Kern-Rede: SPÖ-Rückbenennung in Revolutionäre Sozialisten
Lieber Reinhold,
wir Genoss_innen haben soeben in einer Sondersitzung des Parteipräsidiums beschlossen, uns wieder in Revolutionäre Sozialisten (R.S.) umzubenennen. Du weißt, so hießen wir schon einmal zwischen 1934 und 1938, als uns deine Vorgänger zu Hunderten ermordeten und ihr eure Artillerie auf arme, unschuldige Arbeiter_innen gerichtet habt. Bruno Kreisky würdigte unseren damaligen R.S.-Vorsitzenden Joseph Buttinger als „Helden, der, wenn er nach Österreich zurückgekehrt wäre, wahrscheinlich Bundeskanzler geworden wäre.“ Dafür bin ich ja jetzt da, um das Versäumte nachzuholen.
„Gelebter Sozialismus“, „linke Wende in Österreich“ und „Rückkehr in die links-linke Gedankenwelt der kommunistischen Gründerväter Marx und Lenin“ – euer neues Ausbeuter-Manifest hat mich wieder – um’s mit Marx zu sagen – vom Kopf auf die Füße gestellt. Und ich war immer davon überzeugt, dass das Proletariat die Macht erobern muss (vergiss den Schmäh mit der Mittelschicht). Denn von Neuwahlen hat wohl niemand etwas und Menschen brennen nicht für Kompromisse, sondern für Grundsätze und Haltungen.
Allen Menschen in Österreich ohne Scheuklappen ist klar, dass es so nicht weitergehen kann, dass sich wirklich alles ändern muss. Die Arbeitslosigkeit steigt, Rassismus grassiert, der Zorn auf das Establishment wächst, Flüchtlinge werden nicht ordentlich untergebracht. Aber damit ist jetzt Schluss! Wir besinnen uns zurück auf Marx, der sagte: „Die Arbeiter haben kein Vaterland.“ Sei mir nicht böse, aber ihr werdet ein paar Villen räumen müssen, schließlich flüchten derzeit Millionen Menschen aufgrund unserer Außen- und Klimapolitik.
Weil du netterweise Lenin erwähnt hast (meine absolute Lieblingsfigur in der Arbeiter_innenbewegung!), wir hatten schon immer vor, zum 100. Jahrestag der großen Oktoberrevolution von 1917 eine riesige Parade über die Mariahilfer Straße und den Ring am ersten Einkaufssamstag in der Adventszeit auf die Beine zu stellen. Nur dein Polizeiminister bereitet mir dabei ein bisschen Sorgen. Ich fürchte, wir werden ihn zurück nach Niederösterreich abschieben müssen.
Apropos Niederösterreich: Ich habe mir überlegt, die 4,3 Milliarden Euro, die wir in die dritte Piste am Flughafen Wien investieren wollten, doch in die dringend notwendigen Klimaschutzmaßnahmen zu stecken. Das schafft nicht nur ein Vielfaches an Arbeitsplätzen, es werden uns auch noch unsere Enkerl danken (deine übrigens auch!).
Wie unser Vorbild – die Bolschewiki – wollen wir die Notwendigkeit des Sturzes der provisorischen Regierung (unter uns, mehr waren wir beide ja nie!) öffentlich diskutieren und unter den notorischen 95 Prozent zur Abstimmung bringen. Wie du sicherlich schon gelesen hast, würden einer neuesten „Generation What?“-Studie nach in Österreich 39 Prozent der 18- bis 34-Jährigen an einem „Massenaufstand gegen die Regierung“ teilnehmen. Ich bin überzeugt, dass hier noch Luft nach oben ist! Bis zum Oktober müssen wir noch „geduldig aufklären“ (um an dieser Stelle Lenin nach den Aprilthesen etwas zu strapazieren, du verstehst den Witz). Dann allerdings schicken wir unsere frechen Jugendorganisationen als Avantgarde vor!
Bis dahin: Lass dich vom Sebastian nicht wegputschen! Nimm ihn an die kurze (Zwinkerzwinker) Leine, ein bisschen Bescheidenheit würde ihm ganz gut tun. Vielleicht sollte er mit seinem Geilomobil Pizza ausliefern? Der Kontakt zur Basis bringt’s echt! Er hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin (ich werde mir auch gleich morgen eine echte Sektion suchen!).
Ich muss sagen, ich war gestern richtig sauer auf meinen Freund und Politikwissenschaftler Anton Pelinka, als er im ORF meinte, ich würde nicht in der Tradition von Marx und Lenin stehen. Ich kann ihm, dir und meinem Vorgänger Genossen Werner nur ausrichten: Unser neuer Kurs stimmt!
Lieber Django, lang lebe die Revolution!
Dein Iljitsch – mein Kampfname in der Löwelstraße
Wer die Ideen von Marx und Lenin diskutieren möchte, ist herzlich von 5. bis 7. Mai am antikapitalistischen Kongress „Marx is Muss“ im Wiener Amerlinghaus eingeladen.