Beeindruckender Kindergartenstreik: Über 14.000 für bessere Arbeitsbedingungen
Die streikende Monika arbeitet bei der Caritas als mobile Alltagsbegleitung und fand deutliche Worte in Richtung der Bundesregierung: „Der gute Herr Nehammer sollte mal sechs Stunden täglich mit einem schwer dementen Mann verbringen und dann noch gute Arbeit leisten. Also das mit der Teilzeitarbeit finde ich eine Frechheit und einen Schlag ins Gesicht, er soll das bitte mal probieren, gerne auch mit mir.“
Genug der netten Worte
Auch Brigitte beteiligte sich als Elementarpädagogin an dem Streik und erklärte: „Ich arbeite seit über 20 Jahren als Kindergärtnerin. Auch meine Mutter hat als Kindergärtnerin gearbeitet, ich komme generell aus einer Familie, in der viele im Bildungsbereich tätig sind. Darum bin ich auch ohne Illusionen in diesen Job gekommen, sondern wusste genauso, wie er sehr schön ein kann, gibt es auch sehr schwierige Seiten an dem Beruf. Seit Jahrzehnten wissen wir, dass kleine Gruppen für die Entwicklung der Kinder wie auch für unsere Arbeit am besten sind. Man kann das sowieso nicht trennen, bessere Arbeitsbedingungen sorgen für bessere Kinderbetreuung, das ist logisch. Auch die Eltern verstehen das und es freut mich, dass viele Solidarische hier sind. Nur die Politik weigert sich, irgendetwas zu unternehmen. Nichts passiert, obwohl alle wissen, was passieren müsste. Ich war auch bei den letzten Protesten und fand sie gerade darum so wichtig, wir sprechen das Offensichtliche aus und zeigen, dass man uns nicht einfach ignorieren kann. Es ist ja beeindruckend, wie viele Leute heute gekommen sind, vielleicht können wir jetzt etwas ändern.“
Bereits vor zwei Jahren, am 12. Oktober 2021 organisierten Elementarpädagog:innen eine öffentliche Betriebsversammlung, an der sich mehrere tausend Menschen beteiligten. Ein Jahr später, am 29. März 2022 waren es schon über 8.000 (Linkswende berichtete). Die Probleme blieben dieselben: zu große Gruppen, miserable Arbeitsbedingungen, schlechte Löhne. Zusammengefasst: die Verwandlung von Bildungseinrichtungen in Aufbewahrungsstätten mit miserablen Arbeitsbedingungen. Der Widerstand gegen diese Zustände wächst, der heutige Streik war mit 14.000 Menschen der bisher größte.
Burnouts & Krankenstand Jobwechsel
Farima arbeitet ebenfalls im Bereich der Kinderbetreuung und erklärte: „Ich habe vor vier Jahren angefangen, in diesem Bereich zu arbeiten, weil ich etwas Nützliches für die Gesellschaft tun wollte. Wenn ich erzähle, was ich arbeite, sagt auch jeder, dass es ein wichtiger Beruf ist, aber sobald ich beginne, über unsere Arbeitsbedingungen zu erzählen, sind alle schockiert. Ich alleine habe schon drei oder vier Leute aufgegeben gesehen, weil sie „Burnouts“ hatten, den Jobs als extrem fordernd empfunden und nirgendwo Unterstützung erhielten. Meine älteren Kolleg:innen erzählen dasselbe, bei neuen Mitarbeiter:innen erwarten, die meisten, dass sie bald wieder aufhören. Darum bin ich heute hier, die Forderungen existieren und die Politik soll endlich auf uns eingehen“.
In keinem anderen Beruf ist die Drop-Out-Quote nach den ersten zwei Jahren so hoch wie in der Elementarpädagogik. 2021 lag sie laut damaligen Bildungsstadtrat Czernohorsky bei 70%.
Solidarität der Eltern
Beeindruckend war nicht nur die Beteiligung von Arbeiter:innen, sondern auch die breite gesellschaftliche Solidarität, insbesondere von Eltern. Antonio arbeitet freiberuflich und hat zwei Kinder im Kindergarten: „Ich bin heute hier, weil ich meine Solidarität mit den Pädagog:innen ausdrücken will. Andauern spricht die Gesellschaft darüber, wie wichtig unsere Kinder für die Zukunft sind. In jedem Wahlkampf profilieren sich Parteien darüber, für Bildung einzutreten und bekommen wir die extrem schwierigen Arbeitsbedingungen mit, und niemand unternimmt etwas dagegen. Diese Doppelmoral ist unerträglich, darum will ich heute meine Solidarität zeigen.“
Umfassende Arbeitskämpfe sind nicht nur eine Möglichkeit, die gesellschaftliche Stimmung nach Links zu ziehen, sondern genauso gilt auch, je breitet die gesellschaftliche Unterstützung für Arbeitskämpfe, desto erfolgreicher können sie sein. Darum ist es wichtig, dass wir alle die Kämpfe der Elementarpädagog:innen unterstützten.
Die Rückkehr des Klassenkampfes
Seit 1945 gilt Österreich als eines der Streikfaulsten Länder der Welt. Die Zerstörung der politischen Linken, ein relativ stabiler Nachkriegskapitalismus und die gewerkschaftliche Sozialpartnerschaft sorgen für eine passive Arbeiter_innenklasse. Verstärkt wurde dieser Trend nochmals, durch den Rückgang an Streikaktivitäten in den Zentren des westlichen Kapitalismus. Gesellschaftlich wie politisch wurde es zum neuesten Schrei so zu tun, als gäbe es die Arbeiter:innenklasse überhaupt nicht mehr. Doch mit der Coronakrise und der explodierenden Inflation ist wieder eine Zunahme von Streikaktivitäten in Europa und den USA zu beobachten. Auch in Österreich könnte sich diese Entwicklung andeuten.
Für die radikale Linke bietet dieses Comeback des Klassenkampfes eine gigantische Möglichkeit. Gerade durch Streiks sammeln Arbeiter:innen Erfahrungen mit echter Solidarität – nicht der Geheuchelten, von der die Politik immer spricht – und werden sich bewusst, dass sie es sind, welche diese Gesellschaft am Laufen halten. Ohne Elementarpädagog:innen funktioniert in dieser Gesellschaft nichts, über Marketingexperten hätte diesen Satz noch niemand gesagt. Darum müssen wir die Streiks unterstützen und auch auf unseren eigenen Arbeitsplätzen aktiv werden.
Bei unserem dieswöchigen Gruppentreffen um 19 Uhr im Amerlinghaus Stiftgasse 8 wird uns Karin Wilflingseder, welche die Proteste mitorganisierte, über die Vorbereitung und den Streik berichten. Außerdem wollen wir über Möglichkeiten für Klassenkampf in Österreich diskutieren. Komm vorbei“