht konfrontiert.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.