Schwarz-Blau lässt Imame deportieren: Es geht um Rassismus!
Im Namen des „Kampfes gegen den politischen Islam“ kündigte die FPÖ-ÖVP-Regierung am Freitag, 8. Juni, nur wenige Stunden vor dem Freitagsgebet, die Schließung von sieben Moscheen, die Auflösung der gesamten Arabischen Kultusgemeinde und die Deportation von 40 Imamen des türkischen Moschee-Dachverbands ATIB an. Nur wenige Tage zuvor gaben ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz und der dänische Premier Lökke Rasmussen bekannt, abgewiesene Asylwerber an einem „nicht sonderlich attraktiven Ort“ zu konzentrieren. Die Regierung holt zu einer konzertierten staatsrassistischen Attacke auf geflüchtete Menschen, Musliminnen und Muslime aus.
„Man muss den türkischen Moscheeverband ATIB wirklich nicht mögen um zu sehen, dass es hier nicht um den Kampf gegen militaristische und nationalistische Ideologien geht. Sondern um die Vorherrschaft des christlich-weißen Österreichs, die mit autoritären und undemokratischen Mitteln durchgesetzt wird“, kommentierte der Journalist und Autor Daniel Bax den schwarz-blauen Vorstoß. „Die Rechtskatholiken und die Burschenschaften in Österreich sind ja nicht weniger reaktionär als ATIB. Nur sind sie keine Muslime, sondern sitzen in Wien an der Regierung. Linke und Liberale, und gerade Migranten, wären gut beraten, der österreichischen Regierung dafür nicht zu applaudieren. Sie werden die nächsten sein, die es trifft.“
Zustimmung erpressen
Das Problem sind nicht angebliche „islamistische Hassprediger“, wie FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian in der Pressekonferenz die Maßnahmen rechtfertigte, oder vermeintliche „islamistische Parallelgesellschaften“, mit diesen Worten kopierte Kanzler Kurz die jahrelange FPÖ-Rhetorik. Das Problem ist der reaktionär-autoritäre Umbau des österreichischen Staats. Das Problem sind die Parallelgesellschaften der antidemokratischen deutschnationalen Burschenschafter, die sich in allen staatlichen Institutionen breit machen und die sich, wie Hans-Henning Scharsach argumentiert, „nie von den Traditionen des Nationalsozialismus gelöst haben“. Das Problem ist antimuslimischer Rassismus, der seit Jahren von den etablierten Parteien und der extremen Rechten geschürt wird, und zuletzt mit dem neuen Islamgesetz staatlich verankert wurde.
Antirassismus erfordert die Opfer von Rassismus zu verteidigen. Antirassismus fragt nicht nach deren Einstellung, wie wir bereits in der aktuellen Ausgabe von Linkswende jetzt ausgeführt haben.
Gewalt wird zunehmen
Leider lässt sich bereits jetzt eine Prophezeiung machen: In den nächsten Tagen und Wochen wird die Zahl von Angriffen auf Muslime durch selbsternannte „Hüter des Gesetzes“ auf der Straße und die Angriffe auf Moscheen zunehmen. Einen ähnlichen Effekt hatte bereits die bloße Debatte um das Kopftuchverbot in den Kindergärten.
Bax sagte gegenüber Linkswende jetzt, dass die Maßnahmen „genau den entgegen gesetzten als den behaupteten Effekt haben werden: Stärkung von Erdogan in der Türkei und Verhärtung seiner Anhänger in Österreich“. In einer Minderheitengruppe, der schon immer die gleichen Rechte verweigert wurden (Stichwort: Gastarbeiter), soll ein Klima der Angst verbreitet werden. Gerade deshalb ist es wichtig dass die Linke jetzt nicht den Kopf einziehen, sondern erhobenen Hauptes sagt: Nein!
„Staatsjuden“ gegen „Ostjuden“
Von manchen Linken wird leider gerade jetzt argumentiert, dass man die Situation nicht mit dem klassischen Antisemitismus vergleichen könne, weil es damals keine „Hassrabbis“ gegeben hätte. Nur, die Unterscheidung zwischen guten und bösen Ausländern war schon immer integraler Bestandteil der Funktionsweise von Rassismus, unter anderem um Zustimmung im progressiven Bürgertum und dann in der breiten Bevölkerung zu bekommen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die „guten“ integrierten, säkularen Juden von den „bösen“, rückschrittlichen „Ostjuden“ getrennt. 1919 verfügte der preußische Innenminister Wolfgang Heine (SPD) „mit Rücksicht auf die Ernährungsschwierigkeiten und die Arbeitslosigkeit im Inneren“ die Grenzen für „Ostjuden“ zu schließen, wie der Historiker Wolfgang Wippermann nachwies.
