Neue Studie warnt: Es wird heißer, viel heißer!
Die Erde steht auf der Kippe. Entweder wird die globale Erwärmung so gering gehalten, dass das Erdsystem noch stabilisiert werden kann, oder es gerät so aus dem Gleichgewicht, dass es sich für Jahrtausende auf eine sogenannte Heißzeit umstellt, wie sie zuletzt vor 15 Millionen Jahren geherrscht hat.
Heißzeit oder Stabilisierung?
Die im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienene Studie stellt diese „Hothouse Earth“ (Treibhaus Erde) einer sogenannten „Stabilized Earth“ (stabilisierte Erde) gegenüber. In dem „Hothouse Earth“-Szenario würde unumkehrbar der Meeresspiegel zwischen 10 und 60 Meter und die Temperatur um 4°C bis 5°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau steigen.
Die Folgen für die Menschheit wären dramatisch. Die Autor_innen argumentieren, dass dieses Szenario bereits bei einer Erwärmung zwischen 1,5°C und 2°C eingeleitet sein könnte. Beispielsweise droht bereits bei 2°C Erwärmung das grönländische Eisschild endgültig zu kollabieren und eine Kettenreaktion an Folgeprozessen auszulösen.
Dem gegenüber wird das „Stabilized Earth“-Szenario gestellt, in dem die Menschheit es schafft, das System Erde zu stabilisieren, bevor es in eine Heißzeit umkippt. Die Wissenschaftler_innen betonen, dass dazu die aktive Arbeit der Menschheit nötig ist. Der Leitautor der Studie, Will Steffen von der Australian National University (ANU) und dem Stockholm Resilience Centre (SRC), sagte gegenüber dem Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK): „Um dieses Szenario [der Heißzeit] zu vermeiden, ist es notwendig, das menschliche Handeln in eine neue Richtung zu lenken, von der Ausbeutung zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Erdsystem.“
Grundlegende Veränderungen
Laut der Studie ist die Heißzeit bei einem Weiter-wie-bisher kaum aufhaltbar. Nur durch das aktive Eingreifen der Menschen kann das Erdsystem noch stabilisiert werden. Auch, wenn in der Studie nicht konkret auf die grundlegenden Problematiken des Kapitalismus eingegangen wird, betont sie, dass die durch menschliche Aktivität erzeugte Instabilität des Erdsystems eine tiefreichende Änderung mit dem Umgang der Natur verlangt.
Dieses Jahr brachen aufgrund der enormen Hitze eine Welle von verheerenden Waldbränden aus, unter anderem in Griechenland, Portugal, Kalifornien und Schweden © NPS Climate Change Response
Wir Menschen müssen uns als „integralen, interagierenden Bestandteil“ des Erdsystems verstehen. Das derzeitige „sozioökonomische System“ beruhe auf der Ausbeutung von Ressourcen und einem „kohlenstoffintensiven Wirtschaftswachstum“. „Schrittweise Veränderungen des derzeitigen sozioökonomischen Systems sind nicht genug, um das Erdsystem zu stabilisieren. … Im Wesentlichen ist eine effektive Verwaltung über das Erdsystem eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung einer menschlichen Gesellschaft auf einer stabilisierten Erde.“
Zentral seien die Reduktion der Treibhausgasemissionen, der Ausbau und Erhalt von Kohlenstoffsenken wie Wälder (Holz speichert CO2 und Aufforstung ist der anerkannte Weg, um der Atmosphäre CO2 zu entziehen) und ein generell nachhaltiger Umgang mit der Biosphäre. Da auch die stabilisierte Erde von Kippelementen und Unstabilitäten geprägt sei, müsse die Gesellschaft auf abrupte Änderungen des Erdsystems reagieren können.
Die Wege, die in den nächsten zwei Jahrzehnten eingeschlagen werden, seien bestimmend darüber, welche Richtung das System Erde gehe. Welche Richtung das Erdsystem einschlägt, ist im Anthropozän tatsächlich abhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen.
Kettenreaktion
Eine Erwärmung der Erde hat nicht nur steigende Temperaturen zur Folge, sondern beeinflusst auch Meeresströmungen, Windsysteme, Ökosysteme und viele weitere Prozesse. Diese Veränderungen sind bereits jetzt deutlich zu spüren, wie die europaweite Trockenheit diesen Sommer und das weltweite Absterben der Korallenriffe zeigen.
Mittlerweile sind viele solcher Rückkopplungsprozesse mit dem Klima gut nachvollziehbar. Sie sind entscheidend dafür, welchen Pfad das Erdsystem aufgrund des Klimawandels einschlagen wird. Einige Elemente des Erdsystems können, sobald ein kritischer Punkt erreicht wird, in einen völlig anderen Zustand kippen.
