Mindestsicherung: Angriff auf die untersten 3 Prozent abwehren!
Die geplanten BMS-Kürzungen sind eine Riesenschweinerei mit rassistischem Beigeschmack, denn sie gehen gegen Familien, die ohnehin zu den Ärmsten zählen. Die Landesregierungen von Oberösterreich, Niederösterreich und dem Burgenland kürzen die Mindestsicherung von Asyl- und subsidär Schutzberechtigten. Aber auch „zu große“ Familien oder jene mit Wohnbeihilfe schauen durch die Finger. Das müssen wir verhindern!
Zuerst wurde Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht – sie bekämen zu viel. Jetzt lassen die Landesregierungen aller Couleur die Katze aus dem Sack: Es ist ganz brutaler Sozialabbau bei den Ärmsten der Armen – vertuscht durch Rassismus.
Flüchtlinge als Sündenbock
Ihr Argument, aufgrund der steigenden Zahl an Flüchtlingen und damit an Bezieher_innen wären die Budgets „enorm belastet“, ist ein Täuschungsmanöver. Bereits seit 2008 steigt die Anzahl der Bezieher_innen von Mindestsicherung – aus mehreren Gründen: Arbeit wird zunehmend prekär und unterbezahlt geleistet, während gleichzeitig Ungleichheit und Arbeitslosigkeit steigen. Aufgrund neoliberaler Arbeitsmarktreformen (mehr geringfügige Beschäftigung) und Abbau an Sozialleistungen (verlangte Versicherungszeiten in der Arbeitslosenversicherung) erfüllen heute viele nicht mehr die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen, die der BMS vorgelagert sind, wie das Arbeitslosengeld.
Die BMS, als das letzte soziale Netz, fängt also die Probleme auf, die in Wirklichkeit schon viel früher am Arbeitsmarkt und anderswo begonnen haben. Anstatt einer Kürzung der BMS muss der Mindestlohn angehoben und prekärer Beschäftigung der Kampf angesagt werden.
„Soziale Hängematte“?
Lediglich drei Prozent der Bevölkerung beziehen Mindestsicherung. Von diesen 256.400 Personen (2014) lebten nur sechs Prozent ausschließlich von dieser Leistung, während drei Viertel der 15- bis 64-jährigen Bezieher_innen sogenannte Ergänzungsbezieher_innen waren. Das sind jene, deren andere Mittel zu niedrig sind. So verdienten 10 Prozent der unselbstständig Beschäftigten weniger als 721 Euro. Außerdem verlagert sich Vollzeit- auf (prekäre) Teilzeitbeschäftigung. Und auf jede beim AMS gemeldete offene Stelle kommen im Schnitt 15 Arbeitssuchende.
Allein die 31 Milliardäre in Österreich wurden gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent reicher. Ihr Vermögen beläuft sich 2015 auf rund 140 Milliarden Euro.
Dem System der Mindestsicherung kann hier kein Vorwurf gemacht werden. Im Gegenteil: Dass seit Einführung der BMS mehr Menschen ihren Anspruch geltend machen und nicht mehr hungern und frieren, zeigt, dass die BMS ihren Zweck zumindest besser als die vormalige Sozialhilfe erfüllt. Aktuell liegt der BMS-Mindeststandard bei 837,76 Euro pro Monat. Doch die durchschnittliche Höhe der tatsächlich ausbezahlten monatlichen BMS-Leistung ist wesentlich geringer: im Oktober 2014 betrug sie je Haushalt rund 600 Euro. Anspruchsberechtigt sind nur jene, die weniger als 4.200 Euro besitzen (egal ob bar oder in Form eines Autos), sobald sie darüber sind bekommen sie keine Mindestsicherung mehr. Dabei werden die Einkommen und Vermögen aller im Haushalt lebenden Personen berücksichtigt.
