Österreich am Tiefpunkt der Würde
Sie wollen weiter abschieben „so lang es geht“. Täglich erreichen uns Bilder von Verzweifelten, die sich an ausfliegende Maschinen klammern und in den Tod stürzen. Der Westen will sie nicht- und die Taliban übernehmen die Drecksarbeit unserer Regierungen, wenn sie Menschen daran hintern zum Flughafen zu gelangen. Den Innenminister lässt die Lage kalt, er sieht „keinen Grund, warum ein Afghane jetzt nach Österreich kommen sollte.“
So tief unten im Kellergeschoss der Menschenwürde kratzen nicht einmal die reaktionärsten Regierungen Europas: Kosovo, Nordmazedonien, Polen haben sich alle dazu entschlossen ausgewählten Flüchtlingen Schutz zu gewähren. Völlig blind gegenüber den Tatsachen vor Ort fabuliert man bei uns über „Verhandlungen mit der Taliban, um die Wiederaufnahme von Geflüchteten“. Man will sie ans Messer liefern – die Frage ist einzig, ob die neuen Herrscher sie nehmen.
Die oft propagierte „Hilfe vor Ort“ ist dabei nicht mehr als eine makabre Farce. Das hat sich in Griechenland gezeigt, als von den 400 gelieferten Zelten gerade einmal 25 in Kara Tape aufgestellt wurden, für Heizstrahler fehlten die Steckdosen. Jetzt fordert Nehammer Abschiebelager rund um Afghanistan – wie diese dann aussehen, möchte man sich in den schlimmsten Albträumen nicht vorstellen.
Das Ausmaß an Verachtung, dass unsere Regierung afghanischen Menschen entgegenbringt, wird deutlich daran, dass erst vor einigen Tagen die Botschafterin Manizha Bakhtari vorgeladen wurde, weil sie sich angesichts der verheerenden Situation gegen Abschiebungen aussprach. „Sie haben Hände abgeschlagen, sie haben geköpft und Frauen gesteinigt. „Sie haben den Frauen befohlen, zu Hause zu bleiben und nur in männlicher Begleitung das Haus zu verlassen. Und sie haben alle Mädchenschulen geschlossen.“ Das war noch vor der Machtergreifung der Taliban. Inzwischen sind die von Österreich Zurückgewiesenen wandelnde Zielscheiben. Das ständige sich darauf Herausreden „eh nur Straffällige“ abschieben zu wollen, ist de facto ein Plädoyer für herkunftsbezogene Folter- und im schlimmsten Fall Todesstrafen.
Die Regierung hetzt weiter
Seit Monaten befeuert die ÖVP Islamfeindlichkeit und stärkt die extremen Rechten: Sei es durch die Realisierung des Traumprojekts der Identitären, die „Islamkarte“, mit gefälschten Studien oder der Instrumentalisierung eines Frauenmordes: Der Regierung ist kein Mittel zu schäbig, um Abschiebungen in Kriegsgebiete durchzudrücken. Der für Anfang August geplante Charterflug wurde im letzten Moment vom Europäischen Gerichtshof verhindert, der die Deportationen für illegal erklärt hat. Doch von so etwas Trivialem wie Menschenrechten lassen sich unsere Politiker nicht aufhalten. „Wenn das [Abschiebungen Anm.] nicht gelingen sollte, müssen wir über Alternativen nachdenken.“
Klar ist auch: Wenn es um Verhetzung und Abschiebung von Ausländer_innen geht, stellen ihnen die Grünen nicht das Bein. Dezidiert für einen Abschiebestopp positionierte sich in den letzten Tagen Van der Bellen, in einem Twitterpost, der Nehammers Hassreden als „fehl am Platz“ und „mit der europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar“ verurteilt. Die Evakuierung und Aufnahme, insbesondere von vulnerablen Gruppen fordern die Nationalratsabgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic und Faika El-Nagashi. Diese postet: „Sie wollen nicht. Können wir uns darauf verständigen, diejenigen rauszuholen, die nicht so leben wollen? Zum Beispiel all die Frauen und Mädchen, Journalist*innen, Künstler*innen, Lesben, Schwule, Lehrer*innen… denen die völlige Entrechtung droht?“.
Doch das ist nicht Parteilinie: Die Grünen tragen Mitverantwortung für den unmenschlichen Umgang mit Geflüchteten. Nicht nur dass sie der rechtspopulistischen Schreckensherrschaft unter Kurz freie Hand ließen und etwa im Nationalrat dagegen stimmten Kinder aus Moria aufzunehmen: von Menschenrechten war auch keine Rede als im letzten Jahr wiederholt Tschetschenen nach Russland abgeschoben wurden, wohlwissend dass sie dort mit dem Tod rechnen mussten. Auch jetzt hüllt man sich in unterwürfiges Schweigen. Die Angst vor einer geplatzten Koalition überwiegt offenbar jedes halbherzige Bedürfnis, sich für Menschenleben einzusetzen.
Kaum Gegenwind von der Opposition
Auch die Opposition hat auf die größte humanitäre Katastrophe seit Jahren keine solidarischen Antworten. Während Nehammer und FPÖ die grausigsten Abschiebefantasien herausposaunen, schwafelt die SPÖ auf Twitter von einem „Terrorismusabwehrzentrum“ und wie man Österreich am besten vor einer „Flüchtlingskrise“ bewahren könne. Wie man die Flüchtlinge vor der Krise bewahren kann, ist kaum Thema. Nur einzelne Politiker*innen, fordern die Aufnahme von Geflüchteten, oft unter der Bedingung, dass es sich um Frauen handelt. Die Neos drücken sich um die ethische Frage herum, indem sie Afghanistanabschiebungen als „realitätsfern“ bezeichnen. Die Diskussionen kreisen um die Möglichkeit von Abschiebungen, um Rechtslage und Landeerlaubnis, während es in Wahrheit die faschistoide Verhetzungsrhetorik aus dem Innenministerium ist, die Angst machen sollten.
Fest steht: Menschenrechte werden hierzulande nicht im Parlament verteidigt. Wir können Sicherheit und Leben von Geflüchteten nicht denen überlassen, die sie mit Füßen treten. Setzen wir der mörderischen Hasspolitik eine Welle des solidarischen Widerstands entgegen:
Für Dienstag, den 24. August um 18.30 rufen die Junge Generation in der SPÖ-Wien und die Plattform für eine menschliche Asylpolitik zur Demonstration am Wiener Minoritenplatz und fordern:
Nehammer absetzen!
Abschiebungen stoppen!
Evakuieren jetzt!