Koalitionsverhandlungen: Was Kurz und Strache vorhaben
Es wird eine Mischung aus gezielten Angriffen auf die Grundrechte (ähnlich wie bei Trump, getarnt als Widerstand gegen die Bevormundung durch die liberalen „Gutmenschen“, was beim ganz rechten Teil der Basis beider Parteien gut ankommen wird), und einer Mobilisierung von Rassismus durch Angriffe auf die Rechte von Flüchtlingen, Migranten aus den Ostländern der EU, und anderen Zuwanderern. Diese beiden Stränge sollen von dem ablenken, was Kurz im ÖVP-Klub am 8. November als „unpopuläre Maßnahmen“ bezeichnet hat – Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik mit dem Ziel die Arbeitnehmer_innen zu schwächen und die privilegiertesten Schichten zu stärken.
Grenzkontrollen
Es wird eine Verlängerung der Grenzkontrollen an den österreichischen Grenzen mit Slowenien, fallweise Slowakei, Tschechien, Italien und Ungarn geben. Züge, Busse und Privatfahrzeuge werden nach Flüchtlingen durchsucht. Der freie Personenverkehr kommt damit weiter unter Beschuss. In der breiten Bevölkerung ist der freie Personenverkehr zwar das beliebteste Detail im EU-Regelwerk, aber beide Parteien haben schon in der Vergangenheit nach Wegen gesucht, eine Grundstimmung wie in einer belagerten Festung bei der Bevölkerung zu erzeugen. Wenn solche Maßnahmen auch auf großen Unmut im mobileren und aufgeklärteren Teil der Bevölkerung stoßen, so stärkt eine permanente Alarmstimmung dennoch das rechte Lager im Land.
Deportationen
Erklärtes Ziel ist es die Zahl von Flüchtlingen zu reduzieren. Schon länger wird Asyl auf Zeit von Vertretern beider Parteien gefordert. Die Genfer Flüchtlingskonvention, die von Österreich unterzeichnet wurde, und die sogar im Verfassungsrang steht, wurde schon von den Vorgängerregierungen ignoriert, beziehungsweise ungeniert umgangen. Flüchtlinge werden nicht als Hilfesuchende mit verbrieften Grundrechten behandelt, sondern als Betrüger und Kriminelle, die nichts anderes wollen, als sich „widerrechtlich“ Unterstützung und Aufnahme zu erschleichen.
Diese Haltung wird sich unter Schwarz-Blau verstärken. Schon jetzt dringt von den Asylbehörden zu den Hilfsorganisationen durch, dass neue Gruppen von Asylwerbern (aus dem Irak und Syrien), die bisher leichter als Kriegsflüchtlinge akzeptiert wurden, vermehrt abgeschoben werden sollen. Im vergangenen Jahr waren afghanische Flüchtlinge in der ersten Instanz so gut wie chancenlos, bekamen beinahe immer negative Bescheide, egal wie stichhaltig sie eine unmittelbare Bedrohung ihres Lebens in Afghanistan nachweisen konnten.
Erst im sehr teuren weiteren Verfahren in höheren Gerichtsinstanzen gelang es Einzelnen einen positiven Bescheid zu erhalten. Das besonders gute Verhältnis führender FPÖ-Politiker zu Tschetscheniens Diktator Ramsan Kadyrow und dem russischen Präsidenten Putin wird wohl dazu führen, dass Flüchtlinge aus Russland und den Kaukasusrepubliken ähnlich ungerecht behandelt werden.
Unterstützungen streichen
Beide Parteien sind sich einig, dass die Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge ersten Aussagen nach auf 500 Euro gekürzt werden soll. Asylwerber bekommen ohnehin nur eine minimale Grundsicherung von 200 Euro plus einen Mietzuschuss, sollten sie eine Privatunterkunft finden. Damit würde es so gut wie unmöglich für Flüchtlinge sich eine eigene Wohnung zu nehmen. Der Ausbruch aus einer miserablen Lebenssituation wird erschwert, Verelendung wahrscheinlicher. Sebastian Kurz hat im Wahlkampf angedroht, der Zugang für Zuwanderer zu Sozialleistungen in Österreich („Stopp der Zuwanderung ins Sozialsystem“) soll „grundsätzlich erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich möglich sein“.
Soziale Kürzungen
Die oberösterreichische Koalitionsregierung aus ÖVP und FPÖ hat nach den Flüchtlingen auch die Mindestsicherung für österreichische Staatsbürger_innen gekürzt wird. Kurz hat die in Oberösterreich eingeführte Deckelung der Mindestsicherung auf rund 1.500 Euro für Haushalte (in welchen mehr als eine Person Mindestsicherung bezieht) als Vorbild genannt. Bei der Mindestsicherung wird deutlich, dass es nicht um Einsparungen geht, denn sie macht nur ein Prozent (Einsparungspotential ganze 56 Millionen Euro) der gesamten Sozialausgaben aus.