Heines Nachfolger, Carl Severing, ebenfalls von der SPD, ordnete 1920 an, alle „lichtscheuen Elemente“ und all jene, die „in dem dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung“ stünden, unverzüglich abzuschieben. Die bayrische Regierung ging einen Schritt weiter und erließ die Ausweisung aller eingewanderten Juden über ein erstes „Konzentrationslager“, das tatsächlich so genannt wurde, in Ingolstadt. Weitere Konzentrationslager wurden 1921 von der sozialdemokratischen Regierung in den preußischen Cottbus-Sielow und Stargrad errichtet. Viele vermeintlich gute, „notorisch staatstreue deutschen Juden“ störten sich, so Wippermann, nicht an der Deportation der „Ostjuden“ – immerhin würden sich die Deportationen ja bloß „gegen kriminelle und verdächtige Elemente“ richten.
Verantwortung
Nur auf Druck von Protesten, organisiert von der Kommunistischen Partei, wurden die Lager 1923 wieder geschlossen. Bis sie unter den Nazis wieder geöffnet wurden – und letzten Endes sechs Millionen Jüdinnen und Juden vergast wurden. Ein beliebtes Zitat aus unbekannter Quelle besagt: „Es fing nicht mit Gaskammern an. Es fing an mit einer Politik, die vom WIR gegen DIE sprach. Es fing an mit Intoleranz und Hassreden. Es fing an mit der Aberkennung von Grundrechten. Es fing an mit brennenden Häusern. Es fing an mit Menschen, die einfach wegschauten.“
Der evangelische Pastor Martin Niemöller, der 1937 – ein Jahr vor den Novemberpogromen – als „persönlicher Gefangener“ Adolf Hitlers in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert wurde, sagte rückblickend über die Todsünden seiner Generation:
Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.
Sündenbockpolitik
Worum es Kurz und Strache geht, wird bei der Debatte um eine angebliche neue „Balkanroute“ für Flüchtlinge über Albanien klar: Rassismus! Kurz’ Parteikollege Erhard Busek, ehemaliger ÖVP-Chef und Kenner des Balkans, bezeichnete die Debatte als „idiotisch“ und „von Ahnungslosigkeit geprägt“. Tatsächlich sei die Sache „innenpolitisch motiviert“, so Busek. Er habe das Gefühl, als ob die Regierung auf die Landkarte schauten und überlegten, wo „noch Flüchtlinge kommen könnten“. Eine „sehr, sehr hohe Zahl“ an Flüchtlingen käme gerade in Griechenland an, dramatisierte der Kanzler. Erion Veliaj, Bürgermeister der albanischen Hauptstadt Tirana, richtete Kurz unmissverständlich aus: „Die Zahlen sind lächerlich.“
Die schwarz-blaue Regierung zerstört das Sozialversicherungssystem, kürzt bei der Mindestsicherung, spart das Bildungssystem kaputt, baut den ORF radikal um und vieles mehr – und dafür sollen jetzt schutzsuchende Menschen, die alles verloren haben, und unsere muslimischen Brüder und Schwestern als Sündenböcke herhalten. Dudu Küçükgöl, ehemaliges Vorstandsmitglied der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ), schrieb auf Facebook, um was es in Wahrheit geht: „Kürzungen für sozial Schwache, steigende Kinderarmut, weniger für Alleinerzieherinnen, Rechtsextreme in allen Ebenen der Republik“ Und dann sagt die Regierung: „Schau, pöhser Islam! Ihr müsst euch alle fürchten!“
Verteidigung muss von unten kommen
Von oben ist nicht zu erwarten, dass der Angriff abgewehrt wird. Zu tief reicht antimuslimischer Rassismus in die alten und neuen etablierten Parlamentsparteien, und weit in die außerparlamentarische Linke. Die Opposition ist sich einig, die Regierung mache zum ersten Mal etwas richtig. SPÖ-Geschäftsführer Max Lercher bezeichnete die Attacken als „erste gescheite Maßnahme“, die NEOS „begrüßten“ die Maßnahmen der Regierung, und Alma Zadic von der Liste Pilz , die sich den Kampf gegen den „politischen Islam“ schon im Wahlkampf auf die Fahnen geheftet hat, nannte die Schließung „radikaler Einrichtungen und Moscheen“ einen „ersten Schritt“.
Der Staatsrassismus von oben muss durch eine entschlossene Reaktion aller Antirassist_innen von unten beantwortet werden: Nein zu allen Abschiebungen, egal ob von Imamen oder von afghanischen Flüchtlingen in Kriegsgebiete, Nein zu den rassistischen Angriffen auf die muslimische Community. Gemeint sind wir alle.