Klage gegen Studenten: Gudenus fühlt sich als „Nazi“ angesprochen

Der „teuerste Arbeitslose Österreichs“ klagt einen antifaschistischen Studenten. Johann Gudenus, Vizechef der FPÖ, verdient alleine als Wiener Vizebürgermeister ohne Ressort 9.440 Euro monatlich. Um sich den Prozess leisten zu können, sammelt der Beklagte David Reisinger jetzt Spenden.
2. März 2017 |

„Sehr gut, Nazis werden nicht bedient. Ich komm mal vorbei“.

David Reisinger freute sich sichtlich über den Rauswurf des Wiener FPÖ-Vizebürgermeisters Johann Gudenus aus dem Club X zu Beginn des Jahres, als er dieses Facebook-Posting auf der Seite des Clubs verfasste und ihn mit fünf von fünf Sternen bewertete. Die Betreiber verteidigten stolz ihren Kellner, der ein „politisches Statement“ setzen wollte und Gudenus die Bedienung verweigerte. Der Club stehe „für Weltoffenheit und Respekt. In diesem Wertekonstrukt geht sich der Herr Gudenus nicht aus“, erklärte Sammy Zayed gegenüber der Tageszeitung Heute.

Ende Jänner flatterte bei dem Soziologie-Studenten Reisinger (21 Jahre) eine Klage wegen übler Nachrede ins Haus. „Die Haus und Hof-Kanzlei der FPÖ, die Rechtsanwälte Gheneff-Rami-Sommer, machten sich nicht einmal die Mühe, mir die Privatanklage persönlich zu schicken, sondern an die Adresse des Vereins, für den ich schreibe“, sagt Reisinger gegenüber der Neuen Linkswende, für dessen Verein er als Redakteur tätig ist.

„Anscheinend hat Gudenus in seiner Funktion als Vizebürgermeister nichts Besseres zu tun, als den lieben langen Tag nach unangenehmen Facebook-Postings zu suchen und arme Studenten zu verklagen“, meint Reisinger. Ohne Ressort erhält Gudenus so zusätzlich 9.440 Euro pro Monat.

Gudenus, ein Nazi?

Wenn man also irgendwo „Nazi“ postet, fühlt sich Gudenus offenbar angesprochen. „Nazi-Experte“ Gudenus meinte in der Anklageschrift, dass sich die Bezeichnung „Nazi“ auf den „Nationalsozialismus, eine radikal antisemitische, rassistische, antikommunistische und antidemokratische Gesinnung“ beziehe. Das verwundert uns doch, 2004 antwortete Gudenus nämlich in einem Interview mit wienweb.at auf die Frage, ob er wisse, dass die Nazis den Begriff „Umvolkung“ geprägt hatten: „Das interessiert mich eigentlich nicht, was die Nazis gemacht haben.“

Was könnte Gudenus’ plötzliches Interesse an den Nazis geweckt haben? Vielleicht das NS-Idol Luftwaffenmajor Walter Notowny, den er 2011 als einen „untadeligen Soldaten“, der nur der „Pflichterfüllung“ nachgegangen sei, verteidigte? Oder dass die Zivilgesellschaft das „Totengedenken“ der Burschenschaften am 8. Mai vom Heldenplatz vertrieben hat? 2012 echauffierte sich Gudenus in der rechtsextremen Aula über diese Feier der „Befreiung vom Nazi-Joch“.

Braune Gesinnung der „Aldania“

Kümmert es den Burschenschafter der „Aldania“ nicht, was sein „Bundesbruder“ 1938 nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland geschrieben hat? „Lieber Bundesbruder! … Eine neue Zeit ist erstritten und stellt an uns neue Aufgaben in einem neuen Rahmen, in den Reihen der braunen Bataillonen Adolf Hitlers … Die Chargierten treten ab und alle kommen im Braunhemd zurück, um unter der Fahne der Bewegung den Abend als Kameradschaftsabend zu beschließen. … Heil Hitler!“

2015 trat Gudenus mit der blauen Kornblume, dem Erkennungszeichen der illegalen Nationalsozialisten von 1933 bis 1938 in Österreich zur Angelobung im Wiener Gemeinderat an – zusammen mit sieben weiteren „Waffenbrüdern“ der „Aldania“.

Und Gudenus hatte nachweislich Kontakte in die Neonazi-Szene. 2009 referierte er vor der „Politischen Akademie“ der Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) zusammen mit dem Schweizer Neonazi und Holocaustleugner Bernhard Schaub. Der AFP wird vom Verfassungsschutz eine „ausgeprägte Affinität zum Nationalsozialismus“ attestiert. Interessiert ihn das auch nicht?

Verbotsgesetz

David Reisingers Anklagebeantwortung (die der Neuen Linkswende vorliegt) ist ein einziges, 23 Seiten langes politisches Manifest. Minutiös wird aufgezeigt, dass Gudenus’ Gesinnung „zu Recht als rechtsextrem und fremdenfeindlich“ bewertet werden kann. Sollte das Gericht eine nachprüfbare Tatsachenbehauptung erkennen, wäre Gudenus tatsächlich „von rechtsextremer, wenn nicht sogar nationalsozialistischer Gesinnung“ beziehungsweise würde diese gutheißen.

Johann Gudenus: Mit dem Parteizeichen der illegalen Nazis zur Angelobung

Johann Gudenus: Mit dem Parteizeichen der illegalen Nazis zur Angelobung

Gudenus stellte zwar in der Vergangenheit das Verbotsgesetz in Frage (was vor allem auch als Signal an Neonazis, die dessen Abschaffung seit Jahrzehnten fordern, gewertet werden kann). Aber er weiß genau, dass dieses Gesetz in der Praxis mehr gegen linke Kritiker_innen eingesetzt wird, als es selbst schadet – weil man immer beweisen muss, dass zum Beispiel jemand einen Hitlergruß gemacht oder vor einer Hakenkreuz-Fahne posiert hat.

Gegenüber dem Magazin Profil erklärte Gudenus: „Ich schaue immer, dass ich den Ton so treffe, dass ich mit dem Gesetz nicht in Konflikt komme.“ Sollte die Klage abgewiesen werden, könnte dies eine Umkehr in der Rechtssprechung bedeuten.

Der erste Prozesstermin wird noch bekanntgegeben. Neue Linkswende berichtet laufend über das Verfahren. David Reisinger hat einen eigenen Blog zum Prozess eingerichtet: gudenusanfechten.wordpress.com.
Spenden für Prozesskosten an:

David Reisinger
Erste Bank
IBAN: AT08 2011 1294 5843 1801
BIC: GIBAATWWXXX
Verwendungszweck: Gudenus-Klage anfechten!

Da Antifaschist_innen nicht über einen riesigen Parteiapparat verfügen (die FPÖ erhält 2017 gigantische 43.600.000 Euro an Parteienförderung aus Steuergeldern), sind sie auf Spenden angewiesen.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.