Indonesien 1965: Der organisierte Massenmord an Kommunisten

Mehr als eine halbe Million Kommunist_innen wurde vom indonesischen Militär im Zuge ihres Putsches ermordet. Der US-Imperialismus unterstützte den Massenmord als Teil seiner „Eindämmungsstrategie des Kommunismus“. Die Kommunistische Partei Indonesiens (PKI) war eine der größten kommunistischen Parteien der Weltgeschichte; Ende des Jahres 1966 war sie vollständig ausgelöscht.
9. November 2016 |

Bis heute werden die schrecklichen Verbrechen des Militärs gutgeheißen oder geleugnet. Der indonesische Minister für maritime Angelegenheiten (Minister für die Nutzung des Meeres) Luhut Panjaitan eröffnete 2015 die erste (!) öffentliche Diskussionsveranstaltung über die Ereignisse des Jahres 1965 mit den Worten: „Wir sind nicht blöd. Glaubt nicht, dass sich die Regierung für dieses oder jenes entschuldigen wird.“

Jessica Melvin, Professorin für „Genozid-Studien“ der Universität von Melbourne, stellte in einem Interview mit der US-amerikanischen Zeitschrift Foreign Policy fest: „Die Darstellung der Regierung ist falsch. Es war nicht so, dass die Menschen 1965 hasserfüllt aufwachten und beschlossen ihre kommunistischen Nachbar_innen zu ermorden. Der Genozid war eine landesweit koordinierte und dokumentierte Kampagne des Militärs. Jede Nacht wurden ­Kommunist_­innen aus den Militärgefängnissen abgeholt, auf‘s Land gefahren und in Massen hingerichtet. Ich alleine habe in Zentral-Aceh (eine indonesische Provinz) vier Massengräber gefunden. Die PKI sollte ausgelöscht werden. In einigen Fällen wurden ganze Familien ermordet, auch Kinder und Babys. Die „Todesschwadronen“ wurden vom Militär gesteuert.“

Wie kam es dazu?

Während des Zweiten Weltkrieges war Indonesien von Japan besetzt. Nach der Niederlage Japans übernahm der bürgerliche Politiker Sukarno die Macht und erklärte das Land für unabhängig. Die PKI unterstütze die Unabhängigkeitsbestrebung Indonesiens. Sukarno stütze seine Herrschaft im Wesentlichen auf zwei rivalisierende Machtblöcke: einerseits auf das Militär, andererseits auf die PKI.

Neben diesen beiden Organisationen gab es noch eine starke islamistische Bewegung. Sukarno versuchte die beiden großen Machtblöcke Militär und PKI gegeneinander auszuspielen und machte abwechselnd Zugeständnisse an die eine oder die andere Seite. In der Wirtschaftspolitik gab es Zugeständnisse an die PKI, weshalb die PKI 1960 eine Regierungskoalition mit Sukarno einging. Seine Politik wurde unter dem Slogan „Nasakom“ (Nationalismus, Religion, Kommunismus) bekannt.

Putsch

In der Nacht zum 1. Oktober 1965 war es dann soweit: das fragile Bündnis zerfiel. Eine kleine Gruppe linker Militärs startete unter dem Namen „Bewegung 30. September“ einen Putschversuch. Eine Beteiligung der PKI am Putschversuch wird faktisch von allen Historiker_innen ausgeschlossen.Doch jetzt startete das gesamte Militär unter der Führung von General Suharto einen Gegenputsch. Dieser gelang auch, Sukarno wurde abgesetzt und die Vernichtung der PKI begann.

USA unterstützten Suharto

Suharto handelte nicht selbständig, sondern wurde von den USA und Australien unterstützt. Mittlerweile veröffentlichte Geheimdokumente zeigen, dass die CIA spätestens seit 1956 aktiv in der Ausbildung und Ausrüstung des indonesischen Militärs involviert war. Die USA hatten eine gewisse Skepsis gegenüber der Politik von Sukarno – er näherte sich zu sehr der Sowjetunion an. 1958 hatte die CIA schon einmal versucht, mithilfe eines Putsches Sukarno zu stürzen, was aber scheiterte.

Seitdem benutzten die USA das Militär als „Staat im Staat“, der notfalls in ihrem Interesse handeln würde. Suharto erhielt von der CIA nicht nur Waffen, sondern auch Informationen (Namenslisten) über die PKI. Der damalige US-Botschafter Marshall Green sagte 1990 gegenüber der Washington Post: „Ich wusste, wir hatten viel mehr Informationen über die PKI als das Militär selbst. Die von der USA zur Verfügung gestellten Informationen waren besser als alles was sie hatten.“

Die Unterstützung des Putsches ist keine Ausnahmeerscheinung in der US-Außenpolitik. Während des „Kalten Krieges“ intervenierten die USA in vielen asiatischen Staaten. Der Koreakrieg 1950, der Vietnamkrieg 1960 und der Bürgerkrieg in Laos 1963-1973 sind nur einige Beispiele. Diese Politik, bekannt als„Eindämmungs-“ bzw. „Rollback-Politik“, wurde vor allem von Außenminister Henry Kissinger gefordert und durchgesetzt.

Fehler der PKI

Abgesehen von den schrecklichen Verbrechen des Militärs und des US-Imperialismus sollte man auch einen kritischen Blick auf die PKI werfen: Sie beging strategische Fehler, für die ihre Anhänger_innen mit dem Leben bezahlten. Die PKI unterstützte Sukarno, weil es im Interesse von Moskaus Außenpolitik war. Es gab lebhafte Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern und Russland war immer besonders bedacht darauf, seine Isolation vom Weltmarkt zu durchbrechen.

Gerechtfertigt wurde das von der PKI mit der sogenannten Etappentheorie. Demnach sollten Revolutionäre in noch nicht voll industrialisierten Ländern die Revolution zurückhalten und zuerst die Entwicklung der Industrie und einer parlamentarischen Demokratie unterstützen. Anknüpfend an diese Strategie beschloss die PKI 1961: „Das Erreichen des Sozialismus ist in Indonesien über den rein parlamentarischen Weg möglich.“ Diese Fokussierung auf das Parlament verfolgte die PKI bis in ihren Untergang. Tragischerweise organisierte die Kommunistische Partei kaum Widerstand gegen die Verfolgung ihrer Mitglieder. Bis zum Schluss hofften sie auf Sukarno, die Justiz oder die Moral ihrer Feinde.

Die PKI hätte wohl nur überleben können, hätte sie direkt zu Beginn des Putsches den Generalstreik ausgerufen und ihren Mitgliedern die Waffen gegeben. Wäre der Putsch von Suharto auf den organisierten Widerstand der Arbeiter_innnenbewegung gestoßen, wäre er gescheitert, hunderttausende Menschenleben wären gerettet worden und dann wäre auch eine sozialistische Revolution denkbar gewesen.

Filmtipp: The Act of Killing. Dieser Dokumentarfilm setzt sich mit den indonesischen Massakern aus der Täterperspektive auseinander. Der Nachfolge Film „The Look of Silence“ thematisiert den Massenmord aus der Perspektive der Opfer.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.