CO2-Budget ist nur mit Systemwandel einzuhalten

2015 hat Österreich bei der UN-Klimakonferenz in Paris ein begrenztes CO2-Budget zugeteilt bekommen. Das bedeutet, Österreich darf „nur“ noch 880 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) emittieren. Dem hat die Regierung zugestimmt, aber Vizekanzler Mitterlehner hat auch durchblicken lassen, dass die Regierung nie vorhatte, dieses verbindliche Klimaziel von Paris auch einzuhalten.
28. März 2017 |

Das Instrument des CO2-Budgets hat etwas Revolutionäres an sich: es verlangt von den Industrieländern ihren CO2-Ausstoß schneller zu drosseln als die „Entwicklungsländer“, weil Entwicklung Energie kostet und man keiner Region Entwicklung vorenthalten kann. Wir können nicht sagen: Sorry, aber ihr müsst weiter Armut ertragen, wir haben nämlich das Klima zerstört, und wollen die Konsequenzen nicht selbst tragen. Deshalb wurde das CO2-Budget für alle Regionen der Welt unterschiedlich berechnet. Entscheidend ist die Bevölkerungsgröße und wie viel CO2 ein Land schon emittiert hat.

Wenn beispielsweise China heute als größter Klimaverschmutzer dargestellt wird, dann wird dabei unterschlagen, dass der „Westen“ schon über 100 Jahre lang CO2 in der Atmosphäre angereichert hat. In Klimamodellen geht man davon aus, dass CO2 im Schnitt erst nach 120 Jahren in der Atmosphäre abgebaut wird, es ist also noch fast alles in der Luft, was von der Industrie jemals ausgestoßen wurde.

Das CO2-Budget berücksichtigt aber nicht, wohin die Profite fließen, zu deren Erzeugung das Treibhausgas ausgestoßen wird. Die westliche Industrie betreibt in China ein „sich weiß waschen“. Wenn westliche Konzerne in China produzieren lassen wird der CO2-Ausstoß China zugeschrieben, die Profite fließen aber zu einem großen Teil in den Westen. Das CO2-Budget müsste also berücksichtigen, für wessen Interessen das CO2 emittiert wird. Ansonsten wird westliches Kapital noch stärker in den Entwicklungsländern produzieren lassen, nicht nur um Löhne einzusparen, sondern auch um den Konsequenzen des Abkommens von Paris zu entgehen.

Das globale CO2-Budget

In den letzten 200 Jahren haben wir weltweit etwa 2.000 Milliarden Tonnen CO2 emittiert, und das hat diesen Temperaturanstieg von etwa einem Grad zur Folge. Das gesamte CO2-Budget (historisch und zukünftig) beträgt 3.000 Milliarden Tonnen CO2, wenn wir das Klimaziel von 2 Grad Celsius Erwärmung einhalten wollen. Heute betragen die weltweiten Emissionen etwa 40 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Wir würden also in nur 50 Jahren noch einmal so viel ausstoßen, wie seit dem Beginn des Industriezeitalters.

Die Temperatur erhöht sich mit einer gewissen Verzögerung in Reaktion auf den Anstieg der CO2-Konzentration. Das macht es für viele wirklich schwierig, die Bedrohung wahrzunehmen. Quelle: Owen Gaffney (2012)

 

Die Klimaerwärmung auf 2 Grad zu begrenzen ist ein unheimlich ambitioniertes Ziel, aber es ist unumgänglich. Kommen wir darüber, wird es unvergleichbar schwieriger und langwieriger das Klima und die daran gekoppelten Erdkreisläufe jemals wieder zu stabilisieren.

