Regierung schützt nicht Menschen vor Corona, sondern die Profite

Wir misstrauen den Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Corona-Krise. Türkis-Grün hat, wie wir nun aus Tirol erfahren müssen, ganz entscheidend dazu beigetragen, dass Europa zu einem Zentrum der Pandemie wurde. Um die Älteren, Menschen mit Vorerkrankungen, Flüchtlinge und andere verwundbare Gruppen zu schützen, brauchen wir ganz andere Ansätze, als die Verbote und repressiven Maßnahmen der Regierung. Damit bei dieser Krise nicht die Schwächsten zurückbleiben und die Demokratie auf der Strecke, braucht es die Beteiligung der Communities, demokratische Kontrolle von unten und nicht den Ausbau eines Polizeistaates.
17. März 2020 |

Wir müssen zuvorderst die Verwundbarsten schützen. Um beurteilen zu können, wer durch die Maßnahmen der Regierung geschützt und wer gestärkt wird, konzentrieren wir unseren Blick auf die Obdachlosen, Alten und Kranken, Flüchtlinge, die Arbeitslosen und die Ärmsten der Bevölkerung. Schon am vergangenen Sonntag, noch vor Inkrafttreten der Ausgangssperre, wurde die Polizei dabei beobachtet, wie sie Jugendliche aus Parks vertrieb. Am Montag ging sie daran, Obdachlose von der Straße zu scheuchen.

Es sind immer noch dieselben Polizisten, mit denen wir in den letzten Jahren so viele schlechte Erfahrungen gemacht haben, die jetzt so viele neue Vollmachten bekommen haben. Und jetzt soll die Polizei bei ihren Straßenpatrouillen auch noch Unterstützung des Bundesheers bekommen. Wir haben begründete Angst, dass diese Macht gegen Flüchtlinge, von denen viele illegalisiert leben, eingesetzt wird.

Kontrolle durch Communities

Es ginge auch anders. Die Regierung könnte Milliarden einsetzen, um Parkbetreuer_innen aufzustocken, Nachbarschaftshilfe und Straßenbetreuung professionell aufzubauen – mit der Hilfe von Sozialarbeiter_innen und erfahrenen NGOs. Obdachlose müssen, um nicht in Notunterkünften zusammengepfercht oder im Freien isoliert zu werden, dringendst anständig untergebracht werden.

Flüchtlinge dürfen sich nicht vor der Polizei fürchten müssen, wir brauchen sie und ihre Erfahrungen im Umgang mit Katastrophen, um die Bevölkerung zu organisieren. Sie sollten alle sofort Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen bekommen und vollen Zugang zu allen Ressourcen unserer Gesellschaft.

Ganz wichtig ist, dass wir nicht auf die tausenden Flüchtlinge in den Lagern auf den griechischen Inseln vergessen, auf die eine Katstrophe ungeahnten Ausmaßes zukommt. Die Linke und die gesamte antirassistische Bewegung muss fordern: „Evakuiert die Lager auf den griechischen Inseln und öffnet die Grenzen“, und wir müssen Wege finden – trotz des Versammlungsverbots – unsere Forderungen lautstark zur Geltung zu bringen und Druck auf die Regierung zu machen.

Das Virus verbreitet sich auf den Trampelpfaden des globalen Kapitalismus und nicht durch „Fremde“.

Gegen Polizeistaat

Die Regierung schießt offenbar ganz absichtlich mit manchen Maßnahmen über das Ziel hinaus. Wir müssen wachsam sein und für eine demokratische Kontrolle von unten, durch die Gewerkschaften, Betriebsrät_innen und die Zivilgesellschaft eintreten. Heftig kritisiert wird das Ausgehverbot, für das es, so der Virologe Alexander Kekulé, „keine medizinische Indikation“ gebe. Die Herrschenden werden die Krise nutzen, um den Staat autoritärer umzubauen und die Kosten auf die Werktätigen abzuwälzen, und das als notwendigen nationalen Schulterschluss verkaufen.

Viele der Maßnahmen sind notwendig und wir bitten unsere Unterstützer_innen, in den vielen Nachbarschaftshilfen und anderen Initiativen mitzuhelfen, andere Menschen aus Risikogruppen zu unterstützen, sofern sie das nicht ohnehin bereits tun. Solidarität ist jetzt wichtiger, denn je. Unser Gesundheitspersonal leistet unter widrigsten Umständen einen phänomenalen Einsatz.

Freunderlwirtschaft und Versagen

Obwohl Island das Tiroler Skigebiet um Ischgl bereits am 5. März zum Risikogebiet erklärte und Notärzt_innen seit Tagen vor einer drohenden Katastrophe warnten, haben Regierung und Behörden den Skibetrieb neun Tage lang weiter laufen lassen, um die Profite der Tourismusbranche nicht zu gefährden. Alles für ein paar ÖVP-Freunde in der Tourismusbranche, wie es scheint. Der deutsche Spiegel schrieb, dass hier offenbar „Profit vor Gesundheit“ ging, der österreichische Standard, dass die Gier die Verantwortung für die Gesundheit besiegt habe: „Man wollte diese letzte ‚starke Touristenwoche‘ noch ‚mitnehmen‘, auf dass die Kassen der Liftbetreiber und Hoteliers klingeln.“

Die Chronologie des Versagen:

