Schutzhaft: Sperrt den Demokratiegefährder Kickl weg!

Wenn heute die Nachfolgepartei der NSDAP in Österreich (Anton Pelinka) eine „Sicherungshaft“ einführen will, sollten die Alarmglocken schrillen.
26. Februar 2019 |

Karl Hinze – Heringsfischer aus Stadthagen in Niedersachsen, Mitglied des Kommunistischen Jugendverbands, Kämpfer für eine Einheitsfront aus Kommunisten und Sozialdemokraten – wurde am 3. März 1933 in Schutzhaft genommen, weil er kurz vor der Machtübernahme der Nazis mit Freunden eine rote Fahne auf einem Schornstein der Glasfabrik Oldenburg hisste.

Otto Stahl – Kontrolleur bei der Konsumgenossenschaft Vorwärts-Befreiung, Sozialdemokrat in Herdecke bei Dortmund in Nordrhein-Westfalen – wurde nach dem Verbot der SPD mit einer Reihe von Genoss_innen in Schutzhaft interniert, ganz einfach deshalb, weil seine Gesinnung den Nazis zuwider war.

Johann Langmantl – Arbeiter aus Grünstadt in Rheinland-Pfalz, Katholik – wurde vorgeworfen „Marxist“ zu sein, weil er und seine Ehefrau „bewusst  nur in jüdischen Geschäften“ gekauft und „sich damit in den Gegensatz zum nationalsozialistischen Wollen“ gestellt hätten. Er wurde am 2. September 1935 in Schutzhaft genommen.

Schutzhaft der Nazis

Hinze, Stahl und Langmantl waren nur drei von mehreren tausend Menschen, die nach der Machtübernahme durch die Nazis in Schutzhaft kamen und in die ersten Konzentrationslager deportiert wurden.

Nach dem inszenierten Reichstagsbrand erließ die Hitlerregierung – über die Marionette des Reichspräsidenten – am 28. Februar eine Notverordnung zur „Abwehr kommunistischer staatgefährdender Gewaltakte“ unter „Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungswesens“. Die liberale Vossische Zeitung merkte gerade noch an, ehe sie 1934 im Zuge der Arisierung des Ullstein-Verlags eingestellt wurde: „Es fragt sich jedoch, wer darüber entscheidet, ob in einem bestimmten Lande die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht sei“.

Der preußische Nazi-Innenminister Hermann Göring klärte zur „Richtigstellung irrtümlicher Auffassung“ die Kompetenz: Die Schutzhaft sei „eine rein polizeiliche Maßnahme“, bei „der jede Mitwirkung der Gerichte ausgeschlossen ist. Eine Vorführung vor einen Richter komme nicht in Frage.“ Die Gestapo erhielt die Macht, unbegrenzt Schutzhäftlinge in die Konzentrationslager ohne einen Tatverdacht einzuweisen. Es folgten Massenverhaftungen von politischen Gegner_innen, Kommunist_innen, Sozialdemokrat_innen, „Gemeinschaftsfremden“, „Asozialen“ und Jüdinnen und Juden. Bis 1938 waren es bereits 60.000 Personen.

Vorbereitung für Diktatur

Dabei war die Schutzhaft keine Erfindung der Nazis. Sie führten nur konsequent zu Ende, was mitunter sozialdemokratische Vorgängerregierungen bereits vorbereitet hatten. In der Weimarer Republik konnten Menschen zum Schutz der öffentlichen Ordnung in Polizeihaft genommen werden, jedoch mussten sie innerhalb von 24 Stunden einem Richter vorgeführt werden. Die Nazis mussten diese Gesetze einfach nur aufgreifen und sie von ihren lästigen rechtsstaatlichen Nebenbestimmungen, wie einer richterlichen Kontrolle, säubern.

Die Nazis führten eigene Kennzeichen für Schutzhäftlinge ein. Foto: Public Domain


Polizeiminister Herbert Kickl will wie Göring seine Beamten, in konkreten Fall des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), also Mitarbeiter des Innenministeriums, entscheiden lassen, über wen Sicherungshaft verhängt wird. Ein Gericht solle die Maßnahme erst danach prüfen. Für Kickl ist das wohl eine unangenehme Klausel, die er einbauen muss, um die nötige Mehrheit für eine Verfassungsänderung zu bekommen. Aber er weiß auch, dass man sie wie 1933 mit einem einfachen Wink wieder streichen kann. Wenn die Zeit aus Sicht der Freiheitlichen reif ist, kann die rechtsstaatliche Hülle ganz schnell fallen.

Blaue Demokratiegefährder

Die Fans der FPÖ kommen auf Facebook ihrerseits bereits auf Fantasien. Mario L. will auf der Seite von Vizekanzler Heinz-Christian Strache gleich alle „Gefährder zu den Willkommensklatschern sperren“. Erich B. prescht vor: „Wie wäre es die Roten in Sicherungshaft zu nehmen?“ Elke M. möchte gleich dem Innenminister die Hoheit darüber geben, wer eingesperrt wird: „Die Regierung wird schon wissen, wer zu dieser Gruppe der Gefährder gehört.“ Silvio M. sieht die Chance: „Entsorgt doch diesen ‚Justizminister‘ endlich!“ Und Danilo M. hofft, dass Kickl nun „den Volksverrätern und sogenannten linksversifften Demokraten das Fürchten lehren wird“.

