Richtet den Blick auf die 1,6 Millionen, die Hofer verhindert haben!

Zwei Drittel der Van der Bellen-Wähler_innen wollten vor allem eines: Norbert Hofer verhindern. Sie zu ignorieren wäre der größte Fehler, den die Linke jetzt machen kann.
14. Dezember 2016 |

Alle geläufigen Analysen der Präsidentschaftswahl haben eines gemeinsam: Sie ignorieren die mit Abstand größte Gruppe. Das vorrangige Ziel von 1,6 Millionen Menschen oder zwei Drittel der Van der Bellen-Wähler_innen war, den deutschnationalen Burschenschafter Norbert Hofer zu verhindern. Sie sind eine außerordentlich mächtige Basis für den Aufbau der antifaschistischen Bewegung! Stellen wir uns vor, wir mobilisieren gegen den freiheitlichen Parteitag oder den FPÖ-Burschenschafterball nur einen Bruchteil dieser Menschen auf die Straße.

Wie gehen wir mit diesen Menschen um? Zwei Strategien stehen sich im Kampf gegen die FPÖ gegenüber: Eine Strategie von unten und eine von oben. Man kann den Blick jetzt auf diese 1,6 Millionen Menschen konzentrieren und versuchen sie in Aktivität zu bringen. Oder den Blick weg von ihnen auf die Ebene des Parlaments richten, und sie vertrösten, dass ihre Stimme zwar ganz wichtig war, sie aber bis zu den nächsten Wahlen wieder stillhalten sollen und dann schon eine Koalition (etwa aus SPÖ, Neos und Grünen) gebildet wird, die die FPÖ in der Regierung verhindert. Dieser Blick mündet in eine Strategie, die die FPÖ mit Sicherheit nicht verhindern kann.

Entzaubern

Kanzler Christian Kern ließ bei seinem „freundschaftlichen Streitgespräch“ mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine Woche vor der Wahl durchblicken, wie diese fatale Strategie von oben aussieht: Ein geschickter Redner würde demnach ausreichen. Er könne Strache austricksen, ihn vielleicht mit einem Regierungsangebot locken und ihn dann entzaubern.

Kern selbst erklärte seine Strategie gegenüber der Bild am Sonntag, dass die FPÖ von den Ausgrenzungsversuchen immer nur profitiert hätte: „Sie konnte beleidigt in eine Ecke flüchten und sich als Opfer darstellen. Das hat sie unnötig mystifiziert und zum vermeintlichen Rächer der Enterbten gemacht.“ Inhaltlichen Auseinandersetzungen müsse man sich stellen und dann würde sich schnell zeigen, dass bei den Konzepten der FPÖ wenig Substanz dahinter sei, so Kern.

Neue Allianzen

Diese Haltung ist nicht nur politisch falsch – die FPÖ ist eine im Kern faschistische Partei und muss konsequent und bei jeder Gelegenheit ausgegrenzt werden. Selbst wenn man dieser Einschätzung nicht zustimmt, muss man sich die fatalen Auswirkungen von Kerns Strategie vor Augen führen: Sie degradiert die 1,6 Millionen Hofer-Gegner_innen zu passiven Beobachtern: Lasst es nur den gewieften Kanzler stellvertretend für euch richten, aber kommt ja nicht auf die Idee, selbst aktiv zu werden!

Der linke Blogger Robert Misik hat sich zu Kerns Öffnung zur FPÖ zwar noch nicht zu Wort gemeldet, aber in einer ersten Reaktion auf das Wahlergebnis hat er einen anderen Weg vorgeschlagen. Die weitmaschigen Netzwerke, die die Grassrootsbewegung für Van der Bellen aufgebaut hat, müssen jetzt für den Aufbau einer neuen Allianz genutzt werden, die die traditionellen Parteien dazu zwingen kann, auf sie zu hören. Wir meinen, diese 1,6 Millionen müssen sich in eine außerparlamentarische Protestbewegung einbringen können. Sie brauchen ein radikaleres Feld als Wahlen, dann können sie ein mächtiger Faktor werden.

Selbstaktivität

Kernst Strategie mündet in Passivität. Sie verdammt die jetzt aktiv Gewordenen wieder in die Tatenlosigkeit und schlägt vor, dass sich das Problem FPÖ von selbst oder von einem geschickten Mann gelöst wird. Diese reformistische Strategie lässt das System unberührt. Unser Weg hingegen verlangt das aktive Eingreifen von Hunderttausenden in das politische Geschehen und kann zu einem radikalen Umbau der Gesellschaft führen.

Faschismuskeule, Frauen und Antirassismus haben Hofer verhindert

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Diese Frage geht weit über Österreich hinaus. Die einen fürchten nur, dass Donald Trump nach seiner Amtseinführung den Erfolg von Standing Rock wieder rückgängig machen wird, während die anderen die Militanz feiern, mit welcher der Bau der Pipeline vorerst verhindert wurde – als Weg, der seiner Präsidentschaft richtig gefährlich werden kann. Sozialist_innen auf der ganzen Welt sollten sich in diesen Zeiten an die Worte Internationalen erinnern: „Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!“

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.