Guter Kindergarten braucht Protest
Bis zu 400 Menschen sind dem Aufruf der Themenplattform der Elementar-, Hort- und FreizeitpädagogInnen in der Gewerkschaft GPA-djp am Mittwoch, 21. Oktober zum Protest vor dem Wiener Rathaus gefolgt. Die Unzufriedenheit in den Kindergärten gärt schon seit Jahren, aber die Arbeitsbedingungen wurden eher schlechter anstatt sie den modernen Anforderungen anzupassen – Unzufriedenheit alleine macht leider noch keine positiven Veränderungen. Dabei war es eine dringend notwendige Reform, die die Zustände in den Wiener Einrichtungen nochmal verschärft hat: 2010 wurde in allen Bundesländern der verpflichtende Kindergartenbesuch im Jahr vor Schuleintritt eingeführt. Alle Fünfjährigen müssen mindestens 16 Stunden an vier Tagen pro Woche in eine Betreuungseinrichtung.
Die Maßnahme hat natürlich dazu geführt, dass mehr Kinder zu betreuen sind und dementsprechend die Personalnot viel stärker zum Tragen gekommen ist. Überarbeitung und zu große Gruppen sind viel häufiger geworden, und trotzdem wird das verpflichtende Vorschuljahr von Elementarpädagog_innen größtenteils begrüßt. Das kommt daher, dass die meisten sich wirklich für die Sache, also die Kleinkindpädagogik, engagieren und ihren Beruf begeistert nachgehen. Umso schlimmer, wenn viele von ihnen die Belastung nicht durchstehen und unter dem Burnout-Syndrom leiden, bzw. den Beruf wechseln müssen.
Die Forderungen
- Wenn die Elementarpädagog_innen bessere Arbeitsbedingungen fordern, dann kämpfen sie auch für eine bessere Pädagogik. Sie fordern: Einen Pädagog_innen-Kind-Schlüssel entsprechend modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen, das heißt acht Kinder auf eine Pädagogin. Gruppen mit über zehn Kindern brauchen zwei Pädagog_innen.
- Assistent_innen sollen ausschließlich zur Unterstützung für die Pädagog_innen in ihrer Betreuungs- und Bildungsarbeit arbeiten und nicht noch putzen und kochen müssen, wie es viel zu häufig praktiziert wird. Auch sollen sie eine einheitliche Ausbildung erhalten.
- Kinderanzahl pro geführter Gruppenform muss modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden; das heißt maximal 15 Drei- bis Sechs-jährige je Gruppe. Derzeit sind in Wien Gruppen mit 25 Kindern auf eine Pädagog_in und eine Teilzeit-Assistent_in nicht selten.
- Ein Viertel der Arbeitszeit sollte für Vor- und Nachbereitung zur Verfügung stehen. Aktuell gibt es dazu gar keine gesetzliche Regelung.
Die Einführung des verpflichtenden Vorschuljahres ist nicht von der Bereitstellung ausreichender finanzieller Ressourcen begleitet gewesen, sondern vom Sparzwang. Ganz direkt ließ der Wiener Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch den Betriebsrätinnen ausrichten, man setze „auch weiterhin auf Quantität und nicht auf Qualität“.
Ohne Streik keine Verbesserungen
Das Personal deckt dank ihres hohen Engagements oft gröbste Lücken ab, das geschieht aber immer auch als Raubbau an der eigenen Substanz. Ähnlich sieht es in vielen sozialen Bereichen aus, die seit Jahren systematisch unterfinanziert waren und nur deshalb noch funktionieren, weil die Angestellten ihr Privatleben opfern. Deshalb haben sich Vertreter_innen der Bewährungshilfe-Organisation Neustart dem Protest der Elementarpädagoginnen angeschlossen und für eine Kundgebung am 3. November mobilisiert.
Wir alle wissen, dass Kundgebungen und Demonstrationen die Regierung nicht dazu bringen werden das nötige Geld bereitzustellen. Den Organisatorinnen der Kundgebung vor dem Rathaus ist das auch bewusst und ihre Sprecherin Karin Wilflingseder meinte abschließend, dass man noch viel besser mobilisieren müsse, bis man die Möglichkeiten wirklich ausgereizt hat. „Solange wir nicht streiken, wird man unsere Proteste aussitzen, und unsere Arbeitsbedingungen werden solange auch nicht besser werden. Um unsere Kraft zu entfalten, müssen wir unsere Muskeln noch viel trainieren.“ Der Protest war genau das: ein Aufbautraining!