Schlepper: Lebensretter oder skrupellose Kriminelle?
Die Kenner auf dem Gebiet Fluchthilfe sind sich einig – ohne Fluchthelfer, abwertend „Schlepper“ genannt, wäre heute das gefährliche Entkommen aus Krisengebieten nicht möglich. Neue Linkswende hat vor einiger Zeit Flüchtlinge interviewt, die selbst erzählten, dass sie in der großen Mehrheit Schlepper als „Schutzengel“ empfänden.
Es ist in Österreich, das nicht unmittelbar an eine Krisenregion grenzt, nicht möglich, einen Asylantrag zu stellen, ohne illegal einzureisen. In Krisenregionen kommen Schutzbedürftige nicht an die nötigen Papiere. Unter der schwarzblauen Regierung schaffte Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) die Möglichkeit ab, in einer österreichischen Botschaft im Ausland Asyl zu beantragen. Das sogenannte „Dublin-Verfahren“ sieht vor, dass jener Staat für das Asylverfahren zuständig ist, in dem der Schutzsuchende erstmals europäischen Boden betreten hat.
Lose Netzwerke, keine Mafia
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sprach noch im April davon, man müsse der „Schleppermafia den Nährboden entziehen“. Im Zuge der Ermittlungen gegen Aktivist_innen der Flüchtlingsbewegung 2013, die angeblich ein „Schlepper-Syndikat“ mit Millionen-Umsatz gebildet hätten, erklärte die Ministerin: „Wir wissen, dass es sich hier um einen Schlepper-Ring handelt, der auf die brutalste Art und Weise vorgeht.“ Später dementierte sie: es hätte sich nur um Einzelpersonen gehandelt. Von Gewalt war in den Ermittlungsakten keine Rede mehr.
Andreas Schloenhardt, Professor für Strafrecht an der Universität Queensland in Australien, lehnt den Vergleich von Schleppern mit kriminellen, „mafiösen Strukturen“ ab, dafür gebe es überhaupt keine Anhaltspunkte. Er würde nicht einmal von Organisationen sprechen, sondern von Einzelpersonen, die versuchen, „schnell mal ein bisschen Geld zu machen“. Vielmehr handle es sich um lose Netzwerke, die Telefonnummern in anderen Ländern weitervermitteln.
Menschenrechte außer Kraft
Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 sieht ausdrücklich vor, dass Menschen auf ihrer Flucht nicht kriminalisiert werden dürfen, weil „nicht erwartet werden kann, dass sie beim Verlassen ihres Landes und bei der Einreise in ein anderes Land alle Vorschriften einhalten, und dass sie daher wegen illegaler Einreise in das Land, in dem sie Asyl suchen, oder wegen illegalen Aufenthalts in diesem Land nicht bestraft werden sollten“.
Flüchtlinge sollen „wegen illegaler Einreise“ und „wegen illegalen Aufenthalts in diesem Land nicht bestraft werden“.
Die UNHCR-Flüchtlingsorganisation weist außerdem darauf hin, dass Flüchtlinge in den meisten Fällen nicht auswählen können, ob Schlepper aus Profitorientierung oder Selbstlosigkeit handeln, und setzt sich „mit Nachdruck gegen eine solche Kriminalisierung von Schutzbedürftigen ein“. Die Innenministerin hebelt mit dem Kampf gegen „Schlepper“ wissentlich grundlegende Menschenrechte aus.
Legale Fluchtwege
Flucht muss endlich entkriminalisiert werden. Zeit im Bild-Sprecher Armin Wolf meinte auf Twitter, es gebe „nur eine realistische Möglichkeit, kriminelle Schlepperei zu bekämpfen: Legale Wege, Asyl zu beantragen“.
Derzeit passiert das Gegenteil. Schritt für Schritt wurden die Einreisebedingungen verschärft. Die Mauern um Europa wurden hochgezogen, neue Zäune wie in Ungarn werden errichtet. Der Ende Juli präsentierte „Fünf-Punkte-Plan gegen Schlepperei“ der Innenministerin wird die Flucht noch riskanter machen, Flüchtlinge werden noch abhängiger von privaten Schleppern und die Preise werden steigen.
„So wie es jetzt ist, zwingen wir sie auf diese Schlauchboote und diese Ladeflächen“, sagte Fritz Dittlbacher, Chefredakteur der Zeit im Bild. „Dieser Versuch, die Wirklichkeit zu ignorieren, ist nicht nur eine Schande, sondern auch eine Mitschuld am Tod von Menschen.“ Die Ministerin wird mit ihrer Politik noch mehr Tote zu verantworten haben.