Nun haben die Regierungschefs in Paris zugestimmt, die 2 Grad-Grenze einzuhalten und sich um eine Be­grenzung auf 1,5 Grad zu bemü­hen. Was das bedeutet, hat einer der weltweit führenden Klimaforscher, Professor Nebojsa Nakicenovic, dem österreichischen Parlament im vorigen Jahr sehr drastisch dargestellt: „Es wird gerechnet, dass, um Stahl und Beton für drei Milliarden Menschen zu produzieren, wegen der globalen Urbanisierung über die nächste Jahrzehnte, allein der Bedarf dieses Budget selbst sprengen würde.“

Österreichs CO2-Budget

Um das Ziel einer maximalen Klimaerwärmung von 2 Grad Celsius einhalten zu können, darf Österreich nur noch 800 bis 1.200 Mio. Tonnen CO2 ausstoßen (uns liegen verschiedene Berechnungen vor). Da wir derzeit 80 Mio. Tonnen pro Jahr verursachen, ist Österreichs Budget schon 2030, also in nur 13 Jahren, aufgebraucht. Danach dürfte Österreich gar kein CO2 mehr ausstoßen. Um das Klimaziel von nur 1,5 Grad Erwärmung einhalten zu können, darf Österreich gar nur mehr 200 oder 300 Mio. Tonnen CO2 ausstoßen (gerechnet ab Juni 2016 könnte Österreich nur noch 2,5 bis 3,5 Jahre lang so weiter machen wie bisher.

CO2 und Klima

Kohlendioxid ist ein Treibhausgas und zwar das mit Abstand häufigste und wichtigste. Treibhausgase nehmen Energie auf, die als Wärme von der Erdoberfläche Richtung Weltall abgestrahlt wird und geben diese Wärme wieder an die Atmosphäre ab. Im Fall von CO2 ist die Beziehung zwischen Erdtemperatur und CO2-Konzetration so eng, dass sie sich mit leichter Verzögerung, immer völlig parallel entwickelt haben.

Wir – es bestehen keine seriösen Zweifel daran, dass der CO2-Gehalt aufgrund der Verbrennung fossiler Brennstoffe durch den Menschen so stark gestiegen ist – haben jetzt 400 ppm CO2 und eine Klimaerwärmung von plus 1 Grad Celsius im weltweiten Durchschnitt. Aber auch wenn wir bei 400 ppm stehen bleiben, werden sich die Temperaturen noch weiter erhöhen, mit einer gewissen Zeitverzögerung. 450 ppm sind laut Klimawissenschaftlern schon ein äußerst riskantes Unterfangen.

Bedeutung für Österreich

Der Temperaturanstieg in Österreich war in den vergangenen 30 Jahren besonders stark, beinahe doppelt so hoch wie im weltweiten Mittel, nämlich plus 2 Grad. Abwechselnde Starkregenereignisse und lange Trockenheit im Osten, Hagel und Ernteausfälle, sowie Schneemangel und Veränderungen der alpinen Landschaften sind Zeugen des Temperaturanstiegs in Österreich. Eine weltweite Erwärmung von 1,5 Grad würde mittelfristig eine Erwärmung von 3 Grad in Österreich bedeuten.

Sogenannte Jahrhunderereignisse wie Überschwemmungen werden dramatisch häufiger. Quelle: Owen Gaffney (2012)

 

Geht die Erwärmung weiter und wird die Arktis tatsächlich schon im Sommer 2030 eisfrei, dann könnten sich ganz andere Wetterphänomene ereignen. Der Golfstrom, der für das besonders warme Klima in Westeuropa sorgt, könnte sich verlagern und Europa könnte trotz globaler Erwärmung empfindlich kälter und chaotischer werden.

Wie das Budget einhalten?

400 Wissenschaftler_innen aus verschiedenen Sparten haben sich in Österreich 2011 im Climate Change Center Austria (CCCA) zusammengetan und Konsequenzen sowie mögliche Lösungen für die drohende Klimakatastrophe erstellt. Die Kernaussage des „Sachstandsberichts Klimawandel“ des Austrian Panel on Climate Change (APCC) fasst Professorin Helga Kromp-Kolb bei einer parlamentarischen Enquete 2016 so zusammen: „Das, was wir bisher tun, reicht nicht. Das, was in Österreich bisher beabsichtigt ist, reicht nicht, um das zu leisten, was Österreich leisten müsste und leisten muss.“

Die anerkannten Strategien im Umgang mit dem Klimawandel heißen „Mitigation“ und „Adaption“. Unter Mitigation versteht man Einsparung von CO2 und aktives Senken des CO2-Gehalts der Atmosphäre, etwa durch Aufforsten. Mit Adaption sind die nötigen Umsiedlungen der Abermillionen gemeint, die der Klimawandel zur Flucht zwingt oder Dämme vor Küstenstädten und vieles mehr.

