Profit-Preis-Spirale durchbrechen

Gewerkschaften müssen um höhere Löhne kämpfen, und zwar ohne groß Rücksicht auf die Gegenseite zu nehmen. Die Bosse bluffen, exzessive Lohnerhöhungen würden die Inflation noch weiter ankurbeln. Dieses Scheinargument ist seit 150 Jahren widerlegt, wird aber trotzdem wieder und wieder aufgewärmt.
26. September 2023 |

Die Inflation wird noch länger hoch bleiben. Ein Hauptgrund dafür ist die Dummheit der Kapitalisten selbst. Noch dümmer wären wir Lohnabhängigen, wenn wir freiwillig die Rechnung dafür bezahlen. Die Löhne hinken den Preissteigerungen seit Jahren hinterher, die Arbeiter:innen sind im Nachteil, nicht die Unternehmerseite! Das ist der erste Grund, warum wir Lohnabschlüsse über der aktuellen Teuerungsrate verlangen müssen.

Der zweite ist, die Arbeiter:innen haben ein politisches Interesse für offensive Lohnverhandlungen. Es geht darum, Klassenbewusstsein zu entwickeln, Stärke zu sammeln, sich zu rüsten und für den Kampf aufzustellen. Gewerkschaften reduzieren sich nur zu gerne auf eine rein betriebliche Interessensvertretung der Lohnabhängigen, aber wir können und dürfen Politik nicht von der Wirtschaft trennen.

Die Politik hoher Lohnforderungen

Die üblichen Herbstlohnrunden werden in der Berichterstattung gern mit dem Bild eines „angemessenen Lohns für eine angemessene Arbeit“ begleitet. So bekommt die Öffentlichkeit den Eindruck, Arbeiter:innen und Bosse wären Partner oder gleichberechtigte Teilnehmer am „Arbeitsmarkt“, dem imaginären Ort, wo wir uns oder unsere Arbeitskraft feilbieten. Aber das Bild eines „freien und fairen Tauschs“ ist Unsinn und täuscht uns darüber hinweg, wie Profite tatsächlich entstehen, nämlich durch Ausbeutung.

Bei dem Begriff „Ausbeutung“ denkt man in der Regel an schreckliche Arbeitsbedingungen, vielleicht an Sweatshops in Mexiko oder an Kinderarbeit in Indien, an Menschen, die lange Stunden für einen Hungerlohn unter schrecklichen Bedingungen arbeiten und von skrupellosen Bossen oder Bandenchefs rücksichtslos schikaniert werden. Eine solche „Ausbeutung“ wird uns als Ausnahme dargestellt und mit der „Normalität“ des Arbeitslebens der meisten Menschen in Ländern wie Österreich kontrastiert. Wir sollten uns glücklich schätzen und bescheiden bleiben, so die unterschwellige Botschaft.

Diese Darstellung verbirgt das Phänomen Ausbeutung, die tagtäglich in jeder kapitalistischen Gesellschaft stattfindet, und die eine winzige Minderheit von Menschen riesige Gewinne aus der Arbeit der Lohnabhängigen erzielen lässt. Es kommt ganz einfach daher, dass wir weniger ausbezahlt bekommen, als unsere Arbeit wert ist. Den Mehrwert, den wir nicht ausbezahlt bekommen, streift der „Arbeitgeber“ ein. Er kann das, weil er die Mittel oder die Infrastruktur besitzt, in der unsere Arbeit Werte erzeugt, seien es Werkzeuge, Maschinenhallen, oder geistige Mittel. Weil er den LKW besitzt, den der Chauffeur in Bewegung setzt, kann er ihn anstellen und in der Regel den Mehrwert der Arbeit behalten und investieren. Investiert er in einen größeren LKW, so scheint das ganz alleine das Verdienst des Unternehmers, in Wahrheit investiert er den nicht ausbezahlten Wert von Arbeit. Mit dem größeren LKW steigt der Profit des Unternehmers, nicht unbedingt die der Arbeitskraft. Das heißt andersrum betrachtet, mit jeder Investition, die ja mit der Ausbeutung von Arbeit finanziert wurde (oder mit der Aussicht darauf, d.h. mittels Kredit), verbessert der Kapitalist die Bedingungen um Arbeit besser auszubeuten. Aus der Arbeit eines Boeing Piloten lässt sich mehr ausbeuten als die Arbeit eines LKW-Fahrers.