  • 1. März: Isländische Behörden testen einen Ischgl-Rückkehrer positiv auf Corona, bis zum 14. März steigt die Zahl der Infizierten aus Österreich in Island auf 39 (in Viertel aller Fälle).
  • 5. März: Island erklärt Ischgl zum Risikogebiet, die Behörden sind informiert, sogar in österreichischen Medien erscheinen bereits Berichte über die neue Risikoeinstufung.
  • 7. März: Norwegen testet nach Meldungen aus Island Heimkehrer ebenfalls positiv auf Corona. Ein Barkeeper des Lokals „Kitzloch“ wird positiv getestet. Die Behörden erklären jedoch, es seien für die Gäste „keine weitere medizinische Abklärung nötig“, die Lokale bleiben geöffnet, es gebe „keinen Grund zur Beunruhigung“.
  • 8. März: Norwegen meldet, dass 109 Menschen das Virus aus Österreich oder Italien haben, die Zahl der speziell in Österreich Infizierten steigt bis 17. März auf 513, das sind fast die Hälfte aller Fälle in Norwegen).
  • 9. März: Es wird bekannt, dass der „Kitzloch“-Barkeeper 15 weitere Menschen in seinem unmittelbaren (Arbeits-)Umfeld angesteckt hat.
  • 10. März: Dänemark meldet, dass 60 von 156 Infizierten aus dem Skigebiet kommen, bis zum 17. März können 296 der Fälle auf Österreich zurückverfolgt werden.
  • 11. März: Das Land Tirol kündigt eine Sperre des Skibetriebs ab 14. März an (und lässt damit drei weitere Tage verstreichen).
  • 13. März: 300 potenziell infizierte Gäste checken abermals in Innsbrucker Hotels ein (ihre Flüge gehen erst am nächsten Tag).
  • 14. März: Erst jetzt reagiert die Bundesregierung und stellt Ischgl unter Quarantäne.

In Hamburg gibt es inzwischen über 80 Fälle, die auf eine Ischgl-Reise zurückzuführen sind, in Aalen in Baden-Württemberg sind es 200. Insgesamt haben sich also nachweislich mindestens 1.100 Menschen in Österreich mit Corona infiziert und es in Europa verbreitet (Stand: 17. März, 23:00 Uhr).

Die Behörden haben nicht nur die Profite der heimischen Tourismusbranche geschützt, sie haben Menschenleben und das Gesundheitssystem selbst gefährdet. Nachdem sich ein Arzt in Ischgl ansteckte, mussten in der Folge 33 weitere Ärzt_innen, 53 Pflegepersonen, 18 Patient_innen, drei Flugsanitäter und ein Pilot in Quarantäne. Aber nicht nur das, die Regierungsbehörden haben auch dazu beigetragen, dass sich die Ausbreitung des Virus beschleunigt und Europa zum neuen Zentrum der Epidemie wurde.

Katastrophenkapitalismus

Damit aber nicht genug. Die Regierung hat am Wochenende Teile des Epidemiegesetzes außer Kraft gesetzt, was bedeutet, dass manche Betriebe, die schließen mussten, keine Entschädigung für einen Verdienstausfall erhalten und Beschäftigte entlassen oder die Löhne einfach nicht mehr ausbezahlen. Genauso können Firmen, die noch nicht schließen mussten, Beschäftigte in Kurzarbeit schicken und Steuergelder abgreifen, anstatt den Betrieb ganz still zu legen. Die Regierung schützt nicht die Menschen vor dem Coronavirus, sondern sie ist um die Profite besorgt und entschlossen, die Kosten der Krise auf die Beschäftigten abzuwälzen.

Ginge es der Regierung wirklich um die Gesundheit aller Menschen, hätte sie längst alle Betriebe, die nicht zur sogenannten kritischen Infrastruktur gehören (etwa den Stahlerzeuger voestalpine mit 50.000 Beschäftigten) geschlossen und eine bedingungslose Lohnfortzahlung garantiert. Sie hätte sofort Hotels beschlagnahmt und die Zimmer für obdachlose Menschen geöffnet, anstatt sie von der Polizei auseinander treiben und schikanieren zu lassen.

Organisiert euch!

Die Corona-Pandemie birgt eine schreckliche Katastrophe, die zu gewaltigen politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Verwerfungen führen wird. Der Schutz von älteren Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen muss über Profitinteressen stehen. Damit wir die Krankenhauskapazitäten, die durch den neoliberalen Sparzwang kaputt gespart wurden, nicht überlasten, ist es notwendig, die Ausbreitung des Virus durch die Wahrung von Abstand zu anderen und Maßnahmen wie häufiges Händewaschen stark einzudämmen.

Dem autoritären Krisenmanagement von oben steht die demokratische Kontrolle der Pandemie-Ausbreitung von unten gegenüber. Die Weltwirtschaft ist bereits im Abschwung. Die Panik an den Börsen ist symptomatisch für die Angst der Bosse, dass die Weltwirtschaft durch die Pandemie völlig zerstört wird.

Die Coronakrise ist – nach den verheerenden, durch den Klimawandel verursachten Waldbränden in Australien – die jüngste Auswirkung des globalisierten Katastrophenkapitalismus. Noch nie war die politische Organisierung von unten wichtiger. Wir brauchen finanzielle Spenden unserer Unterstützer_innen. Schließt euch unseren Videokonferenzen und Aktivitäten an. Wir bereiten uns auf jenen Zeitpunkt vor, wenn wir wieder auf den Straßen und in den Betrieben mobilisieren können.