Zeit ist reif für dritte Intifada!
Begonnen hat die jüngste Welle des Widerstandes wegen Streitigkeiten um die al-Aqsa-Moschee, welche regelmäßig für die palästinensische Bevölkerung gesperrt und von israelischen Soldaten gestürmt wurde. Das Ziel der Armee ist es, der „Tempelberg-Bewegung“ den Zugang zur al-Aqsa-Moschee zu ermöglichen. Auch Uri Ariel, der israelische Landwirtschaftsminister, ist Mitglied in dieser Bewegung, die dazu aufruft, an arabische israelische Staatsbürger_innen keine Wohnungen zu verkaufen, die al-Aqsa-Moschee zu zerstören und einen jüdischen Tempel an ihrer Stelle zu errichten. Hala Marshood, eine palästinensische Aktivistin aus Jerusalem meint: „Al-Aqsa ist nicht nur ein religiöses Symbol, es ist ein Symbol für unsere Identität, unsere Kultur unser soziales Leben. Es ist der wichtigste Ort für Palästinenser in Jerusalem und darüber hinaus!“
Proteste in ganz Israel-Palästina
Wegen der Stürmungen der Moschee durch israelische Soldaten gab es massive Unruhen in Ost-Jerusalem, doch im Gegensatz zu vergangenen Protestwellen breitet sich die aktuelle über ganz Israel-Palästina aus. Mittlerweile geht es um mehr als nur um den Schutz der al-Aqsa-Moschee. Die Proteste richten sich gegen die israelische Besatzung, die alltägliche Diskriminierung von Palästinenser_innen an den Checkpoints und die soziale Ungleichheit zwischen jüdischen Israelis, arabischen Staatsbürger_innen und den Bewohner_innen der besetzten Gebiete. Drei Viertel der (arabischen) Bevölkerung in Ostjerusalem leben unter der Armutsgrenze.
Lina Khattab, eine 19-jährige Studentin, erklärt es so: „Wir demonstrieren gegen Israel, weil es unser Leben zur Hölle macht. Wir können uns nicht frei bewegen, wir können nicht reisen oder in die Schule gehen ohne kontrolliert zu werden. Wir werden wie Untermenschen behandelt. Mit so einem Staat können wir keinen Frieden haben. Es ist ein rassistischer Staat!“
Ungleiches Kräfteverhältnis
Die mediale Darstellung konzentriert sich vor allem auf die individuellen Messerattacken. Doch der Großteil des Widerstandes äußert sich in riesigen Demonstrationen, die oft in Konfrontationen mit den Sicherheitskräften enden oder dem Generalstreik am 13. Oktober. Alleine im Oktober wurden 44 Palästinenser_innen von israelischen Soldaten umgebracht. In derselben Zeit wurden acht Israelis getötet, darunter zwei Sicherheitskräfte.
Laut der Menschenrechtsorganisation Palästinensischer Roter Halbmond (bei uns Rotes Kreuz) wurden alleine zwischen 3. und 9. Oktober 151 Palästinenser_innen von scharfer Munition verletzt. Diese Zahlen zeigen das ungleiche Kräfteverhältnis: Auf der einen Seite die Atommacht Israel mit einer hochgerüsteten Armee, auf der anderen Menschen mit Steinen oder höchstens einem Messer. Dieses Kräfteverhältnis sollte man im Blick haben, wenn man über die Messerattacken spricht. Es sind verzweifelte Aktionen die aufgrund der ungleichen Kampfes entstehen.
Unzufriedenheit mit Parteien
Ähnlich wie bei der 1. Intifada (1987-1993) sind es vor allem selbstorganisierte Jugendliche, die die Proteste anführen. Die Fatah und Präsident Mahmoud Abbas rufen zu gewaltfreiem Widerstand auf und distanzieren sich somit von den Protesten. Es kam auch zu Zusammenstößen zwischen Demonstrant_innen und den palästinensischen Sicherheitskräften im Westjordanland.
Die Hamas solidarisierte sich zwar mit den Protesten, doch gleichzeitig versuchte sie Menschen aus Gaza daran zu hindern, zur israelischen Grenze zu marschieren. Die ließen sich davon allerdings nicht abhalten und es kam auch an der Grenze zu Zusammenstößen mit israelischen Soldaten. „Wir interessieren uns nicht für unsere Anführer. Wir sind die Anführer. Die palästinische Autonomiebehörde hat uns verraten!“ meinte ein Demonstrant in einem Interview mit Ma’an News Agency.
Breite Teile der palästinensischen Bevölkerung fühlen sich von ihren Parteien nicht mehr vertreten, weil diese sich nur mehr auf Verhandlungen und diplomatische Mittel, beispielsweise das Hissen der palästinensischen Flagge vor dem UN-Hauptgebäude, konzentrieren. Die soziale Ungerechtigkeit und die alltägliche Diskriminierung bleiben bestehen.
Das Problem der aufständischen Palästinenser_innen ist, dass sie alleine keine Chance haben, Israel in die Knie zu zwingen. Mit den Niederlagen der Revolutionen in Syrien und insbesondere Ägypten starben für viele Palästinenser_innen auch die Hoffnungen auf ein freies Palästina. In Ägypten gab es am 19. Oktober große Solidaritätsproteste mit den Palästinenser_innen. Eine 3. Intifada könnte auch die ägyptische Revolution neu beleben.