Es ist wirklich wichtig, sich nicht von dem Bild eines „angemessenen Lohn für eine angemessene Arbeit“ einlullen zu lassen. Arbeiter:innen oder Angestellte werden ausgebeutet und sie wären schlecht beraten in Verhandlungen zu ignorieren, dass ihr Gegenüber die Ausbeuter sind. Verständnis für die Gegenseite einzufordern, heißt das Klassenbewusstsein der Lohnabhängigen zu untergraben. Dem Gegenüber eine hohe Ausbeute meiner Arbeitsleitung zu ermöglichen, erlaubt ihm nur die Bedingungen meiner Ausbeutung weiter zu verbessern. Wenn wir offensiv vorgehen, beweisen wir Klassenbewusstsein und wir wecken das anderer Kolleg:innen, und mit „Lohnzurückhaltung“ erreicht die Gewerkschaft genau das Gegenteil. Wie schon eingangs erwähnt, Gewerkschaften sehen sich gerne als reine Interessensvertreter auf Betriebsebene, aber sogar ihr Basisgeschäft, nämlich Lohnverhandlungen, sind hochpolitisch und beeinflussen die Kampfbereitschaft der Kolleg:innen.

Gewinn-Preis-Spirale

ÖGB-Vorsitzender Katzian hat dem Märchen der Bosse von der Lohn-Preis-Spirale mit seiner Ansage, wir müssen im Gegenteil die Gewinn-Preis-Spirale aufhalten, nicht schlecht gekontert. Ein gewisser Teil der Inflation in Österreich geht nämlich auf Kosten ganz weniger Profiteure. Die OMV etwa, hat ihren Umsatz im ersten Quartal 2022 um 146 Prozent gesteigert und ihren Gewinn um 91 Prozent, von 1,1 Milliarden auf 2,1 Milliarden Euro. Katzian ist deshalb für die Abschöpfung krisenbedingter Übergewinne, einen Energiepreisdeckel für private Haushalte, den Einsatz einer Preiskommission und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Güter des täglichen Bedarfs. Letzteres halten wir für keine gute Idee. Sie trifft nicht die Profite, sondern nur die Staatskasse, die ohnehin schon ausgehungert ist.

Lohnerhöhungen sind viel treffsicherer. Ein Marx-Klassiker „Lohn, Preis, Profit“ ist genau der Frage gewidmet, was Lohnforderungen alles nach sich ziehen. Er weist darin nach, dass das Kapital in der Regel weniger Profite einstreift, wenn es höhere Löhne bezahlen muss, während die Preise durch den Konkurrenzdruck kaum reagieren. Steigt der Lohn des Arbeiters, so sinkt der Profit des Kapitalisten; sinkt der Lohn, so steigt der Profit. Viel wichtiger ist ihm aber der Einfluss von Lohnverhandlungen auf das Klassenbewusstsein: Mit Kampf um einen höheren Lohn widersetzen sich die Arbeiter:innen der zunehmenden Entwertung ihrer Arbeit. Wie schon erwähnt, verbessert der Kapitalist seine Stellung im Klassenkampf ja regelmäßig, wenn er seine Ausbeute investiert und die Bedingungen zur weiteren Ausbeutung verbessert. Umgekehrt betrachtet verliert die Arbeit dadurch relativ an Wert.

Klima und Ausbeutung!

Verbindet man Marx‘ Beobachtungen über die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit, und über Kapital und Natur, dann muss man angesichts der Klimakrise festhalten: Wie kaputt der Planet heute ist, widerspiegelt unsere Schwächen und Niederlagen im Klassenkampf! Wir haben das Kapital am Ruder gelassen und es steuert uns in den Untergang, weil es keine andere Maxime kennt, als Profite zu erwirtschaften.