„Musliminnen werden zu unmündigen, vom Ausland gesteuerten Personen erklärt“

Begüm Gördü prangert in ihrem Leserinnenbrief antimuslimische Verschwörungstheorien an und fordert von der österreichischen Linken ein, sich mit dem Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft (NMZ) zu solidarisieren.
24. März 2018 |

Das Rassismusproblem innerhalb der österreichischen Linken wurde in den letzten Tagen auch für die breite Öffentlichkeit sichtbar und nimmt immer unmissverständlichere Züge an.

Aktivistinnen des NMZ (Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft) werden quer durch die Bank diffamiert: Sie seien Vertreterinnen des politischen Islam und würden Beziehungen zur AKP pflegen. Ich möchte hiermit mein Schweigen brechen, da meine Person, mein Name und meine aktivistischen Tätigkeiten als Sprungbrett missbraucht wurden, diese vermeintlichen Verbindungen zu legitimieren.

Ausgangspunkt der Polemik, die einseitig von Herrn Michael Genner (Asyl in Not) geführt wird, ist das Video einer Rede einer Aktivistin des NMZ, das auf der Demo gegen die schwarz-blaue Regierung aufgenommen wurde. Dieses Video wurde auf einer Seite geteilt, die sich „Osmanische Generation“ nennt. Nun hat diese Tatsache ausgereicht, dem NMZ AKP-Nähe anzudichten und über Namen verschiedener Aktivistinnen ein Konstrukt der Verschwörungs- und Unterwanderungstheorie aufzustellen.

Dieses System ist uns nicht fremd

Hinter solchen Verschwörungstheorien mit denen wir Musliminnen oft konfrontiert sind steckt ein bestimmtes System des antimuslimischen Rassismus. Rechte Parteien, so wie vermeintliche Experten, die in TV-Sendungen auftreten, aber auch Medien selbst, bedienen sich dieser Theorie, Musliminnen wären ein konspiratives Netz, das eine geheime Agenda im Schilde führt immer wieder.

Besonders besorgniserregend ist daher die Tatsache, dass sich eine Person, die sich selbst als „LINKS“ betitelt dieselbe Schiene fährt. Anscheinend hat sich diese Person im politischen Spektrum verirrt oder aber er gehört zu den „neuen Rechten“ in der linken Landschaft, die durchaus gefährlicher sind, als die bekennenden Rechten. Indem Aktivistinnen oder Musliminnen allgemein Nähe zur türkischen Regierungspartei angedichtet wird, ebnet und unterstützt man den Weg zur Ethnifizierung des Islamdiskurses und zementiert folgendes System:

Musliminnen, die sich nicht laufend und auf Kommando von bestimmten Gegebenheiten, Geschehnissen, Personen, Terrororganisationen oder Regierungen wie zum Beispiel der türkischen distanzieren wird automatisch die Legitimation abgesprochen. Sie werden zu unmündigen, vom Ausland gesteuerten Personen, erklärt, die aus diesem Grund kein Recht haben, für ihre Selbstbestimmtheit und gegen den Rassismus, den sie ständig erfahren, zu kämpfen. Sie werden mit der Türkei in Verbindung gebracht und somit sind sie gefangen in der Homogenisierung aller Musliminnen. Gleichzeitig wird somit der ganze Diskurs ethnifiziert.

Personen, die mit solchen, jeder Wahrheit entbehrenden, Anschuldigungen rechte Demagogen in ihren Rassismen bestärken und unterstützen, wären gut beraten, sich gründlich zu überlegen in welchem Eck des politischen Spektrums sie sich verorten. Denn sie spielen ganz klar dem antimuslimischen Rassismus in die Hände.

Warum wird geschwiegen?

Interessant ist zu beobachten, wie „solidarisch“ nun geschwiegen wird. Linke Organisationen machen sich nicht die Mühe eine Stellungnahme abzutippen und öffentlich mit dem NMZ zu solidarisieren.

Ich bin mir nicht sicher, ob sich diese Organisationen und Personen bewusst sind, was genau sie damit bewirken und wen genau sie durch diese Haltung stärken. Die immer autoritärer und repressiver werdende schwarz-blaue Regierung hat es geschafft so stark zu werden, wie sie nun ist, weil sie Musliminnen instrumentalisiert haben. Durch immer wiederkehrende synthetisch erzeugte Diskussionen über das Kopftuch, über die Kriminalität und über die „Islamisierung“ wurden alle sozialen und gesellschaftlichen Probleme in Österreich auf diese religiöse Minderheit projiziert und Teile der Linke unterstützt dies nun in dem sie teilweise das selbe macht und teilweise dazu schweigt!

Begüm Gördü

Hinweis: Das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft (NMZ) hat in einer Stellungnahme alle Vorwürfe widerlegt.
Leser_innenbriefe spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider