Linke Tipps fürs Sommerkino

Ein lauer Sommerabend, ein kühles Bier, ein guter Film – eine der besten Möglichkeiten, sich von Lohnarbeit und Aktivismus zu erholen, sind die verschiedenen Freiluftkinos, die Wien im Sommer zu bieten hat. Verabschieden müssen wir uns leider vom Kino unter Sternen am Karlsplatz, das mangels Subventionen beziehungsweise Sponsoren nach 22 Jahren aufgeben muss.
21. Juli 2018 |

Das Frameout – digital summer festival im Museumsquartier (läuft noch bis 1.9.) zeigt am 21.7. um 21.30 Uhr die Doku „All Creatures Welcome“, in der es um die Aktivitäten des „Chaos Computer Clubs“ geht. Die Hackervereinigung/NGO kämpft für Informationsfreiheit und ein freies Internet. „Use hacking as a mindset“ ist das Motto des Films.

Am 11.8. gibt es die US-amerikanisch-argentinische Koproduktion „White Walls Say Nothing“ zu sehen. Der Film dokumentiert die Street-Art an den Wänden von Buenos Aires: Bilder, Parolen, Graffitis, die die chaotische, lebendige Stadt prägen. „Kunst von unten“, geschaffen von Aktivist_innen und Künstler_innen in einem ganzen Jahrhundert von Unterdrückung, Diktatur und Befreiungskampf.

Kino wie noch nie

Drei sehr unterschiedliche Höhepunkte der Filmgeschichte bietet das Kino wie noch nie: OPEN AIR Augartenspitz (1020 Wien, Obere Augartenstraße 1). Die Filme werden jeweils am Folgetag um 20.30 Uhr im Metro Kino wiederholt. Am 23.7. wird „Get Out“, die antirassistische Horror-Komödie von Jordan Peele gespielt. Wer den Film noch nicht gesehen hat, unbedingte Empfehlung, wer ihn schon kennt, kann die Originalfassung in frischer Luft genießen und nochmal schaudern, wie gefährlich weiße US-Liberale sein können.

 

Am 26.7. terrorisiert die Gang der „Droogs“ eine gar nicht so futuristische Welt in Stanley Kubricks Meisterwerk „A Clockwork Orange“ aus dem Jahre 1971. Die sinnlose Brutalität einer kriminellen Gang trifft auf die kalte Gewalt des Staates, der die sadistischsten Schläger zu Polizisten macht. Der Anführer Alex wird verhaftet und einer „Aversionstherapie“ unterzogen um ihn zu „resozialisieren“. Der Autor der literarischen Vorlage, Anthony Burgess, erklärte den Titel so: „Der Mensch ist ein Mikrokosmos, er ist ein Gewächs, organisch wie eine Frucht, er hat Farbe, Zerbrechlichkeit und Süße. Ihn zu manipulieren, zu konditionieren, bedeutet ihn in ein mechanisches Objekt zu verwandeln – eine Uhrwerk-Orange.“

One, Two, Three: Screwball-Komödie von Billy Wilder.

Am 8.8. schließlich steht Billy Wilders „One, Two, Three“ auf dem Programm, ohne Übertreibung einer der witzigsten Filme aller Zeiten, in dem ein begeisterter deutscher Jung-Stalinist im besetzten Nachkriegs-Deutschland der Schwiegersohn eines amerikanischen Großkapitalisten werden soll. Klingt doof ist aber wirklich zum Niederbrechen, vor allem durch schnelle, unglaublich pointierte Dialoge.

Kino am Dach

Das Sommer-Open-Air-Kino auf dem Dach der Hauptbücherei Wien Kino am Dach zeigt am 4.8. um 20.30 Uhr den dokumentarischen Spielfilm „Murer – Anatomie eines Prozesses“. Der Film beleuchtet das Verfahren gegen den NS-Verbrecher Franz Murer, genannt „der Schlächter von Wilna“, das 1962/63 stattfand. Murer, inzwischen Großbauer und angesehener ÖVP-Funktionär, wurde unter Jubel des Publikums im Gericht frei gesprochen.

Kino im Kammergarten

Das Open-Air-Kino im Unteren Belvedere, Kino im Kammergarten, verspricht den „Spirit of 68“, bleibt aber mit Filmen wie „Barbarella“ oder „Hair“ ziemlich an der Oberfläche. Aus dem Programm sticht allerdings Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ hervor. Bis auf „The Deer Hunter“ / „Die durch die Hölle gehen“ ist dieses Meisterwerk der stärkste Antikriegsfilm und das härteste Statement dieser Epoche gegen den Vietnamkrieg. Der Wahnsinn, das absolute Grauen, die völlige Entmenschlichung, die Grundlagen von Kriegen werden in diesem Film erfasst und erfassen das Publikum. „Apocalypse Now“ ist keine einfache Erfahrung, aber eine, die man nie wieder vergisst. Der Film wird am 9.8. um 21.00 Uhr gezeigt.

Arena-Sommerkino

Das Arena-Sommerkino wiederum bringt am am 18.8. um 20.00 Uhr einen echten Leckerbissen mitten aus den Kämpfen der US-amerikanischen Schwarzen um ihre Rechte in den frühen 1970ern – und ist ein politisches Statement in der Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Ideologien, die innerhalb der Black-Power-Bewegung eine Rolle spielten. In „Space is the Place“ trifft Free Jazz auf Blaxploitation, Science Fiction auf schwarzen Befreiungs-Nationalismus und wir lernen, dass es eine Kunstrichtung, ein Genre namens „Afrofuturism“ gibt.

Space Is The Place: ein afrofuturistischer Science-Fiction-Film.

Die herrlich wahnwitzige (und nicht immer ganz logische) Handlung dreht sich um den Musiker Sun Ra, der einen fremden Planeten entdeckt und beschließt, die afroamerikanische Bevölkerung der USA dort anzusiedeln. Per Musik sollen alle Schwarzen in sein Raumschiff, bemannt von der Crew „The Arkestra“, ­gebeamt werden. Nachdem er einem Mordversuch durch weiße NASA-Agenten entgeht, gelingt sein Plan während eines Konzerts. In ganz Oakland lösen sich Schwarze in Luft auf um im Raumschiff wieder zu materialisieren.

Der Film wurde oft als Kritik an der Politik etwa der Black Panthers gedeutet, die bis zu einem gewissen Grad marxistisch und klassenbewusst agierten. „Space in the Place“ scheint auf den ersten Blick dagegen die Ideen einer kulturellen Emanzipation gepaart mit Separatismus zu vertreten. Doch so einfach liegen die Dinge nicht. Die Grenze zwischen Ironie und Ernst ist nicht immer auszumachen. Der Gedanke liegt aber nicht fern, dass Schwarze in den USA das Gefühl hatten und haben, dass für sie wohl nur der Weltraum ein Leben ohne Rassismus bieten könnte. Es lohnt sich sehr, sich selbst ein Bild zu machen.