Totales Systemversagen in der Krise

Die Massenarbeitslosigkeit und die Wirtschaftskrise mit all ihren Folgen führen uns vor Augen, wie unfähig nicht nur diese Regierung, sondern das ganze System Kapitalismus ist. Wenn sich im Kapitalismus in einer solch ernsten Krise Profite und Menschenleben gegenüberstehen, wird Politik zum Überlebenskampf für Millionen.
19. Mai 2020 |

Es sollte gar keine Frage sein, was im Vordergrund der Abwägung – Profite oder Menschen – stehen muss. Sie stehen sich als zwei unvereinbare Pole gegenüber. Die Regierungen, als Anwälte des Kapitals, sind weltweit in einem Wettstreit, wer schneller und radikaler als die Konkurrenz die Wirtschaft wieder hochfahren kann. Die Sicherheit der Arbeiter_innen ist dabei maximal ein lästiger Kostenfaktor. Während die Unternehmer alle Freiheiten bekommen sollen, verkündet Kanzler Kurz, es läge an jedem einzelnen von uns, die zweite Welle der Pandemie zu vermeiden.

Die Verantwortung auf uns abzuwälzen, während wir in den Betrieben wieder dem vollen Infektionsrisiko ausgesetzt werden, das ist ein schmutziges Spiel. Der wichtigste Faktor in der Ausbreitung der Pandemie ist das Verweilen von Gruppen von Menschen über längere Zeit in geschlossenen Räumen. Weil von der Regierung so ungefährliche Tätigkeiten, wie Spazieren gehen, dem gleichgestellt und noch dazu von der Polizei mit Strafen überhäuft wurde, ist die Skepsis riesig geworden. Das hat Verschwörungstheorien Nahrung gegeben und die extreme Rechte konnte das für sich nutzen.

Gewerkschaften auf die Bühne

Allerdings haben die Rechten keine Antwort auf die soziale Dimension der Wiederöffnung der Wirtschaft. Dagegen stellen sich schon tausende Arbeiterinnen und Arbeiter mit Streiks (Berichte auf Seite 4) und Protesten, aber noch nicht die gesamte Gewerkschaftsbewegung. Sie wollen nicht am Fundament rütteln, müssten aber jetzt die Verstaatlichung der Wirtschaft und die Orientierung der Politik am Wohlergehen der Menschen einfordern. Der Kampf um unser Überleben und unsere Gesundheit und die Sicherung unserer Existenzen muss heute die Priorität der Gewerkschaften sein.

Allein in Österreich sind von insgesamt 4 Millionen Werktätigen über 1,8 Millionen arbeitslos oder in Kurzarbeit. Sie haben große Angst vor den weiteren sozialen Folgen. Viele werden arbeitslos bleiben, viele alles verlieren, weil sie schon vor der Krise am Rande ihrer Möglichkeiten waren. Das Arbeitslosengeld mit nur 55 Prozent des Nettoeinkommens ist viel zu niedrig, und es zwingt die Menschen dazu, möglichst bald wieder arbeiten zu gehen und sich dem Risiko einer Infektion auszusetzen. Stattdessen gehört das Funktionieren unserer Gesellschaft auf wirklich solide Beine gestellt.

Sozial, ökologisch und gerecht

Unser Gegenmodell zur Politik der Regierung muss eine nachhaltige menschliche Entwicklung sein. Es geht zuerst darum, unnötige Schmerzen und Leiden zu verhindern und zweitens darum, einen sozial und ökologisch nachhaltigen Weg zu beschreiten. Um die Gesamtheit dieser Bedürfnisse zu erfüllen, ist eine Gesellschaft notwendig, die die kapitalistische Logik der Profitmaximierung überwindet. Den Anfang kann eine würdige Existenzsicherung aller Menschen machen, die arbeitslos geworden sind. Wir sollten aber auch die entlasten, die derzeit „an der Front stehen“, in den Spitälern, in der Versorgung mit grundlegenden Gütern und in den nötigen Dienstleistungen, wie Pflege, Kinderbetreuung, Energie, Wasser und vieles mehr.

Sozialismus

Das klingt utopisch, und doch ist es eine alte und weit verbreitete Idee einer solidarischen Gesellschaftsform namens Sozialismus. Die Weichen Richtung Sozialismus können wir heute schon stellen. Das beginnt beim Widerstand gegen die Verelendung durch das niedrige Arbeitslosengeld (die Gewerkschaften fordern immerhin 80 Prozent des Nettoeinkommens) und setzt sich fort beim Widerstand gegen die Rückkehr zur alten Normalität unter dem Pseudonym „neue Normalität“. Wenn Gewerkschaften heute fordern, dass kein Unternehmen gefördert werden soll, das Dividenden an die Teilhaber auszahlt, dann können sie auch den nächsten Schritt gehen und die Umstellung der Produktion entlang der Bedürfnisse des Klimaschutzes verlangen. Wenn wir noch einen Schritt weiter gehen, dann wird das die Vergesellschaftung großer Teile der Industrie und Versorgungsbetriebe betreffen, denn so können wir Produktion und Versorgung von der Profitlogik lösen.

Wir können und wollen nicht zur „neuen Normalität“ übergehen, denn die wird den Unternehmen Freiheiten geben, die niemand jemals haben sollte: die Freiheit, die sozialen Existenzen von Millionen Menschen zu beherrschen und die Freiheit, den Planeten ökologisch zu zerstören.