Rassismus: Wahlrecht schließt 12 Prozent der Bevölkerung aus
Das Thema „Ausländerwahlrecht“ ist schon lange in Österreich präsent. Schon 2002 versuchten SPÖ und Grüne das Wahlrecht von der österreichischen Staatsbürgerschaft zu entkoppeln. Ihr Ziel war es, dass alle Wiener_innen abstimmen und kandidieren dürfen, wenn sie seit mindestens fünf Jahren in Wien wohnen.
ÖVP und FPÖ wollten diese Änderung nicht akzeptieren und gingen zum Verfassungsgerichtshof. 2004 entschied dieser, das Ausländerwahlrecht bedürfe einer Verfassungsänderung auf Bundesebene. Daraufhin verfassten die Grünen Anträge für eine Änderung des Ausländerwahlrechts. Eine Verfassungsänderung bedarf einer Zweidrittelmehrheit; Davon ist man bei den aktuellen Kräfteverhältnissen im Parlament aber meilenweit entfernt. Dementsprechend wurden alle Änderungsanträge abgelehnt.
Demokratiedefizit Wahlrecht
Die Demokratieforscher Prof. Rainer Bauböck und Gerd Valchars präsentierten bereits 2013 auf einer Pressekonferenz, organisiert von SOS Mitmensch, Ergebnisse einer europäischen Wahlrechtsstudie. Laut dieser Studie leben in Österreich in etwa eine Million Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft; von ihnen leben ca. 50% schon länger als zehn Jahr in Österreich und 15% sind in Österreich geboren.
Bauböck vom European University Institute bringt die Lage perfekt auf den Punkt: „Daraus folgt, dass ein großer Teil der Gesellschaft zwar den Gesetzen unterworfen, aber von demokratischer Beteiligung ausgeschlossen ist. Ohne Behebung dieses Demokratiedefizits kann von Integration nicht ernsthaft gesprochen werden.“ Abgesehen davon, muss man sich fragen, wieviel Legitimation ein Wahlergebnis hat, wenn 12 Prozent der Bevölkerung nicht wählen dürfen.
Geburtsort unwichtig
Verschärft wird das Problem dadurch, dass es ziemlich schwer ist, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Die österreichische Staatsbürgerschaft folgt dem Abstammungsprinzip, früher auch Blutrecht genannt. Nur wer österreichische Eltern hat, besitzt automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Geburt in Österreich reicht nicht aus! Wer sie erwerben will, muss seit mindestens 10 Jahren in Österreich leben, unbescholten sein, einen gesicherten Lebensunterhalt (Familie mit Kind ein Einkommen von 1.384 Euro) haben, und einige Fragen über beispielsweise die österreichische Geschichte beantworten, die gar nicht so leicht sind: Welche Reformen veränderten Österreich in den 1970er-Jahren?
SOS Mitmensch versucht auf dieses Problem aufmerksam zu machen, indem sie am 24. September eine „Pass-Egal-Wahl“ abhalten, bei der alle Menschen die in Österreich leben, auch wenn sie keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, wählen dürfen. Zwar eine schöne Symbolik, aber wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass die Gegner des Ausländerwahlrechts von sich aus zur Vernunft kommen. Dafür werden die „Ausländer_innen“ all unsere Solidarität und viel Selbstvertrauen brauchen um es zu erkämpfen.