Tausende fordern „Nie wieder Schwarz-Blau“
Es droht tatsächlich eine Neuauflage der Koalition aus FPÖ und ÖVP. Keine guten Nachrichten aus dem Bereich der „hohen Politik“. Dafür gibt es gute Nachrichten von einem viel wichtigeren Schauplatz, der Straße. Gestern sind weltweit Millionen Menschen für den Klimaschutz auf die Straßen gegangen, in Österreich gab es Proteste in 779 Ortschaften. Heute marschierten Tausende in Wien gegen eine erneute schwarz-blaue Regierung.
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Flagge für Klimaschutz zeigen
Die Klimaproteste waren auch heute bei der Demonstration gegen Schwarz-Blau sehr präsent. Nicht nur, dass Fridays for Future (FFF) mitmarschiert sind. Wer sich für Klimagerechtigkeit engagiert, ist natürlich gegen Schwarz-Blau; Lisa und Shenoa, beide Konditorlehrlinge: „Wir waren auf vielen der letzten Proteste von FFF und Extinction Rebellion, und jetzt, wo sich FPÖ und ÖVP wieder gegen Fortschritte in der Klimapolitik gestellt haben, ist klar, dass wir auch gegen Schwarz-Blau auf die Straße gehen. Damit wir denen alle mal ein bisschen Druck machen!“ Beide Parteien haben der Liste ihrer Schandtaten letzten Donnerstag eine weitere hinzugefügt: sie stimmten gegen eine Aufstockung des „Green Climate Fund“. Der ist beim Klimagipfel in Cancun ins Leben gerufen worden, um Entwicklungsländern während der Klimakrise unter die Arme zu greifen.
Natürlich ist das Vertrauen in die etablierte Politik unter Schwarz-Blau ohnehin stark geschrumpft, was ja eine gesunde Reaktion ist. Paul, ein Student, meinte etwa: „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass sich wirklich was ändern würde, wenn die SPÖ oder die Grünen in die Regierung gewählt werden. Ich habe überhaupt keine Illusionen mehr in die etablierten Parteien. Es fehlt einfach eine wirkliche, linke Alternative, die endlich mal Politik für die Menschen macht, z.B. echten Klimaschutz mit mehr Steuern für die Großindustrie, statt ein blödes Strohhalmverbot, oder auch das bedingungslose Grundeinkommen. Und deshalb brauchen wir solche Demos, auch um Flagge zu zeigen, wo wir stehen.“
Klimathema dominiert Wahlen
Die Alternative zur etablierten Politik ist glücklicherweise sehr präsent, was Herbert Kickl offensichtlich ärgert. „Jetzt laufen sie der Greta Thunberg nach“, beklagt das Mastermind der FPÖ die Schwierigkeit, das Ausländerthema wieder in den Vordergrund der öffentlichen Debatte zu rücken. Tatsächlich zeigen die Umfragen, dass Klima das Thema Nummer Eins unter den Wähler_innen ist. Das haben wir ganz klar den Schulstreiks der vergangenen Monate zu verdanken. Franziska, die bei FFF aktiv ist, sieht das auch so:„Es macht so viel Mut, dass die Klimaproteste gerade so abheben. Die Politik kommt schon richtig ins Schwitzen, jetzt müssen sie sich endlich mal mit dem Thema befassen. Vor allem weil sie sehen, dass wir nicht nach ein paar Wochen keine Lust mehr haben, sondern dass wir im Gegenteil immer größer werden! Mit vielen Menschen können wir was verändern. Und ich hoffe, dass sich das auch auf andere Bereiche ausweitet, es gehört ja doch alles zusammen. Deshalb bin ich auch heute hier. Ich will weder die Klimakatastrophe, noch die Rechten in der Regierung, und Schwarz-Blau wäre beides.“
In der Klimabewegung herrscht ein enormes Bewusstsein für die Bedeutung von antirassistischer Politik in den Zeiten, die uns bevorstehen. Kein Kickl oder Salvini, kein Kurz oder Trump darf das Sagen haben, wenn zig Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssen, weil die Umweltzerstörung sie dazu zwingt.
