Haben wir das 1.5C Ziel verpasst?

Nach den Aussagen des UN-Präsidenten Antonio Guterres vor der COP 30 in Brasilien hat die Menschheit es nicht geschafft die globale Erwärmung auf unter 1.5C zu beschränken. Seine Aussage wird von den Klimawissenschaften weitestgehend gedeckt: selbst wenn die Politik ihre Versprechen einhält, überschreiten wir in den nächsten 5 bis 10 Jahren bereits die 1.5C und bis 2100 2.5C, was mit kaskadierenden Kipppunkten langfristig 3-6°C Erwärmung bedeutet. Wenn die Politik ihre Versprechen wie bisher nicht hält, könnten schon 2100 4C überschritten werden. Physikalisch gesehen kann die globale Erwärmung jedoch noch langfristig auf unter 1.5C limitiert werden – entscheidend ist, welche Klasse ihre Interessen durchsetzt.
2. Dezember 2025 |

Was sagt die Wissenschaft dazu?

2024 war das erste Jahr der Geschichte, das 1,5°C wärmer als das vorindustrielle Niveau war (1850-1900). Das ist sehr bedrohlich, bedeutet aber noch nicht, dass wir das 1.5°C Ziel verfehlt haben. Jahresmitteltemperaturen schwanken, ein Jahr kann besonders warm sein, ein anderes etwas kühler. Um die langfristigen Trends zu sehen, die durch die Treibhausgasemssionen verursacht werden, sind langjährige Mittelwerte entscheidend. Um den Zustand des Klimas zu bestimmen, wird der 30-jährige Mittelwert hergenommen. Dieser liegt noch unter 1.5°C. Allerdings fehlt nicht mehr viel, um diesen Wert zu überschreiten. Eine 2023 in Nature Climate Science erschiene Studie schätzt das verbleibende Carbon Budget, um ein 50% Chance zum Erreichen des 1.5°C Ziels zu haben, auf 250Gt. Aktuell werden jährlich 40Gt CO2 emittiert, das Budget wäre bei einem Buisness-as-usual in 6 Jahren aufgebraucht. Die Möglichkeiten CO2 aus der Atmosphäre langfristig zu binden, sind sehr limitiert. Vor allem gilt: die Emssionen müssen rapide auf null sinken.

Was bedeuten 1.5C?

Bei dauerhafter Erwärmung über 1.5C könnten die Eisschilde der Westantarktis und Grönlands irreversibel kippen, was einen langfristigen Meeresspiegelanstieg von 10 m bedeutet. Inselstaaten und Mega-Städte würden im Meer versinken. Die tropischen Korallenriffe, die wichtigsten Lebensräume der Ozeane, würden aussterben. Dürren, Hochwässer, Waldbrände und Hitzewellen würden weltweit noch mehr Menschen töten, in die Obdachlosigkeit drängen und die Nahrungs- und Wasserversorgung gefährden. Besonders die ärmere Bevölkerung hätte durch die schlechtere Gesundheitsversorgung, schlechtere Arbeitsbedingungen und schlechteren Zugang zu klimatisierten Räumen mehr unter Hitzewellen zu leiden. Die globale Erwärmung ist keine abstrakte Krise, sondern schon jetzt konkret tödlich. Das Zulassen jeglicher weiteren Erwärmung von Politik und Wirtschaft signalisiert nichts anderes als „wir scheißen auf euch“.