Laut Statistik Austria beträgt die monatliche Miete (mit Betriebskosten) durchschnittlich 470 Euro. Da bleibt nicht mehr viel für Essen oder andere Bedürfnisse übrig. Flüchtlinge in der Grundversorgung bekommen sogar nur läppische 320 Euro. Warum sollte Flüchtlingen weniger an Essen, Kleidung und Dach zugestanden werden als mittellosen Österreicher_innen? Wir dürfen nicht zulassen, dass es unterschiedliche Regelungen für Arme gibt, je nach Herkunft oder Hautfarbe.
Teile und herrsche
Die Landesregierungen aller Couleur führen unterschiedlichen Regelungen für unterschiedliche Gruppen ein. So müssen im schwarz-grünen Vorarlberg Asylberechtigte neuerdings eine „Integrationsvereinbarung“ unterschreiben, um ihren Anspruch auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) geltend zu machen. Das Burgenland (SP/FP), Niederösterreich (VP) und Oberösterreich (VP/FP ) gehen sogar weiter und schmeißen subsidär Schutzberechtigte aus dem BMS-System ganz raus und verweisen auf die wesentlich geringere Grundversorgung (320 Euro monatlich).
In Oberösterreich betrifft dies sogar Asylberechtigte die nur eine befristete Aufenthaltsbewilligung haben (Stichwort „Asyl auf Zeit“). Dort deckelt die Landesregierung zusätzlich die BMS (auch für Österreicher_innen) auf maximal 1.500 Euro monatlich – unabhängig von Haushaltsgröße. Sie stellen den BMS-Mindeststandard für eine Familie mit zwei Kindern von knapp 1.600 Euro pro Monat als zu hoch hin. Das ist lächerlich! Wir wissen, wie viel Eltern mit Kindern wirklich brauchen. Laut Schuldnerberatung liegen die Ausgaben für eine durchschnittliche Familie mit zwei Kindern in Österreich bei 3.369 Euro pro Monat.
Klassenkampf von oben
Universitätsprofessor Nikolaus Dimmel hat den Angriff auf die Mindestsicherung als „Klassenkampf von oben ist“ bezeichnet. Es geht um den Abbau sozialer Rechte. Mindeststandards sollen zu Obergrenzen umfunktioniert werden. Doch wo bleiben die Obergrenzen für Reiche? Wo bleiben die Vermögenssteuern zur Finanzierung?
Denn Reiche werden immer reicher. In Summe besitzen die 100 reichsten Österreicher_innen 2015 ein Vermögen von rund 170 Milliarden Euro. Das ist mehr als der Hälfte der jährlichen Wertschöpfung. Allein die 31 Milliardäre in Österreich wurden gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent reicher. Ihr Vermögen beläuft sich 2015 auf rund 140 Milliarden Euro. Und die Landeshauptmänner, die die Kürzungen der Mindestsicherung vorantreiben, verdienten vergangenes Jahr je rund 17.000 Euro brutto pro Monat.
Neid-Debatte ist Schein-Debatte
Die Ausgaben für die BMS der Länder betrug 2014 in Summe rund 673 Millionen Euro. Das sind 0,2 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung oder 0,7 Prozent der gesamten Sozialausgaben.
Die Budgets sind also keinesfalls durch die Mindestsicherung überbelastet. Es ist ein Streit um Brotkrümel der von der realen Verteilungsfrage ablenkt – zur Freude der Reichen und jener, die den Sozialstaat zerschlagen wollen – allen voran die FPÖ, die den österreichischen Steuerzahler_innen mit dem Hypo-Debakel Kosten von 19 Milliarden Euro verursacht hat. Mit diesem Geld hätten wir 28 Jahre lang die BMS finanzieren und uns die scheinheilige Neid-Dabatte sparen können. Jetzt müssen wir ihnen einen Strich durch die Rechnung machen, Widerstand aufbauen und eine Kürzung der Mindestsicherung verhindern.
Die Plattform Solidarität Oberösterreich organisiert am Mittwoch, 2. März in Linz eine wichtige Demonstration gegen die Kürzung der Mindestsicherung.