Die Linke muss mit den Illusionen in die EU brechen

Die knappe Niederlage des freiheitlichen Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer war ein Schuss vor den Bug. Das erschreckend hohe Ergebnis für die FPÖ ist nicht aus dem Himmel gefallen, sondern hat viel mit den Schwächen der Linken zu tun.
6. Juni 2016 |

Erschreckende 2,2 Millionen Menschen haben bei der Bundespräsidentschaftswahl für Norbert Hofer gestimmt. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war sich sicher, dass die Hälfte der Österreicher_innen die „freiheitlichen Wertehaltungen“ unterstütze. Das ist natürlich Schwachsinn, denn bezogen auf alle Wahlberechtigten hatte Hofer 35 Prozent der Stimmen bekommen, nicht 50. Das soll unsere tiefe Besorgnis über das Ergebnis nicht verflachen, sondern uns lediglich vergegenwärtigen, dass die überwältigende Mehrheit nicht für die FPÖ gestimmt hat.

Hofer hätte noch weit weniger Stimmen erhalten, wenn die Wähler_innen seine wahre Gesinnung gekannt hätten. Er ist Mitglied einer jener deutschnationalen Burschenschaften, die sich nie wirklich vom Nationalsozialismus gelöst haben. Aber dieser braune Sumpf ist im Wahlkampf nie wirklich breit getreten worden. Es macht einen Unterschied, ob eine Handvoll Journalist_innen Hofers Zugehörigkeit zu den Burschenschaften thematisiert, oder ob das eine Massenbewegung mit zehntausenden Menschen auf der Straße mit Plakaten vor sich herträgt.

EU-Ablehnung

Hofer hatte in einer Frage besonders leichtes Spiel – er konnte drei Viertel aller EU-Gegner_innen mobilisieren, das sind nach einer Analyse von Fritz Plasser und Franz Sommer umgerechnet 60% seiner Wähler. Leider blicken manche Linke gern auf die „ungebildeten Prolos“ herab, die einfach nicht kapiert hätten, dass die Europäische Union (EU) für sie Frieden und Wohlstand sichere. Es ist ein riesiger Fehler, diese Menschen nicht ernst zu nehmen.

Ihr Misstrauen ist berechtigt und real. Die hohen Erwartungen in mehr soziale Gerechtigkeit, die 1994 mit dem EU-Beitritt geschürt wurden, sind nicht erfüllt worden. Der Einkommensbericht des Rechnungshofes zeigt einen Rückgang der Löhne von 1998 bis 2013. Besonders dramatische Einbußen mussten die untersten 25% der Einkommensbezieher_innen hinnehmen – ihre inflationsbereinigten Einkommen sanken um ein ganzes Viertel ihres Wertes. Der Gini-Koeffizient, das Maß für die Ungleichverteilung der Einkommen, ist laut Arbeiterkammer zwischen 1987 und 2010 um zehn Prozentpunkte gestiegen.

Union der Bosse

Die niedrigen Löhne waren Teil des Deals, nach dem sich Österreich innerhalb der EU zu einer exportorientierten Wirtschaft entwickeln sollte, ähnlich wie Deutschland. Zum 20-jährigen Jubiläum in der EU erklärte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner stolz, Österreich habe es geschafft, zum „Land der Exporteure“ zu werden. Für die Unternehmen war die EU eine Goldgrube: In den ersten zehn Jahren der Mitgliedschaft haben die Eigentümer der 324 größten Kapitalgesellschaften 171 Prozent des eingezahlten Kapitals als Gewinnausschüttung abkassiert.

Genau dieses Wirtschaftsmodell verteidigte der neue Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Wahlkampf, als er in der ORF-Pressestunde meinte, einer kleiner Staat wie Österreich wäre weiter auf die EU-Mitgliedschaft angewiesen, denn nur so könne man „die Exporte fördern und außenwirtschaftlich die Welt erobern“. Was klingt wie eine Drohung, hatte es seinem Kontrahenten Hofer erlaubt, auch an jene Menschen zu appellieren, die sich von links von der etablierten Politik betrogen fühlen. Van der Bellens wankelmütige Positionierung zum Handelsabkommen TTIP bringt dieses ganze Liebäugeln mit den EU-Eliten zum Ausdruck.

Unternehmerpartei SPÖ?

Van der Bellens härteste Kritik an Hofer war dessen negative Haltung zur EU. Selbst der innerhalb der SPÖ als links geltende Wiener Bürgermeister Michael Häupl sagte am 1. Mai, dass „jemand, der die Europäische Union ablehnt“, unwählbar sein. Noch viel schlimmer klang das in einem Wahlkampfflugblatt der SPÖ gegen Norbert Hofer, das sich wie ein Positionspapier der Industriellenvereinigung liest: „Hofer denkt laut über einen EU-Austritt nach. Welche verheerenden Folgen das für Österreich hätte, verschweigt Hofer. Die Absatzchancen der Exportwirtschaft würden sich massiv verschlechtern.“

Eine Million Kämpferinnen und Kämpfer gegen die FPÖ!

Eine Million Kämpferinnen und Kämpfer gegen die FPÖ!

Die FPÖ bleibt in Österreich die einzige Partei, die es wagt, die EU frontal anzugreifen. Das bleibt ein wichtiges Erfolgsrezept und macht die ganze Schwäche der Linken deutlich. Wir müssen der FPÖ das Oppositionsmonopol nehmen. Dazu müssen wir die Illusionen in eine reformierbare EU zerstören und sie als eine Union der Banken und Konzerne ins Visier nehmen. Jedes neue linke Projekt wird an dieser Position gemessen werden!

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.