Bedrohlicher Aufstieg des Front National: Es ist noch Zeit für Widerstand
Ihre „Republik“ ist braun geworden. Aber sie wird zusehends auch marineblau. Unter der Farbe der Nationalversammlung, die für die Verlängerung des Ausnahmezustands und für die Bombardierung Syriens gestimmt hat, vermischen sich extreme Rechte, Rechte und Linke. Die Maßnahmen von Präsident François Hollande und Premierminister Manuel Valls haben seit Wochen die gleiche Farbe: sie verbieten Kundgebungen, schließen die Grenzen, verhängen immer häufiger Hausarrest. Sie verloren keine Zeit, über uns den Ausnahmezustand zu verhängen.
Kein Zurückweichen mehr
Der Front National hat mehr als sechs Millionen Stimmen bekommen. Wahlmäßig ist sie die stärkste Partei des Landes, besonders bei den Jungen. Sie wird in allen Regionalräten Abgeordnete stellen. Man kann sich vorstellen, was das für das ganze Land bedeutet – hinsichtlich Mittelverteilung, polizeilicher und militärischer Durchdringung bis hin zu innerstaatlichen Angelegenheiten und deren Beamter und Funktionsträger. Calais ist jetzt schon ein Beispiel und Symbol dieser Konsequenzen. In den letzten Wochen verging kaum ein Tag ohne Angriffe auf Migrant_innen oder ihre Unterstützer_innen. Die Polizei wird dort immer gewalttätiger. Das war schon vor dem 50-Prozent-Ergebnis des Front National so, bevor diese Faschisten und Rassisten sich voll legitimiert fühlten.
Man muss das Kind beim Namen nennen: Die größte Gefahr in Frankreich ist das Anwachsen des Faschismus.
Man muss das Kind beim Namen nennen: Die größte Gefahr in Frankreich ist das Anwachsen des Faschismus. Das ist zwar nicht unmittelbar auf die jetzige Situation zurückzuführen, trotzdem muss man ihr Einhalt gebieten. Dieser Politik darf man nicht permanent die Bühne überlassen. Alle jene, die sich weigern dabei mitzumachen, werden als hysterisch hingestellt. Die sechs Millionen Wähler_innen des Front National sind glücklicherweise noch nicht alle Faschisten, aber es sind auch keine Dummköpfe: sie wissen, warum sie sie gewählt haben. Sie sind Rassisten und Nationalisten. Man kann ihre Verbindungen zum Faschismus nicht lösen, indem man ihnen Konzessionen macht.
Sozialisten unverschämt, Front de Gauche kapituliert
Die Reaktion der Sozialistischen Partei (PS) ist nicht annehmbar: Wer gegen den FN ist, könnte ja für Christian Estrosi stimmen (Kandidat der konservativen UMP in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur). Jenen Mann, der von einer Invasion der Muslime in Frankreich spricht, und der mehr Waffen für die Polizei will. Die „republikanische Front“ der PS bedeutet mehr Sparpolitik, weniger Demokratie und mehr Jagd auf Migrant_innen.
Und sprechen wir es ruhig aus: die Führung des Front de Gauche (Linksfront) hat in den letzten Wochen kapituliert. Sie hat akzeptiert, ihre Listen mit jenen der PS zu vereinen, und somit ihre Stimmen jenen gegeben, die für die Ausrufung des Ausnahmezustands und der Militärinterventionen sind. Sie entwaffnet uns angesichts des FN.
Die Einheit, ja!
Es ist dringend notwendig, sich gegen die Gefahr zusammenzuschließen, ohne Sektierertum aber auch ohne Konzessionen. Jene, die Angst haben vor dem, was gerade im Gange ist, müssen wieder genug Vertrauen gewinnen und ihre Köpfe heben können. Der Faschismus marschiert mit zwei Stiefeln vorwärts: der Fortentwicklung der herrschenden Politik und dem Wachstum des FN als Partei.
Der Gegenschlag muss daher auf diese zwei Aspekte zielen: Tun wir uns gegen die Ausrufung des Ausnahmezustands zusammen, gegen Rassismus und Islamfeindlichkeit, gegen den Krieg in Syrien und gegen die Sparpolitik. In jedem Viertel, an jedem Arbeitsplatz muss man diejenigen zusammenführen, die bereit sind zu kämpfen, die bereit sind zu streiken, die Flüchtlinge und Menschen ohne Papiere unterstützen, die gegen die Gewalttaten der Polizei an Roma sind. Und diese Einheit muss wie ein Rammbock gegen jeglichen Versuch des Auftauchens von Faschismus eingesetzt werden. Bringen wir jene Kräfte zusammen, die sich auf dieser Basis finden werden. Machen wir sie sichtbar.
Es ist noch Zeit
Der FN nimmt in den Tiefen der Gesellschaft zu, aber er bleibt hauptsächlich ein Wahlphänomen. Auf diesem Gebiet können wir ihm leider nicht das Wasser reichen. Aber wir können uns auf jene Menschen stützen, die etwa bei Air France, den Protesten gegen den Klimagipfel COP21 oder für die Solidarität mit Migrant_innen ihre Bereitschaft zum Kampf gezeigt haben. Wir können die Orte, die der FN beansprucht, zurückerobern, wenn wir klar sprechen und handeln. Auf dieser Basis muss man eine politische Vertretung für alle jene aufbauen, die immer wieder Schläge einstecken müssen – die Alternative der Menschen ohne Zähne, ohne Stimme, ohne Röcke. No pasaran!
Anmerkung: „Sansculottes“ (die ohne Röcke, ohne Kniebundhosen) nannte man das Proletariat, das im 18. Jahrhundert die Französische Revolution getragen hat.
Übersetzung von Ute Katschthaler.