Der unmittelbare Effekt wird sein, dass sich nicht Existenz-sichernde Einkommen weiter ausbreiten. Teilzeitarbeit und atypische Beschäftigungsformen werden stark zunehmen. Dementsprechend sinkt der Anteil der Löhne am volkswirtschaftlichen Gesamteinkommen zugunsten der Gewinne der Unternehmen. Es ist einfach ein Krieg gegen die Ärmsten. Wer diesen unterstützt, den hat man sehr weit nach rechts bewegt.
Senkung der Abgabenquote
Die Steuer- und Abgabenquote soll von derzeit 43,4 bzw. 42,7 Prozent (je nach Rechenmethode) auf unter 40 Prozent gesenkt werden. Was harmlos klingt, wird als Hebel für weitere Angriffe auf das Sozialsystem benutzt werden. Die Unternehmen sollen weniger Lohnnebenkosten, Körperschaftssteuern und andere Unternehmenssteuern bezahlen und die Lohnsteuern (die dem Arbeitnehmer vom Lohn abgezogen werden) sollen ebenfalls sinken.
Erhöht werden sollen im Gegenzug indirekte Steuern, also die Mehrwertsteuer, die auf alle Produkte und Dienstleistungen anfällt, und deshalb Menschen mit niedrigem Einkommen besonders hart belastet. Nach verschiedenen Rechnungen soll bei Gesundheit und sozialer Sicherung 10 Prozent der staatlichen Gesamtausgaben gekürzt werden und insgesamt über 30 Prozent bei den Posten Arbeit, Soziales und Familien. Über die Senkung der Abgabenquote werden die Sozialsysteme zuerst als unfinanzierbar dargestellt und dann beschnitten.
Vorteile für Unternehmer
Die kolportierten Steuergeschenke an größere Unternehmen werden dem Steuersystem weitere vier Milliarden Euro kosten. Schon bei den vergangenen Budgets wurden die Unternehmen so reichlich beschenkt, dass ihr Beitrag zum Sozialsystem an allen Ecken und Enden fehlt. Zur Finanzierung des Sozialsystems gehörte stattdessen dringend die Vermögenssteuer wieder eingeführt, eine höhere Erbschaftssteuer, hohe Besteuerung von Vermögen und von Gewinnen. Die Schonung von Gewinnen und Vermögen bewirkt nach Berechnungen der Arbeiterkammer jedenfalls keine höhere Investitionstätigkeit und sie erleichtert dementsprechend auch keinen Wirtschaftsaufschwung.
Arbeiterkammer schwächen
Die FPÖ fordert vehement die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft von Arbeitnehmer_innen bei der Arbeiterkammer (AK). Das würde zum Zusammenbruch dieser außerordentlich wichtigen Institution führen. Die Arbeiterkammer erkämpft täglich Geld und Leistungen, um die Arbeitnehmer_innen so oft betrogen werden, erstreitet Mietkürzungen, und kämpft gegen Betrug an Konsument_innen. Die ÖVP sträubt sich noch gegen den Frontalangriff, und setzt eher auf eine Kürzung der Beiträge, was zu einem massiven Stellenabbau bei der AK führen würde. Sie wäre auf lange Zeit mit dem Kampf ums Überleben beschäftigt und kann so schon empfindlich geschwächt werden.
Medienpolitik
Die FPÖ macht bei den Verhandlungen Druck, sie will möglichst rasch ein neues ORF-Gesetz und eine neue ORF-Geschäftsführung beschließen. Die ÖVP will sich eher ein Jahr Zeit lassen. Wie bei den Kammern möchte die FPÖ auch beim ORF die Pflichtgebühren abschaffen. Beide Schritte wären ein schwerer Schlag für den österreichischen Journalismus. Offensichtlich sinnt die FPÖ auf Rache für eine zu kritische Berichterstattung.
Überwachung
ÖVP-Innenminister Sobotka war sehr traurig darüber, dass ihm bei der Durchsetzung des Sicherheitspolizeigesetzes die Neuwahlen dazwischen gekommen sind. Künftig sollen von jedem Auto auf Österreichs Straßen Lenker und Kennzeichen erfasst werden. Ergänzend dazu wollte Sobotka eine Ausweispflicht beim Kauf von Tickets für Züge und Busse durchsetzen.
Die Einführung von staatlicher Spionagesoftware ist im ersten Anlauf gescheitert, könnte aber von Türkis-Blau durchgesetzt werden. So genannte Bundestrojaner, und die Ermächtigung für die Polizei Privatwohnungen aufzubrechen und diese Software zu installieren, würden wohl einen neuen Grad im Abbau der demokratischen Grundrechte bedeuten, waren aber auch ernsthaft geplant.