Gottfried Waldhäusl: Der KZ-Aufseher von Drasenhofen
Führerprinzip. FPÖ-Innenminister Herbert Kickl kündigte zum Antritt der schwarz-blauen Regierung an, bestimmte Menschengruppen künftig wieder „konzentriert“ an einem Ort zu halten. Gottfried Waldhäusl, Kickls getreuer Untergebener und „Asyllandesrat“ in Niederösterreich, erfüllte seine Pflicht. Er ließ in Drasenhofen minderjährige Flüchtlinge in ein Konzentrationslager samt Stacheldraht, Wachhunden und Ausgangssperre inhaftieren. Ganz unabhängig von der Justiz. Erste Straflager, die an die frühen 1930er-Jahre erinnern und die man politisch auch so benennen muss.
Waldhäusl testete aus, wie weit die FPÖ bereits gehen kann. „Immer nur eine einzelne Pille und dann einen Augenblick Abwartens, ob sie nicht zu stark gewesen, ob das Weltgewissen diese Dosis noch vertrage.“ So beschrieb Stefan Zweig inmitten des Zweiten Weltkriegs die Taktik der Nazis, das gesellschaftliche Klima systematisch zu vergiften. Stefan Petzner, langjähriger Kampagnenleiter unter dem ehemaligen FPÖ-Chef Jörg Haider, bestätigte kürzlich im ORF im Zusammenhang mit dem rassistischen FPÖ-Video zur Umstellung der E-Card eben diese Taktik. Sinngemäß: Man provoziere gezielt, und wenn der Aufschrei doch einmal zu groß ist, nimmt man das Gesagte oder Getane einfach zurück und heuchelt Bedauern.
Freiheitsentzug
Die niederösterreichische Kinder- und Jugendanwaltschaft verfasste einen verheerenden Bericht über Drasenhofen. Darin heißt es, es sei den Minderjährigen „laut Aussage der anwesenden Mitarbeiter nur erlaubt, die Einrichtung ausschließlich mit Security und nur für sehr begrenzte Zeit zu verlassen. Dies erweckte den Anschein eines Freiheitsentzuges.“ So, wie sich die Unterbringung für die Anwaltschaft darstellte, „widersprach sie grob den Kinderrechten“ und gefährdete „akut das Kindeswohl (Freiheitsentzug, mögliche Gesundheitsgefährdung, keine pädagogische Betreuung, Stacheldraht…).“ Wie Fairness-Asyl berichtet hat, drohten die Wachposten den Jugendlichen mit Faustschlägen.
Waldhäusl dürfte selbst Druck gemacht haben, das Lager rasch „aufzufüllen“, wie aus einem im Magazin profil veröffentlichten Emailverkehr zwischen der für die Zuweisungen zuständigen Mitarbeiterin der Kinder- und Jugendhilfe und dem Unterkunftsbetreiber hervorgeht. Damit „der Herr Landesrat bei seinem Besuch ab 16:00 sieht, dass die Einrichtung bereits besetzt wurde/wird“, schreibt die Mitarbeiterin im militärischen Befehlston, sei es wichtig, dass „die Zuweisungen alle durchgeführt werden.“ Sie übertrug dem Quartiergeber sogar das Sonderrecht, weitere minderjährige Flüchtlinge zu selektieren, sie „würde die Zuweisungen dann kurzfristig schreiben“.
Absprachen mit Kickl
Bereits im Frühjahr drohte Waldhäusl „illegalen Asylwerbern“ mit der Streichung der Grundversorgung, sollten sie sich nicht innerhalb einer Woche in einem von sieben „Sammellagern“ einfinden. Wenn sie das Land nicht freiwillig verlassen, würde er sie eben „wegsperren“ lassen, sagte Waldhäusl im Interview mit der Zeitung Heute, und bediente sich im selben Atemzug jenem entmenschlichenden Jargon, wie ihn die Nazis verwendet haben: „Jedes Rindsvieh, Schwein oder Lamm wird bei uns erfasst, aber nicht, wie viele Menschen in unser Land kommen.“ Waldhäusl betonte damals in einer eigens einberufenen Pressekonferenz, dass die Maßnahme mit dem Innenminister persönlich abgesprochen sei.
Und dieser stärkt auch im Fall Drasenhofen Waldhäusl demonstrativ den Rücken – ein weiterer Hinweis, dass die Befehle von ganz oben kommen. Im Interview mit Österreich bezeichnete der Polizeiminister Zaun, Stacheldraht, Wachdienst und Freiheitsentzug (Kickl nennt das „strukturierter Tagesablauf“) als „nicht unvernünftig“.
St. Pöltner Gutmenschen, Junge Grüne, Sozialistische Jugend NÖ, Asylkoordination und andere forderten vor dem Landtag in St. Pölten den Rücktritt von Waldhäusl. © Sozialistische Jugend NÖ
Gegen Waldhäusl laufen inzwischen mehrere Anzeigen wegen Freiheitsentzug und Missbrauch der Amtsgewalt. Die Asylkoordination Österreich fordert seinen Rücktritt, dutzende Menschen protestierten in der Landeshauptstadt St. Pölten und kündigten weiteren Widerstand an. Faschismus und alles, was mit den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis in Verbindung steht, ist in der breiten Mehrheit der Gesellschaft verhasst. Wir dürfen nicht warten, bis das Weltgewissen, an das Stefan Zweig appellierte, die nächste Pille verträgt.