Neue Studie zeigt scharfe Polarisierung zwischen Eliten und Arbeiterklasse
Wie sehr die Interessen der (politischen) Eliten und der Mehrheit der Bevölkerung auseinander klaffen wird aktuell bei den Enthüllungen der „Panama-Papiere“ offensichtlich. Die Reichen schleusen ihr Vermögen an der Steuer vorbei und gleichzeitig will die Regierung bei den Ärmsten kürzen und propagiert Bedrohungsszenarien in der Flüchtlingsfrage.
Es müsse „zu Verschärfungen bei der Mindestsicherung kommen, da sich Österreich durch den Massenzustrom an Flüchtlingen und Migranten … in einer Sonderlage befindet“, so Reinhold Lopatka, Obmann des ÖVP-Parlamentsklubs, in einer Presseaussendung. Er, dessen Gehalt als Nationalratsabgeordneter bei monatlich 8.686 Euro brutto liegt, will also bei den Ärmsten kürzen. Mit seinen 74.253 Euro netto pro Jahr (dank Steuerreform um fast 3.000 Euro mehr) maßt er sich an, Mindestsicherungsbezieher_innen, die mit maximal 840 Euro monatlich auskommen müssen, als Schmarotzer darzustellen.
Herrschende Ideen
Je höher der Anteil der Mittelschicht- und Arbeiter_innenkinder in den (politischen) Eliten ist, desto ausgeglichener sind die Einkommensverhältnisse, so Michael Hartmann, Elitenforscher und Autor von „Soziale Ungleichheit – Kein Thema für die Eliten?“. Das heißt umgekehrt, dominiert das Großbürgertum die Eliten, dominieren auch dessen Interessen die Entscheidungen. Denn die Reichen empfinden, im Unterschied zur Mehrheit, die Gesellschaft als gerecht.
Das hat Einfluss auf wichtige Fragen: Müssen Menschen, die auf Mindestsicherung angewiesen sind, hungern? Ist es OK sein Vermögen in Steueroasen zu verfrachten? Wie ist die Finanzkrise zu bewerten? Bei letzterem zeigt Hartmann, dass jene aus (groß)bürgerlichen Familien glauben, dass Staatsverschuldung der Auslöser war, während aus der Arbeiterschaft Stammende die Deregulierung der Finanzmärkte als Ursache sehen. Bei den Lösungsansätzen herrsche wiederum „Einigkeit“: Schuldenabbau zu Lasten der Mehrheit. Die Großbürgerlichen übernahmen die Meinungsführerschaft.
Polarisierung
Außerdem beobachtet Elitenforscher Hartmann, dass die politische- und die Verwaltungselite, die in Österreich kleinbürgerlich geprägt ist, über die letzten Jahre großbürgerlicher geworden ist. Dies ist einerseits auf erodierende Mitgliederzahlen in der Sozialdemokratie zurückzuführen, wodurch beispielsweise die Basis weniger Einfluss auf die Führung hat. Andererseits nimmt die ökonomische Ungleichheit seit Jahren zu. Wie der Ökonom Thomas Piketty zeigte, besitzen die obersten 10 Prozent rund zwei Drittel des Vermögens, während die untere Hälfte so gut wie nichts besitzt (weniger als 5%). Er führt dies darauf zurück, dass die Rate der Renditen (Einkommen auf Vermögen) schneller wächst als die des Wirtschaftswachstums.
So wuchs zwischen 1987 und 2013 das Vermögen der Reichsten um 6,8%, während das durchschnittliche Einkommen weltweit nur um 1,4% jährlich stieg. Gleichzeitig ist dieses Einkommenswachstum zu ungleich verteilt. Das ist ein sich selbst verstärkender Prozess: Große Vermögen generieren höhere Renditen als kleinere. Fehlende Vermögens- und Erbschaftssteuern tragen dazu bei: Das Vermögen von Erb-Haushalten ist circa dreimal so hoch wie jenes der Haushalte, die (noch) nicht geerbt haben. Mit der ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen geht auch eine Ungleichverteilung von Macht, gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten und demokratischen Mitspracherechten einher.
Was tun?
Die Prozesse der Elitenbildung und wachsenden Ungleichverteilung zeigen zweierlei: Einerseits gibt es Veränderungspotenziale in den Machtverhältnissen, auch wenn diese bisher nicht zugunsten der Mehrheit genutzt wurden. Andererseits wird die Elite reicher, homogener – nämlich großbürgerlicher – und hebt sich immer weiter von der Mehrheitsbevölkerung ab. Diese Diskrepanz wird bei Politikergehältern oder Mindestsicherung klar. Denn im Unterschied zur ÖVP, hält die Mehrheit die Mindestsicherung für gut und richtig – das zeigt eine von der Volkshilfe in Auftrag gegebene Umfrage. Demnach sind 79% dafür, lieber Vermögende höher zu besteuern, als Kürzungen bei den Ärmsten vorzunehmen.
Die politischen und wirtschaftlichen Eliten und ihre „Macht“ sind nicht naturgegeben. Die sozialen Verhältnisse werden durch Handlungen erzeugt. Und so können wir Einfluss darauf nehmen, ob bei Armen gekürzt oder Reiche besteuert werden. Marx und Engels schrieben im Kommunistischen Manifest: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“ Derzeit wird dieser Kampf von oben konsequenter geführt als von unten. Drehen wir das um.