„Es ist scheißegal was hier grad los ist. Islam sells“

Der Mudda, Menerva Hammad, ist in den letzten Tagen wieder einiges klar geworden: „Es ist scheißegal was hier grad los ist – solange nicht Kopftuch draufsteht und Islam drinnen ist, ist es völlig in Ordnung.“ Die Mudda bloggt auf blog-hotelmama.com.
27. April 2018 |

Sichtbare Musliminnen, mich eingeschlossen, haben sich so viele Jahre für etwas rechtfertigen müssen, erklären und verteidigen müssen, dass wir unbewusst an den Punkt angelangt sind, uns selbst auf den Hijab zu reduzieren – weil wir es nicht anders kennen. Es wurde uns quasi so von der Gesellschaft beigebracht, denn wir haben oft genug von WILDFREMDEN Fragen wie „Wieso tragen Sie das“ gestellt bekommen. Menschen, die nicht einmal deinen Namen kennen, wollen wissen, wieso du was trägst. Man hat dann sofort das Gefühl, eine Botschafterin der Religion sein zu müssen. Ganz nach dem Motto „Wenn ich jetzt etwas Falsches sage, dann hasst sie Muslime. Wenn ich jetzt nicht nett bin, denkt sie alle Muslime seien nicht nett.“ Wir versuchen so verkrampft „alles richtig“ zu machen, dass wir vergessen haben, woran wir glauben.

Wenn ich fluche – und ich fluche oft, weil it’s a part of my fucking personality – dann kommt oft „Aber du bist Muslima UND trägst ein Kopftuch, wie passt das zusammen?!“ Diese äußere Reduzierung auf den Hijab hat uns in den Glauben gestürzt, dass wir tatsächlich nicht mehr sind, oder sein können. Wir sind aber mehr. Und wir müssen niemanden davon überzeugen.

Was hat sich mir bestätigt? Islam sells. Es ist scheißegal was hier grad los ist, welche Versicherung aufgelöst wird, ob Politiker wissen, was du mit wem im Bett machst, keine der Minister das Frauenvolksbegehren unterschrieben hat, Wanzen sich als keine Wanzen entpuppen, Lieder von der Verreckung einiger Menschen singen, eine Frau hierzulande vergewaltigt und Menschen in Münster umgebracht worden sind, wir uns vor finanziellen Kürzungen nicht retten können – solange nicht Kopftuch draufsteht und Islam drinnen ist, ist es völlig in Ordnung. Da kauft man sogar dem rechten Eck ab, dass es ihm um das Wohl der muslimischen Kinder geht… Seriously?

Was hat mich überrascht? Dass Freunde, die man als Familie betrachtet hat, plötzlich wie rechtsextreme Politiker argumentieren. Menschen, die dich seit deiner Kindheit persönlich kennen und genau wissen sollten, dass Hijab nichts mit Frauenunterdrückung zu tun hat und für Männer wie Frauen gilt, noch dazu NIEMALS „Kopfbedeckung“ bedeutet hat – wie wir es hierzulande übersetzen, werden in ihrer Art der Stellungnahme zu Fremden, während sich fremde Menschen mit der wahren Bedeutung des Hijab auseinandersetzen und dir beistehen. Einfach so, als Menschen, die kein Unrecht in ihrem Land haben wollen, weil sie – wie wir alle wissen, dass dies alles schon einmal da war – auch damals schon im Deckmantel der Freiheit.

Ich konzentriere mich nun auf meinen Mamablog. HOTEL MAMA, schreibe dort weiterhin über volle Windeln, weibliche Sexualität, interviewe starke Frauen mit Vorbildsfunktion für junge Mädels, erzähle Frauengeschichten von Frauen weltweit, erzähle euch von meinen Reisen mit meiner kleinen Laila und verringere die „Bad-Hijabdays“, außer der Kontext ist witzig, unterhaltsam, etc., denn ich hab grad selber a bisserl genug davon und mir verdrehen sich die Augen schon automatisch, wenn ich irgendwo „Kopftuch“ lese. Ich bin mehr als das. War ich schon immer. Du übrigens auch.

Die Mudda
(Menerva Hammad)
blog-hotelmama.com

Die Mudda hat den Beitrag zuerst auf Facebook veröffentlicht (in voller Länge hier zu lesen).
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