„Kassenreform“: Schwarz-Blau will Gewerkschaften entmachten und Leistungskürzungen

Am 23. Mai hat die Regierung die Sozialversicherungs-Reform im Ministerrat beschlossen. Mit Lügen und billigen Taschenspielertricks versucht die Regierung aus ÖVP und FPÖ Zustimmung für ihren radikalen Umbau des österreichischen Gesundheits- und Sozialversicherungswesens zu bekommen. Linkswende jetzt hat die Aussagen von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) auseinander genommen und einen Blick auf die wahren Vorhaben von Schwarz-Blau geworfen.
23. Mai 2018 |

Die Regierung plant einen Generalangriff auf die österreichischen Sozialversicherungen. ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und seine Sozialministerin Beate Hartinger-Klein behaupten, es gehe um mehr Effizienz. Wie schon bei der AUVA-Zerschlagung glauben sie, die Leute für dumm verkaufen zu können. Mit billigen Schmähs und Seitenhieben gegen „auswuchernde Bürokratie“ versuchen sie Zustimmung zu dieser „Reform“ zu bekommen (schon alleine wenn sie den Begriff „Reform“ verwenden, sollten wir alle misstrauisch werden).

So manche Direktoren würden sich das Gehalt eines Staatssekretärs „genehmigen“, geiferte Strache, darum will man die 22 Generaldirektoren auf sechs reduzieren. Die Regierung behauptet, über eine Senkung von 2.000 auf 400 Funktionären könnte eine Milliarde Euro „im System“ eingespart werden: Aber der gesamte Verwaltungsaufwand für die Versicherungen in Österreich beträgt überhaupt nur 500 Millionen. Abgesehen davon, dass es in den Gremien überhaupt nur 1.200 Funktionäre gibt, werden davon nur 200 überhaupt bezahlt – der Rest arbeitet ehrenamtlich.

Humbug

Der Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungen, Alexander Biach, stellte klar: „Selbst wenn man um 200 Stellen reduziert, ersparen sie sich nicht viel. Die Funktionäre kosten 3,6 Millionen Euro im Jahr. Das ist im Übrigen so viel, wie die Kabinettsmitarbeiter in eineinhalb Monaten bekommen.“ Selbst wenn man Straches Behauptung ernst nimmt (Staatssekretäre erhalten monatlich zwischen 14.009 bis 15.760 Euro brutto), wäre das lediglich ein Einsparungspotenzial von 3 Millionen Euro jährlich – von der geforderten eine Milliarde Einsparungen sind das nur 0,3%.

Weitere 500 Millionen Euro soll immer noch die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) einsparen – diesen Hokuspokus der Sozialministerin haben wir bereits in Linkswende jetzt Nr. 8 widerlegt.

Vorbereitung für Leistungskürzungen

Der Regierung geht es ganz offensichtlich nicht um die „Verwaltung“, sondern um einen radikalen Umbau der Sozialversicherungen, der brutale Leistungskürzungen im Gesundheitswesen wie im britischen National Health Service (NHS, Nationaler Gesundheitsdienst) ermöglichen soll. Die bislang von den Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern dominierten Sozialversicherungen sollen zu Unternehmer-Organen umstrukturiert werden.

Das österreichische Sozialversicherungssystem besteht derzeit aus 21 Versicherungsträger – 14 Krankenkassen (neun Krankenkassen und fünf Betriebskrankenkassen) und sieben Versicherungsanstalten (Unfall- und Pensionsversicherung, und die Versicherungen für gewerbliche Wirtschaft, Eisenbahnen- und Bergbau, Bauern, Beamten und des österreichischen Notariats). Die Regierung will die Versicherungen auf vier oder fünf zusammenlegen.

Arbeiter-Mehrheit

Die Versicherungsanstalten für die Bauern und Unternehmer sollen zu einer Versicherung der Selbstständigen fusioniert werden, die der Beamten und Eisenbahnen-Bergbau zu einer für den öffentlichen Dienst. Der größte Dorn im Auge sind der Regierung die Versicherungen der Arbeitnehmer_innen: die neun Gebietskrankenkassen und die fünf Betriebskrankenkassen sollen zu einer einzigen „Österreichischen Gesundheitskasse“ (ÖGK) geschrumpft werden.

