18. Mai 2019: Die Bewegung, die die Regierung gestürzt hat
Am Abend des 17. Mai wurde das Ende der schwarz-blauen Koalition eingeläutet. Die deutschen Zeitungen Süddeutsche Zeitung und Der Spiegel veröffentlichten Aufnahmen von FPÖ-Führer Strache und seinem Klubobmann Johann Gudenus, auf denen die beiden einer angeblichen Oligarchennichte Angebote für Spenden an die FPÖ im Nationalratswahlkampf 2017 machen. In eiskalter Manier erklärte Strache in den Mitschnitten, wie die FPÖ plane, unliebsame politische Gegner und kritische Medien auszuschalten und das eigene antidemokratische Projekt voranzutreiben.
Am selben Abend rief die Sozialistische Jugend zu einem Protest am Folgetag am Ballhausplatz auf und forderte den sofortigen Rücktritt von Strache. Die Veranstaltung auf Facebook bekam in kürzester Zeit tausende Zusagen. Im ORF lief eine Sondersendung nach der anderen, in den sozialen Medien gab es kein anderes Thema als das Ibiza-Video. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer und jedes Gespräch, das man auf der Straße und in den Öffis hörte, drehte sich um dieses Thema.
Die Aufnahmen fielen auf fruchtbaren Boden: seit Wochen hat sich eine Stimmung gegen die verhasste Regierung entwickelt, die ihr gefährlich werden konnte.
Nazi-Aufdeckungen
Spätestens seit der Aufdeckung von Verbindungen des Christchurch-Attentäters zu den „Identitären“ bis hin zu FPÖ-Innenminister Herbert Kickl, konnten die Koalitionsparteien ihre Streitigkeiten nicht mehr verbergen. Auf einer Pressekonferenz, auf der sich Kurz von den „Identitären“ distanzierte und von Strache dasselbe erwartete, kam es zu einem Hickhack vor laufenden Kameras.
Dass die „Identitären“ als neofaschistische Organisation gebrandmarkt waren, ist ein Verdienst der antifaschistischen Straßenbewegung, die jeden Aufmarschversuch erfolgreich konfrontiert hatte. Bei dem letzten Versuch am 13. April stellten sich über 2.000 Menschen einem lächerlichen Häufchen von Faschisten gegenüber. Diese Erfolge ermöglichten es auch Journalist_innen, Verbindungen und Überschneidungen zwischen FPÖ und „Identitären“ aufzuzeigen und gegen die Regierung zu verwenden. Recherchen zeigten auf, dass die „Identitären“ in Linz in einem Gebäude von FPÖ-Studenten ihren Hauptsitz hatten. Kurze Zeit später mussten sie rausgeworfen werden.
Nazikeule geschwungen
Fast wöchentlich musste ein FPÖ-Funktionär aus der Partei geworfen werden, weil er auf Facebook oder anderweitig offen seine wahre Nazi-Gesinnung gezeigt hatte. Zuletzt war es das „Rattengedicht“ eines FPÖ-Vizebürgermeisters, ausgerechnet aus dem Geburtsort Adolf Hitlers, Braunau, in dem er Migrant_innen in Stürmer-Manier mit Ratten gleichsetzt. Dass Entmenschlichung bei FPÖ-Propaganda häufig zum Einsatz kommt, warf ZIB2-Moderator Armin Wolf dem FPÖ-Spitzenkandidaten zur EU-Wahl, Harald Vilimsky, vor. In dem Interview vergleicht Wolf ein Sujet der steirischen FPÖ-Jugendorganisation zu Recht mit einer Zeichnung im Stürmer.
Kabarettisten, Karikaturisten und Künstler waren es, die am offensten aussprachen, was sich alle dachten. Sie schwangen die Nazi-Keule gegen Strache und die FPÖ, zeichneten den FPÖ-Führer in der Badewanne mit Hakenkreuzen am Rücken, gemeinsam mit Stiefelnazis und Martin Sellner und parodierten seine „typisch österreichische Karrierelaufbahn vom Neonazi zum Sportminister“. Kurz vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos gab es Ankündigungen von Gottfried Küssel, Neonazi und Jugendkamerad von Strache, er habe noch Informationen, die „vielleicht nochmal brauchbar werden“.
Zum Antritt der Regierung hatte die Süddeutsche Zeitung einen penibel recherchierten Artikel zu Straches Neonazi-Vergangenheit veröffentlicht, in dem auch die gemeinsamen Wehrsportübungen mit Küssels Kameraden erwähnt werden.
Im Rahmen dieser Attacken auf den faschistischen Charakter der FPÖ lief auch unsere Plakatkampagne „Strache, du Neonazi!“ an. In der Begleitbroschüre belegen wir mit zahlreichen Quellen, warum wir die politische Wertung vornehmen, dass Strache für uns ein Neonazi ist. Die Plakate zierten auch am 18. Mai den Ballhausplatz.
Es gilt jetzt, die Erfolge der antifaschistischen Bewegung zu feiern und sich den Herausforderungen, die den Aufstieg der FPÖ und von Kurz ermöglicht haben (siehe Artikel auf Seite 3) zu stellen, um im kommenden Wahlkampf entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis der Wahl zu bekommen. Die FPÖ darf sich nicht wieder erholen!