Trump, Hände weg von Venezuela!
Donald Trump bereitet eine militärische Intervention in Venezuela vor, und arbeitet dabei mit Juan Guaidó, dem Führer der rechten Oppositionspartei, zusammen, der sich bereits selbst zum Präsidenten ernannt hat. Trump hat ihn ebenfalls als den rechtmäßigen Präsidenten des Landes anerkannt und ignoriert die Ausweisung von US Diplomaten durch den derzeitigen Präsidenten Nicholas Maduro. Er wird jeden Versuch, diese Forderung durchzusetzen, als Vorwand für eine militärische Intervention heranziehen.
Trump beruft sich darauf, im Namen des Gesetzes und der Freiheit zu handeln. Die USA können auf eine lange Geschichte gewaltsam gestürzter Regierungen und der Unterstützung von rechten Diktatoren in Lateinamerika zurückblicken. Der Sturz der Allende-Regierung 1973 in Chile und die Unterstützung der Pinochet-Diktatur. Oder die Mithilfe beim Putsch in Argentinien, oder die Unterstützung des Militärputsch in Brasilien im Jahr 1964, und den Sturz der Arbenz-Regierung in Guatemala.
Trumps Heuchelei
Das letzte was Venezuela braucht, ist ein von den USA gesponserter Putsch, schon gar nicht unter den von Trump fabrizierten Vorwänden. Er behauptet für „Freiheit“ zu stehen, wenn er gleichzeitig brutale Regimes wie in Saudi-Arabien unterstützt, sogar nach dessen Rolle im Jemen und dem Mord an Jamal Khashoggi. Er sagt, dass Maduro nicht von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt wurde, was ironischerweise auf ihn selbst zutrifft. Er bekam weniger Stimmen als Hillary Clinton, aber sie wurde danach nicht von einem anderen Land als legitime Präsidentin bezeichnet.
Es gab eine Reihe von Wahlen in Venezuela, welche zumindest mit demselben Grad an Fairness durchgeführt wurden, wie in den USA. Die Opposition aus dem rechten Flügel gewann die Kontrolle in der Nationalversammlung, boykottierte aber später die Präsidentschaftswahl welche Maduro gewann. Bei den Regionalwahlen im Jahr 2017 erwartete die Opposition mit 90% der Stimmen zu gewinnen, tatsächlich gewann jedoch die regierende PSUV 18 der 23 Bezirksgouverneursposten bei einer Wahlbeteiligung von 54%. Das bedeutet jedoch nicht, dass Maduro die Unterstützung der Bevölkerung auf seiner Seite hat, jetzt wo sich die Wirtschaft in Venezuela im freien Fall befindet und die Inflation auf über 700% angestiegen ist. Es gibt Engpässe bei der medizinischen Versorgung und viele Menschen sind von Unterernährung bedroht. Wie schlimm die Krise ist, zeigt sich daran, dass bereits 2 Millionen Menschen das Land verlassen haben.
Die Bevölkerung ist gefangen zwischen einem zunehmend autoritären Regime und einer rücksichtslosen, rechtsradikalen Opposition, die mit brutalen Attacken versucht die Regierung zu stürzen. In der letzten, vom rechten Flügel angezettelten Rebellion, starben 140 Menschen. Die Opposition ist auf der Seite der Reichen und Privilegierten in Venezuela, die mit Verachtung auf die Armen herabsehen. Sie hassen die Tatsache, dass Chávez soziale Programme eingeführt hat, um Profite aus der Ölindustrie den ärmsten Bezirken zukommen zu lassen.
Chávez’ Strategie
Die Tragödie in Venezuela wird von Rechtspopulisten weltweit genutzt, die darin den Beweis erkennen wollen, wie der Sozialismus versagt hat. Aber das komplette Gegenteil ist der Fall. Das venezolanische Experiment ging nicht weit genug dabei, die Macht an die einfachen Menschen zu übergeben, und den Reichen die Kontrolle über die Wirtschaft zu entreißen. Hier eine kurze Erklärung, wie es dazu kam:
Venezuela war schon immer eine tief gespaltene Gesellschaft, aber die jetzige Situation entstand, als Hugo Chávez, ein Militäroffizier des linken Flügels, 1999 die Wahl gewann. 2002 führte der rechte Flügel einen Putsch durch und setzte Carmona, einen Wirtschaftsführer, als Regierungschef ein. Allerdings erhoben sich die Massen gegen den Putsch und stellten die Ordnung wieder her. Dieser Kampf um die Wiedereinsetzung von Chávez als Präsident half eine revolutionäre Dynamik in den Kampf gegen die Elite Venezuelas einzubringen. Dieser Aufstand wurde übrigens brillant in der irischen Dokumentation The Revolution Will Not Be Televised – Chávez: Inside the Coup wiedergegeben.
Chávez wandte sich sogar noch dramatischer der linken Seite zu und sprach davon, einen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ zu errichten, welcher im Gegensatz zur UdSSR demokratisch organisiert sein und sich auf Basisinitiativen stützen sollte. Er verteilte Gelder aus der staatlichen Ölindustrie an die Armen, eine von „Bolívarischen Missionen“ (benannt nach dem Befreier Simon Bolívar) organisierte Maßnahme, um die nötige Infrastruktur für Bildung, Gesundheit und Kulturarbeit zu schaffen.
