Terror von Paris: Macht Flüchtlinge und Muslime nicht zum Sündenbock
Muslim_innen und Flüchtlinge hatten nichts mit den schrecklichen Anschlägen von Paris zu tun. Am Tag nach den Terrorattentaten mit 129 Toten versammelten sich über 3.500 Menschen vor dem Innenministerin für eine Kundgebung für offene Grenzen. Der Reihe nach sprachen sich Vertreter_innen der Zivilgesellschaft wie Erich Fenninger (Volkshilfe) oder Alexander Pollak (SOS Mitmensch) gegen jeden Versuch aus, Flüchtlinge und Muslim_innen zu Sündenböcken zu erklären.
Rassistischer Backlash
Presse und konservative und rechtextreme Politiker_innen konstruierten innerhalb weniger Stunden völlig absurde Zusammenhänge und erhoben den Generalverdacht gegenüber Muslim_innen und Flüchtlingen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache twitterte: „Es hat mit dem Islam zu tun.“
Der Chefredakteur der bürgerlichen Tageszeitung Die Presse posaunte, man müsse sich der Gefahr stellen, dass „aus Flüchtlingen Terroristen werden“. Politiker_innen forderten die Schließung der Grenzen, rigorose Abschiebungen und den Ausbau des Überwachungsstaates und der Festung Europa. „Der Kontinent muss sich besser schützen vor Feinden, die vor nichts zurückschrecken“, geiferte der bayrische Finanzminister Markus Söder. „Die Zeit unkontrollierter Zuwanderung und illegaler Einwanderung kann so nicht weitergehen. Paris ändert alles.“
Wir haben in Österreich kein Problem mit Terrorismus, sondern mit Rassismus und Rechtsextremismus.
Wir haben in Österreich kein Problem mit Terrorismus, sondern mit Rassismus und Rechtsextremismus. In einer umfassenden Online-Umfrage gaben 61 Prozent der Befragten an, sie fürchten über die Zuwanderung von Flüchtlingen eine „zunehmende Islamisierung“. „Wenn du dich während eines Gesprächs über die Terroranschläge im Wartezimmer deiner Ärztin psychisch auf die ersten islamophoben Sager einstellst und dir vorab überlegst, ob und was du sagst“, schrieb die ehemalige Vorsitzender der Muslimischen Jugend Österreichs (MJÖ) Dudu Kücükgöl, „dann bist du Muslimin der Generation 9/11“.
Lügen, keine Fakten
Muslim_innen und Flüchtlinge sind nicht erst seit den furchtbaren Anschlägen von Paris zur Zielscheibe rassistischer Attacken geworden. In Österreich gab es heuer 16 Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte – Sachbeschädigungen, Brandstiftungen, Körperverletzung durch Beschuss mit Softguns und Böllern und eine Bombendrohung. Im Zusammenhang mit den medialen Debatten um den „Islamischen Staat“ (IS) stellte die Antirassismus-Stelle ZARA bereits 2014 einen signifikanten Anstieg rassistischer Attacken gegen Muslim_innen fest.
Die Attacken haben sich 2015 vor allem in der Wahlkampfzeit im Sommer gehäuft. Nach der Amokfahrt in Graz nahm Strache sofort an, es hätte sich um einen „islamistischen Anschlag“ gehandelt. Es folgte eine Explosion der Hasspostings auf Facebook. Später stellte sich zwar heraus, dass der Hauptverdächtige Christ war, aber die Behauptung war bereits gesät und erfüllte ihren Zweck.
Es gibt noch keinen einzigen bestätigten Fall, dass Terroristen als Flüchtlinge getarnt nach Europa eingereist wären. „Ein Terrorist wird sich vermutlich nicht im Strom jener verstecken, die vor Menschen wie ihm fliehen“, erklärte sogar der Direktor des österreichischen Verfassungsschutzes Peter Gridling im Gespräch mit der Kronenzeitung. „Er wird nicht auf überladene Boote steigen oder in LKWs klettern, wo er sich der Gefahr aussetzt, vielleicht zu ersticken. So jemand nimmt eher den bequemen Weg und steigt in einen Flieger.“
Staatlicher Rassismus
Dieselbe Kronenzeitung konzentrierte sich nach den Anschlägen auf die Behauptung, dass es sich bei einem der Terroristen um einen „Flüchtling“ gehandelt hätte, der sogar über Österreich gereist wäre. Die bisherigen Ermittlungen ergaben, dass acht der neun mutmaßlichen Attentäter belgische und französische Staatsbürger waren, doch die Behörden räumten das Gerücht über den „Flüchtlings-Terroristen“ nie wirklich aus.
In Frankreich terrorisierte die Polizei die muslimische Bevölkerung nach den Anschlägen mit 128 Razzien an einem Tag. Präsident Hollande ließ im ganzen Land die Armee mobilisieren und machte die Grenzen dicht. Das französische Parlament verlängerte den Ausnahmezustand bei nur sechs Gegenstimmen um drei Monate. In Österreich verhörte die Polizei in den Tagen nach dem Terror über 100 angebliche IS-Sympathisant_innen.
Wir müssen diesen rassistischen Backlash stoppen und für offene Grenzen kämpfen.