SPÖ-Kriterienkatalog soll FPÖ-Gegner einlullen

Die SPÖ-Spitze dachte, mit der Präsentation des neuen „Wertekompasses“ die Debatten um Rot-Blau in der Partei endlich beenden zu können. Die aufrechten Antifaschist_innen an der Basis sehen das anders. Sie sollten sich vernetzen, offen gegen die Parteiführung rebellieren und scharf gegen die Burschenschafter-FPÖ schießen.
27. Juni 2017 |

Spätestens seit seinem freundschaftlichem Auftritt mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in der Ö1-Diskussionsreihe „Im Klartext“ kurz vor der Bundespräsidentenstichwahl Ende 2016 war allen politischen Beobachter_innen klar, dass SPÖ-Obmann Christian Kern die Sozialdemokratie hin zur FPÖ öffnen wird. Antifaschist_innen an der Basis durchschauten die Absicht des damals diskutierten „Kriterienkatalogs“ – und lassen sich auch jetzt nach dessen Präsentation nicht davon beschwichtigen.

Antifa-Grundkonsens

„Die SPÖ-Führung agiert hier in Richtung: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ So fasste die ehemalige ÖH-Vorsitzende Barbara Blaha, die 2007 aus der SPÖ aus Protest ausgetreten ist, den präsentierten „Wertekompass“ zusammen – also sich die Koalitions-Option aufzumachen, aber es nicht offen zu sagen. Der Kompass würde je nach Belieben anders gelesen werden, so Blaha. Im bereits rot-blauen Burgenland würde man sich freuen; in Wien interpretiere man den Katalog hingegen so, dass der darin festgehaltene „antifaschistische Grundsatz“ jede Koalition mit der FPÖ ausschließe.

So heißt es etwa „Wir sind stolz auf den antifaschistischen Grundkonsens der Zweiten Republik“ und „Für uns als antifaschistische Partei ist keine Zusammenarbeit mit Parteien und Personen denkbar, die in irgendeiner Form (rechts-)extreme, faschistische oder anderweitig demokratiefeindliche Haltungen und Strömungen unterstützen.“ Das würde eigentlich eine Zusammenarbeit mit den Blauen klar ausschließen. Wäre da nicht eine riesige Verharmlosungs-Maschinerie am Werken.

Verharmlosung durchbrechen

Das ganze Kalkül des Kriterienkatalogs baut darauf auf, dass die FPÖ nicht mehr als rechtsextreme Partei dargestellt wird. Bundespräsident Alexander Van der Bellen gab hierbei der SPÖ Rückendeckung, als er im Interview mit der deutschen Die Zeit erklärte, die FPÖ sei keine „rechte Partei“, sondern nationalistisch. „Rechts“ sei für gleichbedeutend mit „Militaristen“ und „Kriegstreibern“, und das sei die FPÖ nun wirklich nicht.

Van der Bellen brachte nur eine Haltung zum Ausdruck, die sich längst in der österreichischen Politik und den Medien durchgesetzt hat. Die Tageszeitung Der Standard lehnte vor kurzem die Veröffentlichung eines Artikels des Politikwissenschafters Bernhard Weidinger mit dem Titel „FPÖ: verlässlich rechtsextrem“ mit der Begründung ab, es wäre „Usus in Österreich“, die FPÖ nicht als rechtsextreme Partei zu bezeichnen, und überhaupt, riskiere man damit Klagen. Aber genau das ist der springende Punkt: Wenn wir Antifaschist_innen der FPÖ eben diese Maske vom Gesicht reißen, kann sich Kern seinen Wertekompass in die Haare schmieren.

Burschenpartie

Was ist die FPÖ anderes, als eine – wie wir sagen würden – im Kern faschistische, also von deutschnationalen Burschenschaftern geführte Partei? Eine Partei, die in ihrem Handbuch Freiheitlicher Politik Anleihen nimmt an der rassistischen Politik der NSDAP, wenn sie etwa fordert, dass „zugewanderte Personengruppen“ der „autochthonen Bevölkerung rechtlich nicht gleichgestellt werden“ dürfen?

Es mutet schon fast kriminell an, wenn linke Aushängeschilder wie Casper Einem und Hans Sallmutter jetzt für Rot-Blau damit werben, dass die FPÖ unter Strache angeblich nicht mehr so weit rechts stünde, als unter Haider. Dabei ist das Gegenteil der Fall.

Strache hat Haiders „Buberlpartie“ (Grasser, Meischberger und Co) durch seine „Burschenpartie“ ausgetauscht. Mehr als jeder Zweite im blauen Bundesvorstand ist Mitglied einer deutschnationalen Verbindung, fast jeder Zweite im Parlament. Burschenschafter Norbert Hofer selbst, der das Bekenntnis zur „deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“ 2011 wieder prominent ins Parteiprogramm zurück brachte, bezeichnete Haiders Vorgehen in den 1990er-Jahren als „Kniefall vor dem Zeitgeist“.

Beim Wort nehmen

Ausgerechnet der Pressesprecher von Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, Bruno Aigner, will sich jetzt nicht mehr hinterm Berg halten und meinte gegenüber der Kleinen Zeitung: „Ich war immer und bin immer noch gegen eine Koalition mit der FPÖ, weil es sich um eine rechtspopulistische, nationalistische, fremdenfeindliche Partei handelt.“ Das ist deshalb so wichtig, weil es Fischer war, der als erster dem Bundeskanzler nach dessen Annäherung an die FPÖ Recht gab.

Überhaupt sind bloße Lippenbekenntnisse, wie sie im Kriterienkatalog niedergeschrieben sind, nichts wert, wenn sie in der Praxis nicht angewandt werden. Das bewies zuletzt Doris Bures, die 2002 als SPÖ-Bundesgeschäftsführerin den Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) für die geplanten Trauerkundgebungen am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, am Heldenplatz attackierte. Vor wenigen Wochen erlaubte sie dann als Nationalratspräsidentin das rechtsradikale RFS-Burschenschaftertreffen mit einem Rassentheoretiker mitten im Parlament.

Volle Attacke

Die FPÖ an Sozialpolitik zu messen, verharmlost sie

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Was die SPÖ-Parteispitze tut, ist eigentlich nicht neu: Sie blinkt links und biegt rechts ab. Die Mitglieder sollten sich nicht länger verarschen lassen. Das Beste, was die Linken in der SPÖ jetzt tun können, ist die Parteispitze offen für ihren Bruch mit den eigenen Statuten (die eine Koalition mit der FPÖ ganz klar ausschließen) angreifen und gleichzeitig lauten Protest gegen die FPÖ organisieren und dabei ihre gefährliche Gesinnung hervorkehren.

Keinesfalls dürfen sie den Fehler machen, sich durch den „Wertekompass“ mundtot machen zu lassen.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.