Auch Chávez selbst erkannte jedoch, dass dies eine Umverteilung und kein wirklicher Sozialismus war. Kurz bevor er starb, schrieb er noch: „Wir sollten uns nicht täuschen lassen: Das soziale und ökonomische System in Venezuela ist immer noch kapitalistisch. Um uns weiter in Richtung Sozialismus zu bewegen, brauchen wir eine Massenbewegung, die fähig ist, die Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung, die immer noch in Venezuela existieren, auseinanderzunehmen. Diese Bewegung sollte in der Lage sein, die Gesellschaftsbeziehungen in unserem täglichen Leben so zu gestalten, dass Brüderlichkeit und Solidarität Hand in Hand gehen mit immer neuen Arten der Planung und der Produktion von materiellem Wohlstand für unsere Bevölkerung. Um das zu erreichen, ist es notwendig, den Staat der Bourgeoisie, den wir geerbt haben, und der immer noch durch verachtenswerte Tätigkeiten am Leben erhalten wird, komplett zu zerstören und sicherzustellen, dass weiterhin neue Möglichkeiten zur Organisation gefunden werden.“
Sozialismus bedeutet mehr als nur Umverteilung: Es geht darum, dass die arbeitenden Menschen die Fabriken, Büros und die restliche Wirtschaft unter ihre Kontrolle bringen. Diese Kontrolle kann ihnen nicht einfach von Militäroffizieren oder Guerillakämpfern überreicht werden, egal wie links diese wirken, sondern sie muss von der Masse der Menschen selbst aufgebaut werden. Es ist Chávez hoch anzurechnen, dass er das selbst teilweise erkannt hat.
Probleme und Fehler
Sogar während seiner Zeit entstanden jedoch drei Probleme, die den Prozess behinderten, den er in Gang gesetzt hatte:
Das Land wurde sogar noch stärker von Öl-Exporten abhängig als zuvor. Heute machen sie 95% von Venezuelas externem Einkommen aus, im Vergleich zu 67% vor 20 Jahren. Das führte zu gravierenden ökonomischen Problemen, als die Ölpreise kollabierten.
Die „Bolívarische Revolution“ entmachtete die reichen Clans nicht – die Capriles, Cohen, Otera Silva und Baute, die die Gesellschaft dominierten. Vor allem Nahrungsmittelimporte blieben in privaten Händen. Die Verantwortlichen hatten günstigen Zugang zu Dollardevisen und konnten riesige Profite durch den Verkauf von Nahrungsmitteln in Lokalwährung innerhalb Venezuelas machen.
Im tiefgehend korrupten Staat bildete sich eine Chavista-Bürokratie, die den Willen der Bevölkerung durchkreuzte. Das wurde deutlich, als Bauern versuchten, sich Land anzueignen oder Arbeiter die Kontrolle über Fabriken übernehmen wollten. Die Staatsbürokratie verhinderte das, darunter Elemente, die behaupteten, Anhänger von Chávez zu sein.
Zusätzlich zu diesen Problemen begann das Obama-Regime in den USA Sanktionen über Venezuela zu verhängen, welche Trump noch verschärfte, als er das Amt übernahm. Venezuela hätte die Revolution fortführen und auf andere Lateinamerikanische Länder ausweiten müssen.
Tragischerweise tat Chávez’ Nachfolger jedoch genau das Gegenteil. In Anbetracht der chaotischen Situation versuchte Maduro Teile der wohlhabenden Elite und der Generäle zu beschwichtigen, trotz der Verachtung, die sie ihm gegenüber zeigen. Ein Beispiel sollte zur Verdeutlichung ausreichen:
Die Arco Minero Region ist Venezuelas Äquivalent zum Amazonas. Sie macht 12% des Staatsgebietes aus, ist die wichtigste Quelle für Frischwasser und ist reich an Mineralien, Öl und Gas. Solange Chávez lebte, verhinderte er die Ausbeutung dieses Gebiets aus Umweltschutzgründen.
Maduro erlaubte der riesigen kanadischen Firma Barrick die Exploration, versprach ihr 10 Jahre Steuerfreiheit und kompensierte sie sogar für vergangene Enteignungen, alles um Investitionen aus dem Ausland anzukurbeln. In Wahrheit haben diese Maßnahmen das ökonomische Chaos jedoch nur verschlimmert.
Sozialismus von unten
Die Erfahrungen aus Venezuela enthalten eine wichtige Lektion für Sozialisten auf der ganzen Welt. Als erstes sollten wir nie die Entschlossenheit, Brutalität und Sabotagebereitschaft der Reichen unterschätzen, mit der sie jeden Versuch ihre Privilegien einzuschränken, egal wie minimal er auch sein mag, bekämpfen werden. Wenn sie in ihren eigenen Ländern keinen Erfolg haben, rufen sie nach ihrem Big Brother im Weißen Haus. Zweitens muss, um sie zu besiegen, die Revolution vertieft werden. Anstatt bei ihrer Loyalität zu einem linken Helden stehen zu bleiben, müssen Arbeiterinnen und Arbeiter die Revolution in ihre Hände nehmen und den Reichtum erobern. Nie wieder dürfen Banken, Nahrungsmittelimporte oder Schlüsselindustrien in den Händen der Reichen belassen werden.
Wir müssen den Kampf gegen ein brutales System aus Ausbeutung und Gewalt so lange fortsetzen, bis wir es komplett entmachtet haben.
Übersetzung aus dem Englischen von Martin Völkl