Die Bildungspolitik ist das Problem – nicht der Islam!
Alleine die Namen der beteiligten Personen lässt Kenner der österreichischen Innenpolitik erahnen, dass eine „Studie“, durchgeführt von einem „Institut“ des „Islamexperten“ Ednan Aslan im Auftrag des „Integrationsministers“ Sebastian Kurz, kein objektives Ergebnis präsentieren würde. Warum die vielen Anführungszeichen? Weil die Studie keine Studie ist, sondern tatsächlich nur eine Veröffentlichung, in der sich der Autor dafür rechtfertigt, warum eigentlich keine Studie zustande gekommen ist.
Von 600 „islamischen“ frühpädagogischen Einrichtungen sollten 15 untersucht werden, von denen ganze zwei auf Anfrage von Ednan Aslans „Institut für islamische Studien“ ihre Tore geöffnet haben. Den anderen 13 wurde zum Verhängnis, dass sie lieber nicht teilnehmen wollten. Das vernichtende Urteil: „Es zeigt sich wenig Offenheit der islamischen Kindergärten, an dem Forschungsprojekt teilzunehmen.“
Das verwundert allerdings niemanden, der die Szene kennt: Ednan Aslan ist vor allem in der Community der muslimischen Einwanderer kein unbeschriebenes Blatt. Nicht zum ersten Mal hat er einem ÖVP-Minister Schützenhilfe in einer Kampagne gegen die muslimische Minderheit geleistet –so etwa der damaligen Innenministerin Maria Fekter in der Minarette-Debatte.
Rassistische Vorgehensweise
Sebastian Kurz dafür hat es bisher sehr gut verstanden, sich als „Integrationsminister“ zu verkaufen. Seine elitäre bis feindselige Haltung gegenüber der muslimischen, speziell der türkischen Gemeinschaft ist zwar kein Geheimnis, aber laut und medienwirksam ist er damit bisher noch nicht aufgetreten – dafür ist der Gegenwind aus der Community und vor allem von der Wiener SPÖ bisher doch zu stark gewesen. Und genau gegen die Wiener SPÖ richtet Kurz jetzt sein Trommelfeuer: „Es gibt massive Fehlentwicklungen in Wien. Wir haben die Situation, dass hier tausende Kinder in islamische Kindergärten gehen. Das Ziel vieler Eltern ist laut unserer Studie, diese Kinder von den Einflüssen der Mehrheitsgesellschaft abzuschotten.“
Es lohnt sich anzusehen, welche Aussage in der Studie dem Minister dieses Pauschalurteil erlaubt. Da finden sich völlig unbelegte Bewertungen wie folgende: Die Eltern würden sich vom Kindergarten den „Schutz vor dem moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft“ erwarten. Trifft das auf Eltern in nicht-muslimischen Kindergärten etwa nicht zu? Erwarten sie nicht, dass Gewaltverherrlichung, Konsumorientierung oder der allgegenwärtige Sexismus aus der Pädagogik herausgehalten werden? Das trifft wahrscheinlich auf den Großteil der österreichischen Eltern zu! Und das ist der große Haken an der „Studie“ von Ednan Aslan. Werden solche Ergebnisse bei ethnisch selektiven Untersuchungen gezeitigt, dann führen sie zu einer völlig anderen Aussage. Dann ist es plötzlich die „muslimische Bevölkerung“, die ein Problem mit „unseren Werten“ hat, anstatt durchschnittlichen Eltern jeglicher Religionszugehörigkeit, die ein Problem mit Aspekten der westlichen Konsumgesellschaft haben.
Es mangelt an Qualität – in allen Einrichtungen!
Wir Wiener Kinder-, Hort- und Freizeitpädagog_innen haben schon mehrfach für eine Verbesserung des Bildungssystems protestiert – zuletzt am 21. Oktober unter dem Motto „Ausgespielt! Es reicht!“ Unser Hauptproblem ist, es gibt viel zu wenig Geld für Qualität und keine adäquaten einheitlichen Rahmenbedingungen für die Kleinkindpädagogik. Die Öffnungszeiten, Kind/Pädagog_innen-Schlüssel, Gruppengrößen, die Ausbildungen und die Gehälter sind in allen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Zwischen Kindergärten und Kindergruppen herrschen riesige Qualitätsunterschiede und die verschiedenen Trägerinstitutionen (privat, öffentlich, religiös, esoterisch, …) haben alle verschiedene pädagogische Konzepte und Praktiken.
Ja, ich wünsche mir einheitliche Rahmenbedingungen, bessere Entlohnung und das ehrliche Bemühen die Qualität unserer Einrichtungen zu verbessern. Ich wünsche mir, dass in den Kindergärten die Kinder durchmischt werden, dass Kinder aus reichen Familien in dieselben Einrichtungen gehen müssen wie die Kinder aus armen oder aus zugewanderten Familien. Soziale Selektion ist ein Problem und gehört staatlich reguliert und beendet.
Bildungsmisere – ein Kind der ÖVP
Aber ich sehe auch, dass die Partei von Minister Kurz die politische Hauptverantwortung für das knappe Bildungsbudget und für nicht stattgefundene Reformen trägt. Im internationalen Vergleich schneidet Österreich verheerend schlecht ab. An die Universitäten schafft es nur ein Prozent der Kinder aus Arbeiterfamilien. Studierende, deren Väter und Mütter ausschließlich einen Pflichtschulabschluss aufweisen, sind mit nicht einmal 4 Prozent vertreten. Noch schlechter sind die Chancen für Kinder türkischer Zuwanderer. Anders gesagt: Das System gibt ihnen keine Chance und exkludiert sie. Die ÖVP verteidigt ein von extremer Ungleichheit geprägtes System mit allen Mitteln.
Kurz versucht den schwarzen Peter an die muslimische Community weiterzugeben. Er will die Privilegien seiner Klientel beschützen und unsere Bewegung schwächen. Nur weil er sich dabei nicht so hysterisch ausdrückt wie Strache, ist diese Politik dennoch zutiefst rassistisch. Diese Politik wird allerdings auch schreckliche Nebenwirkungen zeitigen, denn die ÖVP wird vom islamfeindlichen Rassismus weniger profitieren als die FPÖ. Solche Angriffe von rechts gelten uns allen, den Bildungssystemkritiker_innen, den solidarischen Helfer_innen wie den Flüchtlingen selbst, den Linken und allen fortschrittlichen Menschen. Unsere Bewegung hat seit August unheimlich viel Positives erreicht. Bleiben wir standhaft und lassen wir uns weder von Kurz noch von Strache davon ablenken.
Karin Wilflingseder ist Betriebsrätin des Vereins StudentInnenkinder. Der Kindergarten wurde 1972 als erster elternverwalteter Kindergarten Österreichs gegründet.