Train of Hope: „Wir tun sogar noch viel mehr, als der Staat nicht getan hat“
Großes Interesse an der konkreten Organisierung von „Train of Hope“ (ToH) lockte über 60 Interessierte zur Diskussionsveranstaltung „Eine Welt abseits von Staat und Profitlogik ist möglich!“ auf das Institut für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Jochen Petri (ToH) schilderte in einem spannenden Vortrag wie innerhalb kürzester Zeit ein feinmaschiges, riesiges Netz an „Menschlichkeit“ am Wiener Hauptbahnhof entstanden ist – von der Bereitstellung von Nahrung, Kleidung, Übersetzungen und Hygieneartikeln bis hin zur eigenen Lazarettstation und Kinderbetreuung. Jochen erklärte: „Wir sind alle hingekommen aus einem menschlichen Bedürfnis heraus, zu helfen.“
Ist Hilfsarbeit politisch?
Gemeinsam mit Martin Maurer (Neue Linkswende) diskutierte Jochen das Verhältnis zwischen Nichtregierungsorganistionen (NGOs), wie ToH, und politischen Organisationen, wie der Neuen Linkswende. Einigkeit gab es darin, dass trotz unterschiedlicher Herangehensweisen und Zielsetzungen es viele Gemeinsamkeiten gibt. Im Kampf für eine menschliche Asylpolitik müsse eine möglichst breite Front aufgebaut werden. „Es ist schön, wenn wir uns mit politischen Gruppierungen auf ein Packerl hauen können, damit sie uns den Rücken freihalten und stärken können“, meinte Jochen. Umgekehrt betonte Martin, dass man viel von ToH lernen könnte, gerade was den unglaublichen Organisierungsgrad und die Arbeit in den sozialen Medien betrifft.
In den letzten Monaten war es möglich, die öffentliche Meinung durch die Stärke der Flüchtlingsbewegung pro Flüchtlinge zu drehen. Das war dem Umstand zu verdanken, dass beinahe ein Viertel der Bevölkerung direkte Flüchtlingshilfe geleistet hat, Massenproteste von unten Druck auf die Regierung ausgeübt haben und Flüchtlinge sich nicht mehr vor Zäunen und Polizeisperren an der Weiterreise hindern ließen. Diese Zusammenarbeit müssen wir weiterhin aufrechterhalten und verstärken.
Bürgerlicher Staat vs. Hilfsarbeit
Ein weiterer spannender Punkt in der Debatte war das Verhältnis zwischen bürgerlichen Staat und ehrenamtlicher Hilfsarbeit. Train of Hope erhält mittlerweile Gelder aus dem 15 Millionen Euro leichten Fördertopf des Innenministeriums. Ob man das Geld nehmen sollte, war eine heiße Debatte unter den Flüchtlingshelfer_innen selbst. Tatsache ist, dass die Regierung bereit ist, für einen Grenzzaun Unmengen an Geld auszugeben (in der ersten präsentierten Version hätte der Zaun zu Slowenien bis zu 300 Millionen Euro gekostet), aber nicht bereit ist, angemessene staatliche Erstversorgung und Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.
„Polizei weg, wir regeln das auf unsere Art und Weise.“
„Ohne die Förderung vom BMI (Bundesministerium für Inneres, Anm.) hätten wir die Hilfe nicht so lange aufrechterhalten können“, meinte Jochen in der Diskussion. „Unsere Arbeit ist politisch, ja, natürlich. Wir tun das, was der Staat nicht getan hat. Wir tun sogar noch mehr als das. Wir haben der Zivilbevölkerung gezeigt: So sieht menschliche Hilfe aus.“ Die Förderungen sind im Vergleich zu dem, was der Staat für Flüchtlinge eigentlich leisten müsste, ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Die Regierung musste die vielen Helfer_innen gewähren lassen. „Als alles begonnen hatte, standen wir loud and proud am Hauptbahnhof und sagten, ‚Polizei weg, wir regeln das auf unsere Art und Weise‘“, erzählte Jochen. „Wir haben die Lage fantastisch im Griff gehabt. Die Polizei stand nur daneben und hat staunend geschaut: ‚Aha, so funktioniert das.‘“
Rebellion der Solidarischen
Die ersten Freiwilligen am Hauptbahnhof ließen sich nicht von bürokratischen Hürden und Polizei aufhalten, sondern taten einfach, was nötig war, um die Flüchtlinge weitestgehend zu unterstützen. Die Etablierung eines gut strukturierten Hilfsnetzwerks mit über 2.000 registrierten Freiwilligen zeigt, welch enormes Potential in der Selbstorganisierung von Menschen steckt. Die weit verbreitete Meinung, Menschen seien von Grund auf egoistisch, wurde mit der monatelangen selbstlosen Flüchtlingshilfe vollkommen widerlegt.
Diskutiert wurde auch, inwieweit man sich als parteiloses Hilfsnetzwerk politisch positionieren kann und sollte. Einig war man sich aber darüber, dass Flüchtlingshilfe jeglicher Art selbst ein politischer Akt ist. Während die Regierung Pläne für einen Grenzzaun und eine Asylrechtsverschärfung schmiedet, werden Fluchthelfer_innen kriminalisiert und der „Schlepperei“ bezichtigt. Die Veranstaltung hat jedenfalls viele weitere Debatten angestoßen, wie weitere Türen für eine menschliche Asylpolitik aufgestoßen werden können.
Diskussion mit Train of Hope: Eine Welt abseits von Staat und Profitlogik ist möglich!