Sinkt Akzeptanz für Flüchtlinge? Regierung schummelt mit Statistiken

Das Integrationsministerium liest eigens in Auftrag gegebene Studien falsch, um die Stimmung gegen Flüchtlinge zu drehen. Österreich sei bereits mit Flüchtlingen „gesättigt“, es bräuchte „Obergrenzen“. Neue Linkswende unterzieht die Behauptungen einem Faktencheck.
13. Februar 2016 |

Susanne Knasmüller, Leiterin der Integrationskoordination im Integrationsministerium, behauptete in der Puls4-Sendung „Pro und Contra“ (24. Jänner), die Stimmung sei gegen Flüchtlinge gekippt und berief sich dabei auf eine Studie, die im März und April 2015 von der Statistik Austria erhoben wurde („Statistisches Jahrbuch für Migration und Integration“). Darin wird behauptet, dass sich die „positive Beurteilung des Integrationsprozesses“ der Vorjahre nicht fortsetze.

  1. Es stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, auf eine Studie zurückzugreifen, die den Ereignissen fast ein Jahr hinterherhinkt. Während die Innenministerin im Mai die katastrophalen „Zeltstädte“ errichten ließ, gaben 64% an, dass Österreich Schutzbedürftigen Asyl gewähren soll. Im Sommer wuchs die Solidaritätsbewegung weiter an. 23% der Bevölkerung waren 2015 direkt in der Flüchtlingshilfe tätig.
  2. Die Konstruktion eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Zuwanderung und Verständnis für Integration ist Schwachsinn. Das Empfinden der „Mehrheitsgesellschaft“ (ohne Migrationshintergrund), ob Integration gut funktioniert, schwankte zwischen 2010 und 2015 (bei einer leichten Tendenz nach oben), während im gleichen Zeitraum jährlich mehr Menschen nach Österreich zugereist sind. Gleiche Schwankungen zeigen Antworten auf die Fragestellung, ob sich das Zusammenleben verbessert hat. Die Studie stellte sogar selbst fest: „Im längerfristigen Zeitvergleich zeigt sich noch immer eine Aufhellung des Integrationsklimas.“
  3. Das „Integrationsempfinden“ ist stärker von anderen Faktoren wie Politik abhängig, als von Zuwanderung. Die extremsten Pole sind kleine Minderheiten und bleiben konstant: dass Integration „sehr schlecht“ funktioniert, meinen im Zeitraum 2010 bis 2015 etwa 9 bis 18% der „Mehrheitsgesellschaft“. Umgekehrt sagen zwischen 3% und 8%, Integration funktioniere „sehr gut“. Die Mehrheit ist unentschlossen und schwankt. Die Statistik gesteht, dass die Befragten teilweise eine „oberflächliche Begründung“ nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo und die Berichterstattung über den „Islamischen Staat“ akzeptiert hätten.
  4. Die Betroffenen („Menschen mit Migrationshindergrund“) werden von den „Integrationsexperten“ der Regierung gar nicht erwähnt – Sie sagen nämlich, dass sich das Integrationsklima verbessert hat. Seit der ersten Erhebung 2010 gaben um die 90% an, sich in Österreich heimisch zu fühlen.
  5. Keine Obergrenzen für Flüchtlinge, sondern für politische Dummheit

    Keine Obergrenzen für Flüchtlinge, sondern für politische Dummheit

     Seriös wäre, aktuelle Umfragen heranzuziehen.
    41% vertreten nach einer jüngeren Profil-Umfrage den Standpunkt von FPÖ und ÖVP, während nur mehr 13% die Willkommenskultur der SPÖ befürworten. Belegt das nicht das Argument der Regierung? Nein, denn Statistiken bilden nur schwer die gesellschaftliche Dynamik ab. Der aufopfernde Einsatz der Zivilbevölkerung ist der aktivere Teil auf der Straße, in Flüchtlingsheimen und an den Grenzen. Die Solidarischen sind viel offensiver als der reaktionäre Pol.

 

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.