Was die Regierung tun muss

Zuerst müsste die Regierung durchgreifen und Energie einsparen: von heute auf morgen könnten die sinnlosesten Energieverschwender wie Werbung und Autobahnbeleuchtung abgedreht werden. Dann müssten Gebäude saniert und der öffentliche Verkehr ausgebaut werden.

Ob die Regierung solche Maßnahmen angeht, ohne die es keine Senkung des CO2-Ausstoßes geben wird, zeigt uns, ob sie zu ihrem Wort steht oder weiterhin die Öffentlichkeit zu täuschen versucht. Wenn sie es mit Paris ernst meint, dann könnte sie endlos Arbeitsplätze schaffen, auch für die Bauarbeiter, die als Argument für den Bau von Großprojekten wie dem Murkraftwerk oder dem Flughafenausbau herhalten müssen.

Regierung weigert sich

Gegen die von den CCCA-Expert_innen geforderten Klimaschutzmaßnahmen regte sich schon in der parlamentarischen Enquete durch Vertreter der Industrie empörter Widerstand. Wolfgang Eder von der VOEST-Alpine machte klar, warum es im Kapitalismus immer Widerstand von der Industrie gegen Klimaschutzmaßnahmen geben wird – wegen der Konkurrenz, die einen übervorteilt, wenn man selbst die Kosten nicht so niedrig hält wie möglich: „Technologiewechsel muss nicht nur technisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich darstellbar sein, ansonsten verlieren wir die Wettbewerbsfähigkeit … Natürlich stellen wir dadurch den Standort Europa in Frage, er ist nicht mehr konkurrenzfähig.“

Umweltminister Andrä Rupprechter (links) präsentierte 2014 den Sachstandsbericht Klimawandel mit dem führenden Klimaforscher Nebojsa Nakicenovic (rechts). Rupprechter kennt den vollen Ernst der Lage, hat sich aber offensichtlich entschlossen das Paris-Abkommen heimlich zu ignorieren. Foto: BOKU

 

Die Reaktionen auf das Nein zur Dritten Piste in Schwechat war identisch. „Ich hoffe, dass in der außerordentlichen Revision das Urteil aufgehoben wird“, zeigte ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner seine Unzufriedenheit mit dem Gerichtsbeschluss. Von einem „Riesenfehler“ des Gerichtes redete FPÖ-Klubobmann Gottfried Waldhäusl und SPÖ-Abgeordneter Gerhard Razborcan von einer „juristisch falschen“ Entscheidung. Ulrich Brand, Professor am Institut für Politikwissenschaft in Wien ärgert sich: „Klimapolitik bleibt Augenauswischerei. Der sozial-ökologische Umbau unserer Produktions- und Lebensweise ist dringend notwendig. Das weiß die Politik.“

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Natürlich kann sich kein Regierungspolitiker vorstellen, wegen einer Angelegenheit die unsere Zukunft für tausende Jahre bestimmen wird, die Unternehmerschaft um kurzfristige Profite zu bringen. Sie schmieden schon Pläne, wie sie das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs zu Fall bringen. Sie haben die Verträge von Paris unterzeichnet, aber wir müssen eine mächtige Bewegung aufbauen, die die Unterzeichner dazu zwingt sie einzuhalten, oder wir werden sie von der Macht vertreiben müssen.

Alle Artikel der Serie:

Anthropozän und Ökosozialismus sind ein Schwerpunkt am antikapitalistischen Kongress Marx is Muss von 5. bis 7. Mai im Wiener Amerlinghaus. Es sprechen Carla Weinzierl (System Change not Climate Change), David Heuser (Erdwissenschafter) und Manfred Ecker (leitender Redakteur von Neue Linkswende). Das gesamte Programm findest du hier.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.