Coronakrise stellt Kapitalismus auf die Probe
Die durch das Corona-Virus ausgelöste Krise trifft uns zum einen deshalb so hart, weil der öffentliche Sektor jahrzehntelang ausgehungert wurde. Die Unterfinanzierung der öffentlichen Hand wird in Deutschland laut einer gemeinsamen Studie von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern mit 450 Milliarden Euro beziffert. Zum anderen ist der moderne Kapitalismus schon länger todkrank und wird nur noch mit künstlichen Mitteln auf Kosten von Umwelt und Menschen am Leben erhalten.
Corona fördert das alles auf brutale Art und Weise zutage. Ob endlich gegengesteuert wird, hängt davon ab, ob und wie die Arbeiter_innenbewegung und die großen Protestbewegungen auf die Krise reagieren. Schon an der Frage, ob Schulen geschlossen werden, spitzt sich dieser Tage die Situation zu. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian hat im Ö1-Morgenjournal gewarnt: „Es kann ja nicht sein, dass eine alleinerziehende Mutter eine Woche lang zuhause bleiben kann, und danach hat sie Pech gehabt, und muss sich Urlaub nehmen. Dass die Wirtschaft jede Unterstützung bekommt, die sie braucht, und die Arbeitnehmer nicht, das werden wir nicht zulassen.“
Es könnte die Situation eintreten, dass Experten dringend empfehlen, die Schulen oder Kindergärten geschlossen zu halten, um die Ausbreitung von Infektionen zu bremsen, aber die Regierung es nicht umsetzt, weil sie dazu mit den neoliberalen Kurs der vergangenen Jahrzehnte brechen müsste. Sie wird Schulden machen und Unternehmen und Reiche viel stärker besteuern müssen, um vielleicht einem totalen Systemkollaps zu entgehen.
Personalmangel und Überarbeitung
Aktuell bekommen wir vor allem den eklatanten Mangel an Personal und Ressourcen in den Spitälern zu spüren. Anfang Jänner 2020 wurde die Kinderstation des Krankenhaus-Nord für eineinhalb Wochen geschlossen, weil die Angestellten nur so dazu „gezwungen“ werden konnten, endlich ihren Urlaub zu konsumieren. Anders kämen sie nie dazu in die Lage, wegen des chronischen Personalmangels macht das Krankenhauspersonal permanent Überstunden.
Das hat auf eindringliche Weise gezeigt, wie weit die Unterfinanzierung der öffentlichen Hand die Personalnot und die Überarbeitung schon getrieben hat. Wäre die Regierung nicht dank des Ibiza-Videos zerbrochen, hätte die ÖVP-FPÖ-Koalition die erlaubten Mindest-Ruhezeiten für Ärzte und Ärztinnen von 11 auf 5 Stunden reduziert. So war es im neuen Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz 2019 geplant.
Wegen dieser Zustände herrscht jetzt Panik: Tritt der sehr wahrscheinliche Fall ein, dass gleichzeitig zu viele schwer Erkrankte in den Spitälern notversorgt werden müssen und obendrauf noch Personal in den Spitälern erkrankt, dann bricht das System zusammen. Wir bezahlen für die akkumulierten Sünden des Neoliberalismus. Bundeskanzler Sebastian Kurz ist einer der rücksichtslosesten Vollstrecker dieses Wirtschaftsmodells. Ist uns allen eine seiner letzten Maßnahmen in Erinnerung geblieben? Ausländischen Pflegebediensteten wurde 2019 in einem Schritt, in dem sich neoliberale Kürzungswut und Kurzscher Rassismus harmonisch gepaart haben, die Kinderbeihilfe gekürzt.
Gegen das Demonstrationsverbot
Wie ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian schon angedeutet hat, wird die Krise alle möglichen Konflikte erzeugen. Was passiert mit prekär Beschäftigten, wenn sie zuhause bleiben müssen, Arbeitnehmer_innen die keine fixen Arbeitszeiten beziehungsweise Null-Stunden-Verträge haben, oder Personal, das durch Umsatzbeteiligung seinen Lohn verdient, Scheinselbstständige und allen Geringverdienern. Die Gewerkschaften müssen dafür kämpfen, dass die Krankenkassen und das AMS das nötige Geld erhalten, um diesen Menschen Löhne fortzuzahlen.
Was wird aus den privat-versicherten Pensionen und anderen Zusatzversicherungen wenn sie mit dem Absturz der Börsen wertlos werden oder zumindest an Wert verlieren? Wer ersetzt den Menschen solche Verluste? Die Gewerkschaften werden in dieser Situation kämpfen müssen.
Das Versammlungsverbot ab 500 Personen im Freien wird dabei zu einer riesigen Herausforderung. Die französischen Gewerkschaften haben völlig richtig reagiert. In Frankreich sind Veranstaltungen ab 1.000 Personen im Freien verboten, aber die große CGT-Gewerkschaft mobilisiert am Samstag auf die Straße: Wenn es den Arbeitern „erlaubt“ ist zusammen arbeiten zu gehen, dann haben sie auch das Recht gemeinsam auf den Plätzen der Stadt zu stehen.
Kapitalismus überwinden
Die Corona-Krise stellt nicht nur die neoliberale Ausformung von Kapitalismus infrage, sondern Kapitalismus als Ganzes. Er überlebt nur noch mit der Hilfe von Maßnahmen, die uns alle an den Rand des Abgrund gebracht haben. Die Profite der Kapitalisten fließen seit Jahrzehnten nur mehr dank einer Politik, die Arbeiter_innen verarmen, den globalen Süden verwüstet und den Globus an den Rand einer unkontrollierbaren Klimakrise gebracht hat.
Schon längst wäre eine völlige Umstellung unserer Wirtschaftsweise auf Basis demokratischer Planung nötig gewesen. Wir müssen deshalb als Klasse nicht nur kämpfen um in dieser Krise nicht unter die Räder zu kommen, sondern uns organisieren um Kapitalismus als Ganzes zu stürzen und durch ein sozialistisches und ökologisch nachhaltiges System zu ersetzen.