Wir könnten die Erwärmung auf 1.5C beschränken

Stellen wir uns vor, die Arbeitenden würden alles stehen und liegen lassen, sich zusammensetzen und solidarisch und demokratisch darüber entscheiden, wie sie Arbeitskraft, Technologie und Forschung einsetzen wollen. Der vollständige Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, wäre eine Frage von wenigen Jahren. Wir könnten koordiniert alle Menschen mit allem versorgen, was zum guten, modernen Leben gebraucht wird. Es würden keine Ressourcen in Kriege, Werbung oder Wegwerfprodukte verschwendet werden. Wir würden nicht für die Profite der Milliardäre Waren mehrfach um die Welt schiffen, sondern ressourcenschonend produzieren. Wir würden Dinge reparieren und recyceln, nicht nur, wenn es ausnahmsweise profitabel ist. Statt die Erde mit teuren Autos und Asphalt zu verschandeln, wäre eine ressourcenschonendere, gerechtere, öffentliche Mobilität möglich. Sonnenlicht, Wind, Gezeiten und Erdwärme stellen ausreichend Energie. Die Umstellung auf fluktuierende nachhaltige Energiequellen ist eine Herausforderung, aber technologisch gut möglich. Durch großflächige Restoration von Mooren und Feuchtgebieten und durch großflächige Aufforstung, ließe sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre wieder reduzieren, sodass selbst bei einem Overshoot der langfristige Temperaturanstieg auf unter 1.5C begrenzt werden könnte. Die Veränderungen, welche die bisherige Erwärmung zwangsläufig für das Erdsystem bringt, müssten nicht zu humanitären Katastrophen führen. Die Umsiedlung von Menschen aus dauerhaft unbewohnbaren Gebieten müsste nicht an Grenzregimen scheitern.

Auch in einem solchen Szenario würde gestritten und debattiert werden, es würden Fehler gemacht, die später korrigiert werden müssten. Der große Unterschied zu jetzt wäre, dass es nicht um den Return of Invest der Superreichen ginge, sondern wir wirklich unsere Bedürfnisse in den Vordergrund stellen könnten.

Politik der Milliardäre

Die Einhaltung des 1.5C Ziels ist physikalisch und technologisch machbar, aber nicht wirtschaftlich. Wenn man die Gesetze des Kapitalismus wie unumstößliche physikalische Gesetze betrachtet, und das tun Regierungen, besiegelt man nicht nur 1.5C, sondern auch 2, 3, 4 und mehr Grad inklusive des Zusammenbruchs von fast allen Ökosystemen, der Vernichtung von Lebensgrundlagen für Milliarden Menschen weltweit, Massenarmut, Gewalt, Unterdrückung und Kriege um Land und Ressourcen.

Regierungen behaupten, sie würden Klimaschutz bremsen, weil sie nicht möchten, dass die Lebenserhaltungskosten weiter steigen. Preise müssten aber nur steigen, wenn sich die Umstellung auf Erneuerbare für die Energiekonzerne lohnen muss. Die Politik hat keine Skrupel stetig mit Sozialkürzungen die Lebensstandards der Bevölkerung zu senken. Es geht ihr um die Profite!

Um das zu verdecken, versucht man die Interessen der Arbeitenden nur als abgeleitete Interessen der Wirtschaft zu verkaufen, nach dem Motto: geht es der Wirtschaft gut, dann hast du einen Arbeitsplatz und möglicherweise sogar einen guten Lohn, also ist die oberste Priorität eine florierende Wirtschaft, selbst wenn du dafür deine Lebensgrundlage und die Lebensgrundlage deiner Kinder untergraben musst und nur einige wenige immer reicher werden.

Damit es der Wirtschaft gut geht, wird weiter auf teuren Individualverkehr und fossile Infrastruktur gesetzt. Weil Kapitalismus in der Krise steckt, wird in Aufrüstung investiert. Wir sollen wieder lernen, uns im Kampf um imperialistische Vorherrschaft an der Front erschießen zu lassen, Bomben gegen Zivilisten und Genozide zu akzeptieren. Probleme werden auf Sündenböcke abgewälzt, Staaten werden autoritärer und Rechtsextreme bekommen immer mehr Raum für ihren Kampf gegen jegliche Emanzipation von unten. Im Krisenkapitalismus ist kaum noch Raum für Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit.

Wer auf das System setzt, verzögert den Kampf gegen die Klimakrise. Wir müssen die Notbremse ziehen. Die jüngsten Generalstreiks in Italien in Solidarität mit Palästina haben erneut gezeigt, welche Kraft dazu fähig ist: die Arbeiter:innenklasse. Wenn sie als Kraft für sich auftritt, kann sie nicht nur das System lahmlegen, sondern auch dafür sorgen, dass wir das 1.5C Ziel einhalten. Um die politischen Rahmenbedingungen zu schaffen, muss der Kampf gegen Rechts muss die zentrale Aufgaben der Klimabewegung sein.