Stellungnahme der International Socialist Tendency (IST) zur rassistischen Offensive in Europa

Der EU-Gipfel am 28. Juni hat die rassistische Offensive gegen Flüchtlinge und Migranten in Europa auf dramatische Weise beschleunigt: Wieder sollen Massenlager – „Ankerzentren“ in und „Anlandeplattformen“ außerhalb der „Festung Europa“ – errichtet werden. Die International Socialist Tendency (IST), der auch Linkswende jetzt in Österreich angehört, bekräftigt die dringende Notwendigkeit zum Aufbau antirassistischer Bewegungen, basierend auf internationaler Solidarität.
17. Juli 2018 |

1. Die Tagung des Europäischen Rates am 28. Juni 2018 markierte einen potenziell äußerst gefährlichen Wendepunkt in der rassistischen Offensive gegen Migranten. Nach der Wahl von Donald Trump im November 2016 präsentierte sich die Europäische Union (EU) als Bollwerk des Liberalismus und der Toleranz gegen den Rassismus und Sexismus des neuen US-Präsidenten. Aber im letzten Gipfel hat die EU Trumps Agenda gegen Migranten übernommen.

2. Trump sorgte für Empörung, als er die Kinder von Einwanderern ohne Papieren getrennt von ihren Eltern einsperren ließ. Aber die EU hat den Bau von Internierungslagern – sogenannte „Anlandeplattformen“ – für ganze Familien entlang ihrer Grenzen beschlossen. Libyen – ein Land, kontrolliert von verfeindeten Milizen, die bereits jetzt Migranten handeln, entführen, foltern und vergewaltigen – soll dabei eine besondere Rolle spielen. Der Gipfel übertrug der libyschen Küstenwache die alleinige Aufgabe, Flüchtlingsboote im Mittelmeer „zu retten“.

3. Diese Entscheidungen sind die Folge einer Achse, gebildet zwischen Trump und rechtsextremen Regierungen, die sich über Europa ausbreiten – vertreten durch Viktor Orbán in Ungarn, Sebastian Kurz in Zusammenarbeit mit der Nazi-Partei FPÖ* in Österreich und Matteo Salvini in Italien. Vermeintlich eher moderatere Politiker des neoliberalen Zentrums wie Angela Merkel in Deutschland und Emmanuel Macron in Frankreich versuchen diese Kräfte durch Zugeständnisse zu zügeln. Dies setzt eine tödliche Spirale in Gang, die die ausländerfeindliche Politik radikalisiert und in Wirklichkeit die extreme Rechte stärkt.

4. Der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien gibt den echten faschistischen Kräften Stärke und Selbstvertrauen. Nach dem Erfolg der Kampagne der Lega Nord bei den jüngsten Wahlen in Italien haben sich die rassistischen Angriffe vervielfacht. Trump und die Alt-Right-Bewegung (zu Deutsch „Alternative Rechte“) helfen ebenso den Faschisten. Wir beobachten das in der rasanten Entstehung einer rechten Straßenkampfbewegung in Großbritannien rund um die Football Lads Alliance und Tommy Robinson, die von UKIP begrüßt wird.

5. Der ausländerfeindliche Kurs der EU erfordert vermehrt imperialistische Interventionen in Afrika. Italien war seit dem Sturz Gaddafis bemüht, Libyen umzugestalten. Frankreich hat seine jahrelange Präsenz durch Militärinterventionen in der Sahel-Region intensiviert. Deutschland drängt afrikanische Regierungen, die Migrantenströme schon von vornherein zu unterbinden. Und das Afrikanische Kommando der Vereinigten Staaten (AFRICOM) erweitert ihren militärischen Einflussbereich in den Ländern südlich der Sahara, wie der Tod von vier US-Soldaten einer Spezialeinheit im Niger vergangenen Oktober und die Pläne für eine Militärbasis in Ghana zeigen.

6. Auf ihrem jüngsten Treffen bekräftigte die International Socialist Tendency (IST) einmal mehr ihre unablässige und absolute Opposition zu dieser Politik:

  • Wir treten für offene Grenzen ein und lehnen alle Einwanderungskontrollen ab: nicht Migranten sind das Problem, sondern die Konzernchefs und Banker und ihr System;
  • Gleichzeitig wollen wir die breitest mögliche antirassistische Bewegung aufbauen, indem wir alle Gegner von Trump und der extremen Rechten und die Verteidiger von Migranten und Flüchtlingen zusammenbringen;
  • Aufbauend auf den Traditionen der Anti-Nazi League, in den letzten Jahren erneuert durch KEEFA in Griechenland, Aufstehen gegen Rassismus in Deutschland, Stand Up To Racism und Unite Against Fascism in Großbritannien, Unitat contra el feixisme i el racisme in Katalonien, die Plattform für eine menschliche Asylpolitik in Österreich, Marche des Solidarités in Frankreich und United against Racism in Irland, zielen wir darauf ab, den Faschisten die Agitations- und Organisationsmöglichkeit zu verwehren, indem wir sie über Massenmobilisierungen von den Straßen fegen;
  • Wir lehnen sämtliche Militärinterventionen durch die westlichen imperialistischen Staaten in Afrika und dem Mittleren Osten ab und fordern die Zerschlagung ihrer Militärstützpunkte in diesen Regionen;
  • Wir ergreifen jede Gelegenheit, um internationale Solidarität zwischen den Ausgebeuteten und Unterdrückten dieser Welt aufzubauen. Nur eine sozialistische Revolution kann das Leiden und die Konflikte, verursacht durch den Kapitalismus, beenden.

Koordination der International Socialist Tendency (IST)
13. Juli 2018

 

* Im internationalen Aufruf zum Boykott der FPÖ-Minister werden die Freiheitlichen als „Erben des Nazismus“ bezeichnet. Weitere Belege und Informationen siehe im Buch „Stille Machtergreifung – Hofer, Strache und die Burschenschaften“ von Hans-Henning Scharsach.

Stellungnahme auf Englisch. Übersetzung aus dem Englischen von David Albrich.