Die Organisation der Sozialversicherungen erfolgt derzeit über drei „Selbstverwaltungskörper“ – Generalversammlung, Vorstände und Kontrollversammlungen. In den Gebiets- und Betriebskrankenkassen, inklusive AUVA, PVA und Eisenbahner-Versicherung, stellen die Arbeitervertreter derzeit 578 von 885 Versicherungsvertreter in diesen drei Gremien (das sind 65 Prozent). In den weitaus wichtigeren Vorständen sind es sogar 75 Prozent, in den Generalversammlungen 73 Prozent. Letztere haben als höchste Entscheidungsinstanz die Satzungs- und Budgethoheit.

Entmachtung der Gewerkschaften

Sozialministerin Beate-Hartinger Klein (FPÖ) will das radikal ändern. Im Interview mit der Zeit im Bild 2 sagte sie unverblümt: „Eine kleinere Anzahl von Leuten ist effizienter im Entscheidungsprozess, das wird ihnen jeder Konzernchef sagen.“ Künftig soll es in der zusammengelegten ÖGK nur mehr einen sogenannten „Verwaltungsrat“ geben, der von Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer mit paritätischem Stimmrecht (50:50) besetzt wird, also beide Seiten „gleichberechtigt“ sind. Da die ÖVP auch ein paar Arbeitnehmer stellt, würde sie so die Mehrheit bekommen.

Dazu kommt, dass die Beitragseinhebung zentral über die ÖGK erfolgen soll und deren Prüfung in das Finanzministerium übergeht, das heißt in Regierungshand gelegt wird. Die Sozialversicherungen und die Selbstverwaltung des Geldes der Werktätigen für Versicherungszwecke – im Falle von Krankheit, Unfällen und für Pensionen – wurden durch die Arbeiterorganisationen von unten erkämpft. Das soll nun mit einem Wisch rückgängig gemacht werden. Der leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz, kommentierte treffend: „Die Gewerkschaft wird enteignet.“

Lügen

Hartinger-Klein behauptete zu ihrer Rechtfertigung, dass sich schon jetzt Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den Gremien mit 50:50 die Waage halten würden – aber das ist eine Lüge. Selbst wenn man gnädigerweise Bauern, Selbstständige und die Trägerkonferenz des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger (in diesem Dachverband haben die Unternehmer die Mehrheit) mit einbezieht, dominieren die Arbeitnehmer_innen derzeit die Sozialversicherungen mit 54 Prozent.

Darüber hinaus unterschlägt Hartinger-Klein in ihrer Rechnung, dass die Unternehmer nur deshalb solches „Gewicht“ bekommen, weil sie in den eher unbedeutenden Kontrollversammlungen die Mehrheit haben. Das soll sich jetzt in der „größten Umfärbeaktion der Zweiten Republik“ ändern, wie es SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner ausgedrückt hat.

Nivellierung nach unten

Sind die Sozialversicherungen erst einmal derart umgebaut, werden die Leistungen für die Patient_innen dramatisch gekürzt werden (wie schon eingangs erwähnt im britischen NHS). Journalist_innen fragten die Regierung bei ihrer Präsentation der „Reform“ am 22. Mai mehrfach, ob geplant sei, künftige Harmonisierungen in den Leistungen zwischen Bundesländern auf das höhere Niveau vorzunehmen, aber allen anwesenden Regierungsvertreter verschlug es plötzlich die Sprache. Eine Nivellierung, also Angleichung nach oben, wird es nicht geben – schließlich würde das ja entgegen dem Vorhaben mehr kosten.

Kein Wunder, dass die Vertreter_innen der Gewerkschaften und Arbeiterkammer auf der Konferenz der Bundesvorstände am 23. Mai durchgehend die Lügen, falschen Behauptungen und „Fake News“ der Regierung anprangerten und sich kampfbereit zeigten (siehe dazu unseren Bericht). ÖGB-Präsident Erich Foglar hat das Ausmaß des Angriffs erfasst: „Wir müssen uns auf einen Langstreckenlauf gefasst machen, es geht um den Umbau von der 2. in die 3. Republik – und dort haben Arbeitnehmer_innen nur einen geringen Stellenwert.“

ÖGB-Vorständekonferenz sagt Schwarz-Blau den Kampf an

ÖGB-Vorständekonferenz sagt Schwarz-Blau den Kampf an

Nach dem Beschluss im Ministerrat richtete Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) den Gewerkschafter_innen dreist aus: „Es geht nicht an, schon vor der Umsetzung Kritik zu geben.“ Genau darum geht es: die Pläne dürfen gar nicht erst umgesetzt werden. Ein Generalstreik kann die Vorhaben von Schwarz-Blau durchkreuzen und diese Regierung des Sozialabbaus und Rassismus stürzen.