2017 richtete die oberösterreichische FPÖ eine Denunziationsstelle für politisch missliebige Lehrer ein (die erst nach öffentlichem Druck wieder offline ging). Schüler_innen wurden aufgefordert, Lehrer von Schulen zu melden, in denen „Agitieren gegen die FPÖ auf der Tagesordnung“ stehe. Der Burschenschafter Rüdiger Haider denunzierte den Welser Antifaschisten Thomas Rammerstorfer während eines Vortrags an seiner Schule bei seinem Vater, dem Nationalratsabgeordneten Roman Haider. Dieser schüchterte daraufhin unmittelbar den Direktor ein, der den Vortrag abbrechen ließ. Strache belohnte den Spitzel mit einer eigens kreierten „Demokratie-Medaille“.

Es mutet schon äußerst bizarr an, wenn die einzige Sorge eines Oliver Pink in der Presse eine „kommunistische Diktatur“ in der Zukunft ist, die eine Sicherungshaft für ihre Zwecke nutzen könnte: „Denn es kann ja auch einmal eine Regierung an die Macht kommen, die es mit dem demokratischen Rechtsstaat nicht so genau nimmt.“ Das Recht habe der Politik zu folgen, wer hat das doch gleich gefordert, Herr Pink? Ob es sich um Realitätsverweigerung oder um blinden Gehorsam zur Wahrung des Koalitionsfriedens handelt, sei dahingestellt. Jedenfalls verbindet die Bürgerlichen und die Blauen der Hass auf den Kommunismus.

Nachfolgepartei der NSDAP

Tatsächlich sollte es allen Demokrat_innen zu denken geben, wer denn hier eine Sicherungshaft einführen will. ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz gibt seine Zustimmung, weil er mit der FPÖ seine neoliberale Agenda durchbringen will und ihm eine autoritärere Herrschaftsform wie in Ungarn vorschwebt. Der designierte Landeshauptmann im Burgenland, Hans Peter Doskozil (SPÖ), gibt dem blauen Innenminister schändlicherweise Rückendeckung, weil er einen verbitterten Kampf gegen den linken Flügel in der SPÖ führt (das, was die Rechten in der Labour-Party in Großbritannien oder bei den Demokraten in den USA tun). Die Freiheitlichen aber haben ihre ganz eigenen Motive.

Die FPÖ ist, sagt Politikwissenschafter Anton Pelinka, die indirekte Nachfolgepartei der NSDAP in Österreich. Deren Führer, die deutschnationalen Burschenschafter, haben sich nie wirklich von den Traditionen des Nationalsozialismus gelöst. Der Innenminister forderte schon zu Regierungsantritt, Menschen künftig wieder „konzentriert“ an einem Ort zu halten. In Wien verlangten die Freiheitlichen die Einführung von „Erziehungscamps für gewalttätige Problemschüler“. Und in Niederösterreich fordert ein blauer Asyllandesrat eine „Sonderbehandlung“ von  „integrationsunwilligen Asylwerbern“. Sonderbehandlung war im NS-Jargon die Umschreibung für die Ermordung von Menschen.

Faschistisches Projekt

Die Forderung nach einer Sicherheitshaft ist kein „Ausrutscher“ – sie ist ein Mosaikstein in einem kohärenten Projekt der FPÖ: ein Klima aufzubereiten, in dem eine echte faschistische Massenbewegung als Machtfaktor auf der Straße wachsen kann. Über das Schüren von Rassismus, die systematische Entrechtung eines Teils der Bevölkerung, sollen FPÖ-Anhänger verroht und näher an die Partei gebunden werden. Sie sollen politische Gegner denunzieren und in ihrem Umfeld ein Klima des Hasses mit aufbereiten. Für die Freiheitlichen lästige Gesetze und Hürden – Menschenrechte, Gleichheitsprinzip, Antidiskriminierungsvorgaben, Wissenschaftlichkeit,… – müssen dafür aus dem Weg geräumt werden.

Machen wir uns nichts vor: die Listen werden bereits wieder hinter verschlossenen Türen angefertigt und wenn die Zeit reif ist, an die öffentlichen Bretter genagelt. Es ist die Pflicht der parlamentarischen wie außerparlamentarischen Opposition, den faschistischen Methoden des Innenministers Einhalt zu gebieten. Wir brauchen die Entschlossenheit der Gewerkschaften und Massenproteste wie am 16. März die Großdemo #aufstehn gegen Rassismus. Sich ausschließlich auf den Rechtsstaat zu verlassen, wäre ein grober Fehler, der sich in der Geschichte schon einmal gerächt hat.

Details und Belege: Hans-Henning Scharsach, Strache im braunen Sumpf (2012) und Stille Machtergreifung: Hofer, Strache und die Burschenschaften (2017).