SPÖ frontal gegen die Klimabewegung!
Bürgermeister Ludwig hat sich und seine Partei unmissverständlich gegen die Klimabewegung in Stellung gebracht. Er musste vor der Räumung des Lobaucamp abwägen: Räumen und hunderttausende klima-bewusste Jugendliche für immer verprellen, oder der Klimakatastrophe Rechnung tragen und den überfälligen Kurswechsel einleiten.
Ludwig hat diese Entscheidung sicher nicht aus wahltaktischen Gründen getroffen (Autofahrende Erwachsene gegen noch nicht wahlberechtigte Jugendliche), wie oft erklärt wird. Es geht um grundsätzlichere Entscheidungen. Milliarden-Bauprojekte, wie der Lobautunnel und die Stadtautobahn, sind Möglichkeiten für Regierungsparteien Steuergelder in die von ihnen gewünschte Richtung zu lenken. Welche Unternehmen profitieren spielt eine Rolle, aber natürlich auch politische Projekte. Man vergleiche nur das „Rote Wien“ bis 1933 und das „Schwarze Wien“ von 1933 – 1938. Erstere bauten Wohnhäuser und Spitäler, letztere die reichlich sinnlose Höhenstraße für Ausflügler! Die Stadtautobahn ist Teil der SPÖ-Stadtplanung! Man spürt dabei förmlich, dass Ludwig und die ganze Wiener SPÖ noch keine Ahnung haben, was mit der Klimakatastrophe auf uns zukommt. Sonst würden sie nicht Projekte durchziehen, die Abermillionen Tonnen CO2 verursachen werden.
Der Mordanschlag
Zur Erinnerung: Im August 2021 hat die Besetzung von Baustellen der „Stadtautobahn“ (Stadtstraße Aspern) durch Aktivistinnen der Klimaprotestbewegung begonnen. Im Dezember 2021 feierte die Protestbewegung einen ersten riesigen Erfolg: den Baustopp für den Lobautunnel! Die Wiener SPÖ machte von Anfang an Stimmung gegen die Baustellenbesetzerinnen. Die FPÖ setzte dem immer noch eins drauf: „Gesetzesbrecher,“ „Arbeitslose, die streng riechen,“ „ein paar halblustige Langzeitstudenten, welche die Lobau nicht vom Wurstelprater unterscheiden können.“ Die FPÖ werde alle politischen Mittel nutzen, um den ökomarxistischen Kahlschlag bei diesen wichtigen Infrastrukturprojekten zu verhindern, etc. etc.
FPÖ-Verkehrssprecher Toni Mahdalik wurde entsprechend einmal von Klimaaktivistinnen getortet. Die Aktivistinnen wurden daraufhin von vermeintlichen Neonazis verprügelt.
In der Nacht auf den 31. Dezember erfolgte die schlimmste Eskalation, der Brandanschlag: Mit einem Brandbeschleuniger wurde nach Mitternacht die Holzhütte, in der sich acht Besetzerinnen aufhielten, in Brand gesteckt – ein Mordanschlag also. Sie konnten aus der brennenden Hütte entkommen, aber es hätte ganz leicht tödlich ausgehen können. Bürgermeister Ludwigs Reaktion war vielsagend. Er fand keine Worte gegen die Attentäter, nur das: „die Polizei recherchiert zur Brandursache“ – „es liegt in der Sache der Behörden“ – und: „es ist auf jeden Fall ein Zeichen, dass ein rechtsfreier Raum in einer Stadt kein Vorteil ist!“ Ludwig ist zu sehr Politik-Profi um nicht um die Wirkung seiner Stellungnahme zu wissen, wer die Signale als Unterstützung verstehen darf und wem er damit vor den Kopf stößt.
Bündnis SPÖ mit FPÖ?
Einen Monat nach dem Mordanschlag, am 1. Februar 2022 ließ schließlich die Stadtregierung die besetzte Baustelle räumen. Bürgermeister Ludwig hat auf sich Twitter voll dahinter gestellt. Bei der Räumung wurden um die 40 Personen festgenommen, darunter zwei Linkswende-Aktivist_innen. Fünf Tage davor verurteilte die Wiener SPÖ gemeinsam mit der FPÖ „in einem Schulterschluss über die Parteigrenzen hinweg“ eine relativ harmlose Protestaktion gegen die Burschenschaft Olympia (laut Hans-Henning Scharsach die österreichische Neonazikaderschmiede schlechthin) als gewalttätigen Anschlag aufs Schärfste. Wurde hier von der SPÖ ein Bündnis mit einer rechtsextremen Partei von Klimawandelleugnern vorbereitet?
