William I. Robinson – The Global Police State

Der globale Polizeistaat ist für den marxistischen Soziologen William I. Robinson die Bürgerkriegsvorbereitung der herrschenden Klasse. Im Inneren der westlichen Staatenwelt mutiert die Polizei zur allgegenwärtigen Ordnungsmacht. Nach Außen wird abgeschottet: Mit Konzentrationslagern, Grenzzäunen und Selbstschussanlagen.
4. April 2022 |

Lesetipp: William I. Robinson | The Global Police State | Pluto Press | 20. August 2020

Der globale Polizeistaat ist für den marxistischen Soziologen William I. Robinson die Bürgerkriegsvorbereitung der herrschenden Klasse. Im Inneren der westlichen Staatenwelt mutiert die Polizei zur allgegenwärtigen Ordnungsmacht. Nach Außen wird abgeschottet: mit Konzentrationslagern, Grenzzäunen und Selbstschussanlagen.

Begünstigt durch den Neoliberalismus erlebten wir die Konzentration von Kapital in unbekanntem Ausmaß. Das Verschmelzen von Silicon Valley, Wall Street, Sicherheitsfirmen und US-Militär ist die Grundlage des globalen Polizeistaates. Dieser organisiert die Welt in „Graue“ und „Grüne“ Zonen. Grüne Zonen sind die Ghettos der Reichen, welche militärisch vom Zugriff der Massen abgeschottet werden. Während der Black Lives Matter-Proteste 2020 wurden alle Brücken, die in die Innenstadt von Chicago führen, ab 20 Uhr polizeilich abgeriegelt – ähnlich den Mauern um die „Green Zones“ von Bagdad und Kabul während der US-Besatzung, oder dem Bankenviertel Sanhattan der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile, aber auch der Abschottungspolitik der Europäischen Union. In den „Grauen Zonen“ agiert der Polizeistaat als Bürgerkriegsarmee, welche in offener Kooperation mit kriminellen Banden die Überflussbevölkerung in die kapitalistische Akkumulationslogik zwingt. So z.B. bei der offenen Kooperation der Europäischen Union mit libyschen Warlords, welche Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa abfangen und sie zur Sklavenarbeit in Kobaltminen – ein Rohstoff für unsere Smartphones – verdammen.

Militarisierung des Internets

Das Internet wurde vom US-Militär entwickelt und erst in den 1980er-Jahren für kommerzielle Interessen geöffnet, freilich ohne die Kontrolle völlig abzugeben. Von Google über die Überwachungsmaschine Facebook oder die Internetgiganten Amazon und eBay: „Einige Teile dieser Unternehmen sind so stark mit den amerikanischen Sicherheitsdiensten verflochten, dass es schwer zu sagen ist, wo sie aufhören und die US-Regierung beginnt“, so Levine. Neben der Wall Street war die CIA über das Unternehmen In-Q-Tel der fleißigste Investor in Silicon Valley Start Ups. Der Amazon-Gründer und reichste Mensch der Welt, Jeff Bezos, hat einen Fixplatz im Beratungsausschuss für Innovative Verteidigung des Pentagons. Silicon Valley – Wall Street – US Regierung, das ist die eine Verschmelzung, die Robinson als Ursache des globalen Polizeistaates herausstreicht. Die andere ist die Verschmelzung von privaten Söldnerarmeen, Investitionsfirmen und den staatlichen Armeen.

Schwächen bei Robinson

Seine These zu einer globalen herrschenden Klasse ist die größte Schwäche des Buches. Er schreibt von einer transnationalen kapitalistischen Klasse (TCC), was an den Super-Imperialismus von Karl Kautsky bzw. dem Empire von Hardt und Negri erinnert. Sie alle unterschätzen die Macht des Nationalstaates. Auch wenn Staaten Kriege zusehends mit Privatarmeen führen, die Motivation für die Kriege sind nicht in den Aktienkursen von Academi und Co. zu suchen, sondern in der imperialistischen Logik von Nationalstaaten. Zweitens ignorieren Robinson und Co., dass Kapitalisten, wie Marx sagt, „verfeindete Brüder“ sind. Trotzdem ist das Buch ein idealer Startpunkt für eine tiefergehende Diskussion über Imperialismus, Überwachungsstaat und die aktuellen Krisenlösungsstrategien der herrschenden Klasse. Noch wichtiger, das Buch ist auch ein Aufruf zum Handeln. Die Zukunftsutopie der Herrschenden hält für uns nichts bereit als Polizeiknüppel, Drohnen, Selbstschussanlagen, Grenzen und Konzentrationslager. An dieser Zukunftsvision gibt es nichts zu reformieren, aber sehr viel zu zerstören.