Will Steffen und seine Kolleg_innen behandeln in der Studie einige Kippelemente wie das Abschmelzen des grönländischen und der antarktischen Eisschilde und des arktischen und antarktischen Meereises, tauender Permafrost, das Ausgasen von Methanhydraten vom Meeresboden, das teilweise Absterben der borealen Wälder und des Amazonas-Regenwaldes, die Schwächung der Kohlenstoffsenken an Land und im Ozean oder die zunehmende bakterielle Atmung in den Ozeanen. Diese Kippelemente dürfen jedoch nicht isoliert betrachtet werden, wie die Wissenschaftler_innen deutlich machen, sondern beeinflussen sich gegenseitig.
Wissenschafter studieren Folgen des Klimawandels an Korallen © NPS Climate Change Response
Beispielsweise verändert das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes die Meereszirkulation im Atlantik, wodurch sich mehr Wärme in der Antarktis aufstaut. Der steigende Meeresspiegel durch das Abschmelzen Grönlands und die zusätzliche Wärme beschleunigen das Abschmelzen der Ost-Antarktis. Das lässt wiederum den Meeresspiegel stärker ansteigen und verändert die Meereszirkulation weiter. Diese Wechselwirkung konnte sogar bereits jetzt beobachtet werden.
Simulationen zeigen zudem, dass das Auftauen des grönländischen und des west-antarktischen Eisschildes durch die Änderung der Meereszirkulation die Temperaturen auf der Nordhalbkugel stärker ansteigen lässt. Das beschleunigt das Auftauen des Permafrostes und das Absterben der borealen Wälder in Russland und Kanada. Sowohl Permafrost als auch das Absterben der Wälder führt zu mehr CO2 in der Atmosphäre, was zu höheren Temperaturen führt, also auch das Abschmelzen der Eisschilde weiter befeuert.
Anthropozän
Die letzten 2,6 Millionen Jahre befand sich die Erde in einem relativ stabilen Zyklus. Dieser wurde durch die bisherigen Treibhausgasemissionen bereits verlassen.
Spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind die Menschen zum dominierenden Faktor für das System Erde geworden, insbesondere für das Klima, aber auch für andere Prozesse wie dem Stickstoff- oder Kohlenstoffkreislauf. Die Epoche des Anthropozän hat begonnen. Geolog_innen diskutieren derzeit, wie weit das Anthropozän sogar im geologischen Gedächtnis der Erde erhalten bleiben wird und somit als neues geologisches Zeitalter aufgenommen werden kann.
Zwar formten Menschen schon lange vorher ihre Umgebung und beeinflussten Ökosysteme, allerdings führte die kapitalistische Produktionsweise und die daraus resultierende Beziehung zwischen Mensch und Natur zu einem qualitativen Unterschied, der schließlich die Menschen zum dominierenden Faktor des Systems Erde machte. Erst dadurch verließ die Erde ihren vorherigen Pfad und geriet in den derzeitigen, sehr unstabilen Zustand.
Ökologischer Bruch
Die Studie macht uns nochmals deutlicher, vor welche dringenden Herausforderungen uns der Klimawandel stellt und was alles auf dem Spiel steht. Sie zeigt auch, dass es eine grundlegende, gesellschaftliche Veränderung braucht, um das Anthropozän in eine lebenswerte und einigermaßen stabile Bahn zu lenken. Die Studie deutet sogar an, dass dazu der Kapitalismus überwunden werden muss.
Karl Marx beschreibt in seiner Analyse des Kapitalismus einen Bruch im Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, der durch die kapitalistische Produktionsweise entsteht. Die kapitalistische Gesellschaft kümmert sich nicht um die Natur als schützenswerte Lebensgrundlage, sondern beutet sie für Profite aus.
Marx zeigt, dass dieses Verhältnis nicht aufgrund der Unfähigkeit von Politiker_innen oder Unternehmer_innen entsteht, sondern fundamentaler Bestandteil des Kapitalismus ist. So wie Krieg und Hunger zur Kapitalanhäufung in Kauf genommen werden, werden ökologische Katastrophen und sogar eine Heißzeit in Kauf genommen.
Es ist nicht verwunderlich, dass trotz der Kenntnisse über den Klimawandel kein Weg eingeschlagen wird, diesen tatsächlich zu bremsen. Wenn wir „von der Ausbeutung zu einem verantwortungsvollem Umgang mit dem Erdsystem“ kommen wollen, müssen wir die kapitalistischen Produktionsverhältnisse überwinden.
Kurz gesagt: anstatt alles auf die Anhäufung von Kapital und Privateigentum auszurichten, brauchen wir eine demokratische Kontrolle der Produktion durch die Arbeitenden selbst. Nur dadurch kann die nachhaltige Gestaltung eines stabilisierten Erdsystems garantiert und die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden.
Die Geschichte hat gezeigt, dass uns diese sozialistische Gesellschaft niemals von oben geschenkt werden wird, weder durch die Einsicht der Kapitalisten, noch durch irgendeinen vermeintlich wohlwollenden Politiker. Sie muss durch die revolutionäre Selbstbefreiung von unten erkämpft werden.