Getrennte Wege
Die SPÖ konnte sich bisher durchschwindeln, von den Baustellenbesetzerinnen wurde sie erstmal dazu gezwungen, wirklich Farbe zu bekennen. Ludwigs Aktion hat Langzeitfolgen, er hat die Partei eingemauert, und macht sie immun für Druck von unten, indem er diesen Teil der (potentiellen) Basis komplett von sich abstößt. Der offene Krieg gegen die Klimaaktivist_innen und seine Avancen zur FPÖ können gar keinen anderen Effekt haben. So manche unter uns meinen, er bereitet vielleicht sogar eine Koalition mit der FPÖ vor. Das wäre auch für uns ein echter Schock, Ludwig war immer ein zuverlässiger Antifaschist.
Die SPÖ zeigt nicht nur ihr wahres Gesicht, sie begibt sich auch sichtbar in eine Position, aus der sie kaum mehr zurückkann. Die hunderttausenden jungen Klimaaktivist_innen, die wir zuletzt 2019 auf den Protesten von Fridays for Future gesehen haben, sind für die SPÖ für immer verloren. Leider noch nicht für die GRÜNEN, und auch das schadet der Neuformierung einer radikalen Linken ganz gewaltig. Es ist tatsächlich kein Fortschritt, wenn die Aktivist_innen auf die GRÜNEN hören. Die GRÜNEN verwehren sich genauso einem „System Change“ wie die SPÖ, nur ist ihre Politik von kleinbürgerlichen Ansätzen geprägt – gemeint ist Grüner Kapitalismus mit Propagierung von ökologischem Lebensstil, bewusstem Konsum, usw.
Dennoch eröffnet der „Ludwig-Kurs“ Möglichkeiten für die Neuformierung der Linken. Es muss tausende junge Aktivist_innen geben, die einen echten „System Change“ erkämpfen wollen, und weder Sympathie für die GRÜNEN noch für die SPÖ haben.
Für eine ökosozialistische Partei
Mit diesen Menschen kann man eine neue Kraft links der Sozialdemokratie aufbauen. Es braucht eine Partei, die den Kampf gegen den Klimawandel als Priorität versteht und diesen Kampf mit einem Kampf für einen echten Systemwandel verbindet. Denn die Klimakatastrophe ist schon da, aber sie wird völlig unbeherrschbar, wenn wir die kapitalistische Wirtschaftsweise nicht beenden. Solange die Macht in den Händen der Kapitalisten liegt, solange ist die ökologische Kehrtwende undenkbar, denn noch nie hat eine herrschende Klasse ihre Macht freiwillig abgegeben, und nichts weniger ist für den Ausstieg aus der fossilen Energie nötig. Effektive Klimapolitik wird eine globale und kollektive Kraftanstrengung sein müssen. Deshalb braucht es eine Partei, die gegen Kapitalismus kämpft und für ein globales wirklich demokratisches System – eine revolutionäre ökosozialistische Partei! Eine solche Partei muss selbstverständlich auch antirassistisch sein. Am offensichtlichsten sieht man das am Beispiel der hunderten Millionen Klimaflüchtlinge, die sich schon auf den Weg machen müssen, und für die wir Bewegungsfreiheit und Platz schaffen müssen. Aber auch politisch ist Antirassismus in der Bewegung eine Grundvoraussetzung für den Erfolg. Wie sollen wir gewinnen, wenn wir gleichzeitig die muslimische Bevölkerung, Flüchtlinge und alle anderen unterdrückten Gruppen ausgrenzen? So eine Partei würde natürlich niemals einen Schulterschluss mit der FPÖ eingehen, die so ziemlich für alles steht, was solidarische Klimaaktivist_innen zutiefst ablehnen. Sie würde auch niemals einem Kopftuchverbot zustimmen, wie die Parteispitze der Grünen es getan hat.
Innerhalb dieses Systems oder aus dem Kapitalismus heraus kann es keine ökologische Wende geben. Die wirklich einzige Option, die wir haben, ist eine sozialistische Revolution, und die wird mit jedem Male plausibler, wo sich die Eliten gegen die nötigen Maßnahmen stellen. Deshalb müssen wir den Aufbau einer revolutionären Bewegung nicht nur als Chance verstehen, sondern auch als historischen Auftrag.