Kurz und Co heizen Stimmung gegen Flüchtlinge weiter an
Der italienische Innenminister Salvini ließ Mitte August 177 Bootsflüchtlinge fünf Tage lang nicht von Bord gehen. Zuvor hat er das Schiff Diciotti der italienischen Küstenwache, das die Flüchtlinge gerettet hatte, tagelang nicht anlegen lassen. Bundeskanzler Kurz musste in diesem unwürdigen Schauspiel einen Schritt weiter gehen und verlangte in aller Öffentlichkeit, Schiffe mit geretteten Flüchtlingen an Bord nicht mehr in EU-Häfen anlegen zu lassen.
Viktor Orbán verweigert Flüchtlingen, die in Lagern an der serbischen Grenze inhaftiert sind, eine Woche lang die Nahrung. Seit 1. August ist ein verschärftes Asylgesetz in Kraft getreten. Diese Hungerfolter sei eine Bestrafung dafür, dass sie gegen einen negativen Bescheid Beschwerde eingelegt hatten und soll sie dazu zwingen, die Lager in Richtung Serbien zu verlassen. Das Ungarische Helsinki-Komitee hat den Ungarischen Staat beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen des Nahrungsentzugs verklagt und in sieben Fällen erwirkt, dass die betroffenen Flüchtlinge mit Essen versorgt werden mussten.
In Malta wurde Claus-Peter Reisch, Kapitän des Rettungsschiffs Lifeline, vor Gericht gestellt, nachdem er gerade 234 Menschen das Leben gerettet hatte. Die britische Krone hat dem Rettungsschiff Aquarius, das unter der Flagge der britischen Kolonie Gibraltar fährt, die Lizenz entzogen.
Rassismus ist flexibel
Die politischen Eliten haben verschiedene Feindbilder aufgebaut und Erzählweisen etabliert, auf die sie jeweils zurückgreifen, wenn es ihnen gerade zupass kommt: Der sozialschmarotzende Flüchtling, der nur nach Europa kommt, um unser Sozialsystem auszunutzen. Die feigen oder unverantwortlichen Kriegsflüchtlinge, die nicht helfen wollen, ihr Land wieder aufzubauen. Die Horden von Afrikanern, die „nicht wie wir Europäer denken und arbeiten, aber gerne wie wir Europäer leben“ wollen (die EU-Abgeordnete der ÖVP Claudia Schmidt Mitte August via Facebook). Die rückständigen muslimischen Männer, die nur kommen, um unsere Frauen zu überfallen und die europäische Kultur zu vernichten. Die kopftuchtragenden Frauen, die eine Ideologie verbreiten, die unsere Kultur infrage stellt. Muslimische Männer und Frauen, die als schlafende Terrorzellen unter uns leben, um irgendwann als Terroristen unsägliche Gewalt zu verbreiten.
Wenn es gerade passt, wird Osteuropäern pauschal die Neigung angedichtet, kriminelle Banden zu bilden. Osteuropäische Frauen – so suggeriert es die Regierung – arbeiten nur deshalb hierzulande und fernab ihrer geliebten Familien unter oft schlechten Bedingungen in der Pflege, Haushalt, oder als Tagesmütter, weil sie so Kindergeld für ihre Kinder erschleichen können, was ja als ganz besonders hinterhältiges Verhalten zu bewerten wäre.
Das beherrschende Thema
Rassismus ist für diese Politiker die stärkste Waffe zu Erreichung eines Rechtsrucks. Orbán hat für die kommenden EU-Wahlen angekündigt: „Es ist an der Zeit, dass diese Wahl von der einzigen ernsthaften gemeinsamen europäischen Frage handelt: Von der Migration.“ Wir haben also noch lange nicht das Ende des Tunnels erreicht. Diese Stimmungsmache gegen Rettung von Menschen aus Seenot ist aus demselben Muster gestrickt wie die bisherigen rassistischen Vorstöße gegen Asylwerber_innen.
Völlig falsche Behauptungen – in dem Fall, dass Flüchtlinge und die Besatzungen der Rettungsschiffe mit kriminellen Intentionen kooperieren würden – werden so oft und mit derartiger Inbrunst vorgetragen, dass NS-Propagandaminister Joseph Goebbels stolz gewesen wäre. Schließlich werden auf Basis der leicht widerlegbaren Behauptung Konsequenzen gefordert und Taten gesetzt: Häfen müssten geschlossen werden und Lager errichtet. Offensichtlich ist keine Maßnahme zu unmenschlich und keine öffentliche Behauptung zu verlogen, wenn sie nur der rassistischen Stimmungsmache zugute kommt. Ein massiver Rechtsruck von oben ist im Gange. Widerstand von unten ist die einzige Kraft, die dagegen hält.