Genug von der Grauslichkeit
Die österreichische Asyl- bzw. Deportationspolitik ist unter Schwarz-Blau um einiges grausamer und willkürlicher geworden, als sie es ohnehin schon war. In Afghanistan kommen praktisch täglich Menschen bei Anschlägen ums Leben, oder bei so genannten Anti-Terror-Einsätzen. Es werden auch gezielt Asylwerber ermordet, die willkürlich aus Europa in das Kriegsgebiet deportiert werden. Das alleine bedeutet schon eine unfassbare Eskalation der Unmenschlichkeit.
Kickl allerdings begleitet diese Politik mit gezielter Hetze gegen die Opfer: Rot-Schwarz hätte dafür gesorgt, „dass wir im Asylbereich leider eine Triple-A Bewertung haben. Und diese drei A stehen für aggressive afghanische Asylwerber.“ Solche Reden dienen nicht dem Stimmenfang, sondern sie sind Stimmungsmache, bzw. dienen sie der Verrohung der eigenen Basis.
Autor Ludwig Laher hat auf der Rednerbühne gut auf den Punkt gebracht, was man nach solchen Aussagen fühlt: „Grauslichkeiten dürfen nicht als cool gelten.“ Fairness-Asyl hat vergangenen Montag eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Graz eingebracht wegen des Verdachts auf Verhetzung. Die Organisation Ankommen in Wien hat einen Sarg auf die Bühne getragen und gemeinsam mit den Demonstrant_innen mit einer Schweigeminute an die vielen Toten in Afghanistan erinnert.
Maria, die selbst in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, hat Aufmunterndes dazu bemerkt:„Die Politiker meinen immer, wir normalen Menschen sind dumm. Dabei sind es doch die ganz normalen Menschen, die überhaupt was bewirken. Wie viele Menschen mehr wären ertrunken, wenn es nicht so großartige Helfer_innen wie Carola Rackete gäbe? Und diese unglaublich tollen Solidaritäts-Demos haben ja gezeigt, was die Menschen wollen“.
Antifaschismus und Sozialpolitik
Die heutige Demonstration hatte die Unterstützung zahlreicher Kulturschaffender bekommen, die auf der Bühne mitgewirkt haben, etwa Harry Stojka, Kid Pex, MC Fuchs und Ronja* Accoustic. Besonders die wertvolle Unterstützung durch die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) zeigt die Dringlichkeit dieses Protests. Die Vorsitzende der GPA, Barbara Teiber, war persönlich auf der Bühne und nutzte die Gelegenheit, um gegen Schwarz-Blau zu protestieren. Schwarz-Blau droht uns auch deshalb wieder, weil es noch viele Reste des Sozialstaates zu zerstören gibt, was ihnen in der Kürze bis zum Ibiza-Skandal nicht gelungen ist. Das befürchtet auch Moritz, ein Behindertenbetreuer: „Natürlich bin ich gegen Schwarz-Blau. Ich arbeite in der Behindertenbetreuung, und unter FPÖ/ÖVP wurde bei uns massiv gekürzt. Konkret heißt das: Entlassungen und mehr Belastung für die Betreuer. Und dabei hatten wir erst kurz vorher höhere Löhne erkämpft!“
Gewerkschafter_innen bildeten ein starken Block auf der Großdemo © Linkswende jetzt
Über allen Verbrechen dieser Regierung schwebt aber die ganz große Bedrohung, die wir alle fühlen. Max, ein Rentner warnt: „Jetzt bin ich 65 Jahre alt und ich hätte wirklich gehofft, dass wir in Österreich nicht noch einmal gegen diese braune Brut auf die Straße müssen. Aber es schaut so aus, und es bleibt uns ja auch nichts anderes übrig: wir werden sicher nicht einfach ruhig zusehen, wie sie uns in die dunkelsten Zeiten des letzten Jahrhunderts zurückschleudern wollen!“
Redaktionelle Mitarbeit: Katharina Anetzberger