„Studie“ zu islamischen Kindergärten: Eine verlogene, schmutzige Kampagne

Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) unterstellt islamischen Kindergärten in Wien, sie würden „unsere Grundwerte“ ablehnen, und attackierte dabei heftig die Wiener SPÖ. Kurz bezieht sich auf eine angebliche Studie der Universität Wien. Doch die entpuppt sich als rassistische schwarz-blau-liberale Keule.
14. Dezember 2015 |

Die „Studie“, die Integrationsminister Sebastian Kurz und sein „Islamexperte“ Ednan Aslan (Universität Wien) präsentiert haben, ist gar keine Studie, sondern eine „Vorstudie“. Und selbst die wenigen Fakten dieser Vorstudie sind schnell als unseriös, nicht repräsentativ und unwissenschaftlich zerlegt. Die Behauptungen sind eindeutig tendenziös.

In der sogenannten Vorstudie (sie liegt der Neuen Linkswende vor), von Kurz in Auftrag gegeben, ist nur mit neun Eltern von 10.000 Kindern geredet worden. Von geschätzten 150 islamischen Kindergärten wurden nur sieben untersucht. Man hat insgesamt 30 Kindergärten behandelt, allerdings nur in Form von Screenshots von Homepages, Facebook-Seiten und Kopien von Vereinsregisterauszügen.

Eltern, Pädagog_innen und die islamischen Gemeinden sind empört. „In dem Moment, wo der öffentliche Diskurs dahingeht zu sagen, Muslime sind potenziell gefährlich“, meint Carla Amina Baghajati von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), würde die Community zu recht erwarten, dass die Fakten „zuerst einmal zurechtgerückt werden“. Einige muslimische Kindergartenbetreiber haben bereits rechtliche Schritte gegen den Forschungsleiter Aslan eingeleitet.

Fragwürdige Studie, fragwürdiges Institut

Die „Vorstudie“ wurde ausgewählten Studierenden an der Universität Wien vorgelegt. Niemand könnte sich erlauben, so eine unseriöse, unwissenschaftliche Arbeit an einer Universität einzureichen. Die Ergebnisse seien weder nachvollziehbar, noch reproduzierbar. Die Islamische Vereinigung kritisierte, dass es „von der Universität Wien nicht zu erwarten gewesen“ sei, „dass eine Studie mit derartigen Mängeln veröffentlicht wird“.

Niemand könnte sich erlauben, so eine unseriöse, unwissenschaftliche Arbeit an einer Universität einzureichen.

Die Vorstudie wurde vom „Institut für Islamische Studien“ durchgeführt. So wenig die „Vorstudie“ eine Studie ist, ist das „Institut“ ein Institut. Das gibt es nämlich gar nicht – es ist nur eine Forschungsplattform unter Leitung von Ednan Aslan, das anstrebt, ein Institut zu werden. Dennoch führt die Universität Wien (nach Auskunft der Öffentlichkeitsstelle) die Einrichtung bereits als eigenständiges Institut – was von Medien unhinterfragt übernommen wird.

Ist die Millî Görüş-Bewegung faschistisch?

Ist die Millî Görüş-Bewegung faschistisch?

Klar ist, dass Ednan Aslan einigen islamischen Verbänden wie der Muslimbruderschaft und der Millî Görüş-Bewegung schon immer feindlich gegenüberstand. In diesen Kampf zwischen türkischem Kemalismus und den islamischen Gemeinden lassen wir uns nicht hineinziehen. Unsere Aufgabe hier ist, den antimuslimischen und antitürkischen Rassismus zu bekämpfen.

Antimuslimische Stimmungsmache

Kurz und die Vorstudie attestierten im FPÖ-Ton, es würden sich „Parallelgesellschaften“ bilden und Eltern würden ihre Kinder von der „Mehrheitsgesellschaft abschotten“. Solche „Islamisten-Kindergärten sind sofort zu schließen“, meinte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Seine freiheitliche „Zukunftshoffnung“ Maximilian Krauss forderte, „Erziehung durch Extremisten sofort im Keim zu ersticken und eine mögliche gesellschaftliche Katastrophe zu verhindern“. Der Boden wird den Freiheitlichen von diversen liberalen Journalist_innen und Boulevardblättern aufbereitet.

Christian Rainer schreibt im Profil, Asylwerber_innen würden „ihre Frauen in schwarze Säcke stecken“ und spannt den Bogen zu den islamischen Kindergärten: deren Weltbild sei einfach nicht mit unserem vereinbar. Der „Studie“ von Sebastian Kurz zustimmend, meint Rainer, ein „hoher Anteil“ der muslimischen Kindergärten sei „dubios“ und ein ebenso „hoher Anteil“ dieser 10.000 Kinder sei  „für die westliche Gesellschaft verloren“.

Die Kronenzeitung mischt unter die völlig unwissenschaftliche Vorstudie noch einen Betrugsverdacht. Sie titelte ganz unverschämt: „Islam-Kindergärten im Visier der Justiz“. Ein Betrugsverdacht, der nichts mit pädagogischen Konzepten zu tun hat, aber alles mit dem Einstimmen in den rassistischen Chorus, losgetreten von Kurz und Aslan.

Gleiche Rechte verteidigen

Natürlich wäre eine gute Durchmischung zwischen Reich und Arm, verschiedenen Ethnien, Sprachen und Kulturen in den Kindergärten wünschenswert und natürlich sind Debatten über pädagogische Konzepte willkommen. „Wenn aber die Kritik an der Religion nichts anderes als eine zusätzliche Diskriminierung ohnehin schon vielfältig diskriminierter Bevölkerungsgruppen als unverholene Absicht hat“, meint Blogger Robert Misik, „dann müssen die Diskriminierten verteidigt werden.“

“Integration”: Gutes Image, böse Absicht

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Es ist bestehendes Recht, dass neben städtischen Kindergärten auch Kindergruppen von anderen privaten Trägern betrieben werden können – selbstverwaltete Vereine, Montessori-Häuser und eben auch islamische Verbände. Dieses Recht soll nun einer Religionsgruppe abgesprochen werden. Linke müssen dieses Recht gemeinsam mit der muslimischen Gemeinde, Pädagog_innen, Kindern und Eltern bedingungslos verteidigen.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.